Dabei war das erste, 1993 veröffentlichte SS eines der bedeutendsten Spiele, die SNK bis dahin entwickelt hatte und was das gesamte Genre seinerzeit hervorbrachte. Mit Fatal Fury war man 91 in vielen Punkten nicht auf Augenhöhe mit dem gleichalten Street Fighter II. Im Jahr 1992 versuchte man mit Fatal Fury 2 den Rückstand aufzuholen, indem man sich stark am Konkurrenten orientierte. Zeitgleich überholte man SF II zumindest technisch mit dem etwas steifen Art of Fighting, bei welchem auch einige neuartige Konzepte wie Dashes, Super Moves und Metermanagement umgesetzt wurden. Gleichziehen oder sogar überholen konnte man im Folgejahr. Mit Fatal Fury Special wurde FF 2 aufgebohrt und feingeschliffen und war nun ein ernstzunehmender Konkurrent zu SF II. Jedoch war es das individuellere Samurai Spirits (Shodown), welches ohne groß zu kopieren ein ähnlich rundes Gesamtkonzept ablieferte. Es war technisch an der absoluten Weltspitze und mit kreativen und charakterstarken Kämpfern ausgestattet. Doch war es vor allem das saubere und neuartige Spielgefühl sowie das faszinierende und unverbrauchte Szenario im feudalen Japan zum Ende des 18. Jahrhunderts, was es so beliebt und begehrenswert machte, wie zeitgleich höchstens das zusehends alternde SF II in seiner aktuellen Version Super SF II und das noch immer schockierende Mortal Kombat II.
Dabei setzt SS auf ein defensives, konterorientiertes Konzept beinahe ohne Combomöglichkeiten. Auch bringt euch fast jeder vom Gegner geblockte Angriff in einen klaren Framenachteil, weshalb sich Druck nur schwer aufrechterhalten lässt. Dafür können Fehler schwerste Folgen haben. Ein kraftvoller Schwerthieb als Counter Hit (also während der Gegner gerade ausholt), kostete schnell die Hälfte der gesamten Lebenspunkte. Vorausgesetzt, die Wutleiste hat seinen Höchststand erreicht. Sie erhöht eurer Schadenspotential und füllt sich durch eingesteckte Treffer.
Doch anstatt den großen Wurf über Jahre nur häppchenweise aufzuwerten, wie bei SF verfahren wurde, marschierte SNK in Riesenschritten weiter voran. So wurde für Samurai Shodown II das noch immer zeitgemäße Grafikkleid aufs Neue entworfen und protze erneut mit schönster und vor allem stilsicherster 2D-Pracht, ein Jahr vor Veröffentlichung des viel nüchterneren Street Fighter Alpha. Dazu gesellte sich mit Genjuro einer der ikonischsten Charaktere der gesamten Serie. Außerdem gewährte von nun an die erwähnte Wutleiste Zugriff auf einen entwaffnenden Superspezialangriff (WFT - Weapon Flipping Technique). Für den dritten Teil wurde abermals ohne Not ein Grafik-Update nachgelegt, das erneut Maßstäbe setzte. Dies ging jedoch mit einer Verringerung des Kämpferfelds und der Reduktion der Hintergrunddetails einher, wobei Letzteres wohl eher stilistische Gründe hatte. Ab SS III pflegt die Reihe nämlich einen düstereren und realistischeren Stil. Dafür wurde ein seit Mortal Kombat X und 11 wieder populär gewordenes Element eingeführt, welches pro Kämpfer zwei Kampfstile, hier Shura und Rasetsu genannt, bereitstellt. Dies führt wohlwollend gerechnet zu einer Verdoppelung des Kaders. Das Grafik- und Kampfkonzept von SS III sollte noch bis ins Jahr 2006 Grundlage für alle zweidimensionalen Vertreter der Reihe sein. Zusätzlich wurde das Kampfsystem aufgebohrt und bot nun unter anderem schnelle Ausweichschritte und erlaubte das Blocken in der Luft. So wirkt SS IV eher wie ein Super SS III und implementiert hauptsächlich die vermissten Veteranen der Vorgänger, die Wutexplosion, auf die ich später noch eingehe, und ein Auto Combo-System. Verzichtet wird dafür auf die Luftblock-Technik, etwas Schadenspotential und ein wenig Düsternis.
Daraufhin wurde die Reihe auf dem neuen Hyper Neo Geo 64 weitergeführt. Zuerst 97 als echtes 3D-Kampfspiel, 98 als eine Art SS IV 64 mit nur rudimentären 3D-Interaktionen. Interessanterweise wurde hier begonnen, die Shura und Rasetsu-Varianten in Einzelcharaktere aufzubrechen, was dann in SS V fortgeführt wurde. 1999 gab es sogar noch einmal einen ähnlich aufgebauten Ableger auf der Playstation und führte eine neue Genration an Schwertmeistern ein, die daraufhin aber wieder in der Versenkung verschwanden. Erst 2003 ging es mit SS V und 2004 mit SS V Special (SNKs letztes Neo Geo-Spiel) weiter und brachte zusätzliche Angriffs-, Metermanagement- und Bewegungsoptionen und damit ein schnelles, aggressiveres und variableres Kampfsystem. Tenka (quasi SS VI) versammelte 2006 noch einmal alle bekannten Kämpfer und implementierte unterschiedliche Leistensysteme ähnlich den Grooves aus Capcom Vs SNK. Die Grafik wurde hier abermals heiterer und verlor auch wegen der beliebigen Hintergründe und der zweifelhaften neuen Charaktere einiges an Stil. Seit dem ersten 64er Titel war das 2008er SS Sen der zweite echte 3D-Ableger.
Zwar erschien Samurai Shodown Sen »erst« 2008, also für SNK-Verhältnisse vor gar nicht allzu langer Zeit, und damit während der durch SF IV eingeleiteten 2D-Kampfspiel-Renaissance, doch hatten sich die Fans etwas anderes erhofft. Trotz seiner Qualitäten, wie den stimmungsvollen Hintergründen, den genialen Zeichnungen und dem soliden Gameplay, war es letzten Endes doch nur ein »ich auch«-Titel auf dem Trittbrett von Soul Calibur. Und auch das Best of-artige SS Tenka war nicht in der Lage, das vielleicht rundeste SS namens SS V Special abzulösen und verwendete noch immer die seit 1995 genutzten Sprites aus SS III.
Somit lasten auf dem neuen SS ohne weiteren Namenszusatz und daher zumeist SS 2019 oder SS 7 genannten Samurai Shodown große Hoffnungen und Erwartungen. Das Erbe wiegt schwer und seit dem zweiten SS 64 fehlt es der Reihe entweder an grafischer Konkurrenzfähigkeit oder ließ die eigene Tradition und Individualität außen vor. Kann SS 2019 nun aber diese ehrwürdige Reihe nach 1996 wieder in vollstem Glanz erstrahlen lassen und sie technisch, wie spielerisch gleichermaßen fortschrittlich und traditionell weiterdenken? Nun, was soll ich sagen? Ich kann es selbst kaum glauben, aber SNK hat trotz aller Moden und Narrative ein absolut reinrassiges SS und veröffentlicht. Keine trendigen Kettencombos, kaum simpel kreierbaren Mixup-Situationen, keine zu langwierigen, spielflussunterbrechenden Inszenierungen der Würfe und keine ellenlangen Blockstrings und Combomöglichkeiten, die man immer wieder aufs Neue aussitzen muss. Tatsächlich sieht man daher in einem Match pro Zeiteinheit zumeist mehr Interaktion zwischen den Kontrahenten, was sowohl das konzentrierte Spielen als auch das Zusehen spannend macht. So wirkt es wie das Remake eines Kampfspiels der alten Schule der mittleren 90er Jahre. Mutig, und wie ich beim Zocken bemerkte, absolut überfällig. Ein ähnliches Spielgefühl bietet momentan kein anderer Genrevertreter.
Doch ironischerweise liegt das neue SS mit seiner klassischen Ausrichtung teilweise sogar im Trend, nur vielleicht etwas zu konsequent. So sind es aktuell beispielsweise Mortal Kombat 11 und Street Fighter V, die sich mehr aus Grundlagen denn auf lange komplizierte Combos fokussieren, auch um den Einstieg für Neulinge leichter zu machen. Eine Paradedisziplin der SS-Reihe. Selbst früher galt es bereits als sehr comboarm und grundlagenorientiert. Weit schneller als in den extrem technischen KOF XIV, SF IV oder Guilty Gear Xrd lassen sich die einzelnen Charaktere und das eigentliche Kampfsystem verinnerlichen. Danach geht es nur noch um Erfahrung und Gedankenspiele. Kein anderes Kampfspiel erfordert es, den Gegner so überlegt abzutasten, wie Samurai Shodown. Normale Angriffe können euch schon mal ein Drittel euer Lebenspunkte kosten, von Super Moves ganz zu schweigen. Hier gibt es ganz organisch ein enormes Comebackpotential ohne, dass ein separates System wie der V-Trigger aus SF V implementiert werden muss. Doch wer zu unüberlegt zuschlägt, macht sich nach einem erfolgreichen Block schnell verwundbar für schmerzhafte Gegenangriffe. Abwägen und lieber selbst auf übereilte Angriffe des Gegners warten, ist also angesagt.
Doch auch in einem anderen Punkt zeigt man sich der "guten alten Zeit" verbunden. Ist man von aktuellen Kampfspielen mittlerweile eine gar stattliche Ausstattung gewöhnt, mimt SS eher die Spielhallenumsetzung. Natürlich gibt es Onlinespielmodi, ein rudimentäres Tutorial und eine Galerie, auf einen echten Storymodus, charakterspezifische Übungen und zusätzliche, auflockernde Einzelspielermodi muss man allerdings verzichten. Von Framedaten bekommt man lediglich über spezielle Blockeinstellungen des Trainingspartners eine wage Ahnung. Da bieten Killer Instinct, Street Fighter V und Mortal Kombat 11 durchweg mehr. Immerhin kann man einen CPU-Spieler anhand des eigenen Spielstils trainieren und somit theoretisch sich selbst die schlechten Angewohnheiten abtrainieren. Auch gegen "Geister" anderer Spieler, kann online angetreten werden. Wie gut das wirklich funktioniert, konnte ich bisher nur unzureichend in Erfahrung bringen.
Abgesehen von der eher schwachen Ausstattung an Einzelspieler- und Trainingsmodi war das Hauptproblem der letzten SNK-Titel, SNK Heroines und KoF XIV, die höchstens durchschnittliche Grafikqualität und vor allem ihr steriler Stil. Während die erstgenannten Punkte weiterhin präsent sind, ist der Grafikstil dieses Mal hervorragend gelungen. Ähnlich aber konsequenter und stimmiger im Vergleich zu SF IV sind die Figuren und Objekte mit Außenrändern und Schraffuren versehen, die für einen Wie-gemalt-Effekt sorgt. Somit wird der Charme der Reihe auch in 3D nahezu perfekt transportiert und schafft einen Spagat zwischen Realismus und buntem Zeichentrick. Gut vergleichbar ist es mit dem 94er SS II, welches nicht zuletzt wegen seiner Stilsicherheit einen beinahe hervorragenden Ruf genießt. Im Gegensatz zu den meisten anderen SS wurde aber endlich auf die Rotfärbung der Haut verzichtet, wenn ein Kämpfer seine Wutleiste füllt. Das sah schon immer ziemlich blöd aus, weshalb ich diesen Punkt als einen klaren stilistischen Vorteil ansehe. Wieder einmal zeigt sich SNK sehr detailverliebt. Beispielsweise werden bei der Hintergrundauswahl die verschiedenen Schauplätze über hübsche japanischen Hanafuda-Spielkarten dargestellt. Die Hintergründe an sich sind allesamt würdige Vertreter der Reihe und lassen jene von KoF XIV aber auch von anderen Genrekollegen hinter sich. Zumindest wenn es nicht unbedingt nur um gespannte Grafikmuskeln geht. Außerdem wurde darauf geachtet, bei den Effekten den Neo Geo-Vorbildern möglichst nahe zu kommen. So zucken Galfords Blitze nach einem seiner Würfe immer noch so wuchtig und unverkennbar über den Bildschirm wie auf der 16 Bit-Konsole. Auch Genjuros und Yoshitoras Spezialtechniken sind traditionsbewusst mit wunderschönen Karten bzw. Blüten-Effekten in Szene gesetzt.
Ein tolles Bekenntnis zur unbekannteren und damit weniger glanzvollen 64 Bit-Vergangenheit gibt SNK mit den klassischen, kantigen, an die Hyper Neo Geo 64-Charaktere angelehnten Modellen ab, mit denen auch gespielt werden kann. Leider präsentieren sich auf diese Art bisher nur Haohmaru, Genjuro und Nakoruru. Da hoffe ich auf einen Nachschlag. Insbesondere Shiki wäre ein Muss, da sie als einzige des Kaders ihren Einstand auf dem 64er System feierte.
Passenderweise orientieren sich neben dem Stil auch das Kampfsystem und die Spielgeschwindigkeit stark am Klassiker. Grundlage für SS 2019 war statt SS II dennoch der vorletzte 2D-Ableger SS V Special, von dem jedoch nicht alle Elemente übernommen wurden, um einen geradlinigeren, klassischeren Grundton zu erzeugen. Beispielsweise fallen die Ausweichschritte, bis auf jenen an Ort und Stelle, weg. Auch auf den schnellen Seitenwechsel aus SS III muss verzichtet werden. Am Boden liegende Gegner sind ebenfalls nicht mehr angreifbar. Den riskanten Konter, der sogar entwaffnen kann (Viertelkreisbewegung nach vorne, A + B), gibt es aber weiterhin. Genau wie die Wutexplosion, mit der man seine Wutleiste für den Rest des Kampfes opfern kann, um in einen zeitlich begrenzten, machtvollen Zustand zu gelangen. Hier teilt ihr noch heftiger aus, als mit regulär gefüllter Leiste und die Rundenzeit steht still. Außerdem kann der aus SS V Special bekannte Issen ausgeführt werden. Issen ist ein schneller Sprintangriff, der kurzzeitig unverwundbar ist und sehr viel Schaden verursacht, aber die Wutexplosion sofort beendet. Je mehr Zeit im Zustand der Wutexplosion verbleibt, desto schmerzhafter ist er. Im Gegensatz zu SS V Special gibt es in 2019 keinen aktivierbaren Zeitlupen-Effekt. Statt dem Zetsumei Ougi (oder auch Fatality) gibt es einen ähnlichen Super Spezialangriff. Er ist nicht mehr nur in der letzten Runde, sondern zu jedem Moment verwendbar, jedoch nur ein einziges Mal, egal ob ihr getroffen habt oder nicht. Er führt zwar nicht mehr zum sofortigen Tod des Gegners, richtet aber zwischen 60 und 70% Schaden an. Ist aber wie damals der Ougi sehr langsam und nur in wenigen Situationen wirklich nützlich. Zusammen mit der bereits erwähnten Entwaffnungstechnik (WFT) gibt es somit drei verschiedenartige besonders starke Spezialtechniken.
Ansonsten bleibt alles beim Grundkonzept aus SS III. Leichte, mittlere und harte Schwerthiebe (A, B, C) sowie ein Tritt-Knopf (D), der je nach Richtungseingabe für einen schnellen Lückenfüller, Fußfeger oder beispielsweise für den Schutz vor Sprungangriffen nützlich ist. Alle vier haben zusätzlich zu einer Sprung- und einer Variante aus der Hocke eine Sprintvariation. Mit B + C führt jeder Charakter einen Angriff aus, der im Stehen geblockt werden muss (Überkopfangriff). Per C + D kann geworfen werden. Diese Technik wird hier jedoch Passenderwiese Guard Break genannt, da er für sich genommen keinen Schaden anrichtet, ihr im Anschluss aber genug Zeit habt, dem Gegner noch ordentlich eins mitzugeben. Bei einem »Wurf« nach hinten mehr als nach vorne.
Echte Neuerungen gibt es natürlich auch. Beispielsweise ändert der Wut-Zustand bei manchem Charakter die Eigenschaften der Spezialangriffe. So führt Galfords Hündin Poppy mit dem Kommando Viertelkreisbewegung nach hinten gefolgt vom leichten Schlag (A) einen Sprint mit anschließendem Kopfstoß aus. Mit voller Wutleiste packt er den Gegner und führt einen Ninja-Wurf aus. Andere Angriffe wiederum treffen hier mehrmals, sind schneller und oder richten mehr Schaden an. Zu schwergewichtig wollte man den Zustand aber nicht machen, was ich für eine gute Entscheidung halte. Neu ist auch die Möglichkeit einen verbesserten Block auszuführen, indem man erst kurz vor dem Treffer in die Defensive geht. Ähnlich zu MK 11 kann in diesem Moment eine Art Konter ausgeführt werden, der den Gegner wegstößt (A + B), jedoch keinen Schaden anrichtet. Es ist also weit weniger mächtig, als in MK 11, dafür ist aber der Zeitraum mit acht Frames recht üppig bemessen. In MK 11 sind es zum Vergleich nur strikte drei.
Auch drei debütierende Charaktere sind übrigens mit dabei. Das ist zwar nicht sehr viel, aber bei beispielsweise MK 11 verhält es sich ebenso. Und genau wie bei Netherrealms aktuellstem Titel finde ich auch SNKs Frischlinge nur "ok" bis "gut". Ein klarer Fortschritt zu den teilweise unterirdischen Neulingen in KoF XIV sind sie dennoch. Da wären zum einen die Feng-Shui-Gelehrte Wu-Ruixiang aus China. Sie ist die neue Hardcore-»Zonerin» und kann mit ihren auf dem Boden platzierbaren Fallen bedrohliche Situationen erzeugen. Ihre »Oh nein, wo bin ich denn wieder rein geraten, ich Tollpatsch»-Attitüde inklusive verlierbarer Brille ist für meinen Geschmack aber eher zum Gähnen. Ganz schick ist hingegen ihre chinesische Kleidung und Schmuck allerdings mit unpassendem Beinausschnitt und unglaubwürdigen hohen Absätzen. Yashamaru ist der einzige Charakter mit einem Doppelsprung und mit seinem Nagamaki Langschwert ist er hervorragend für mittlere Distanzen ausgerüstet. Mit seiner traditionellen japanischen Rüstung sieht er aus wie ein mal wieder überfälliger, glaubwürdigerer Schwertkämpfer der Zeit des feudalen Japans. Seine wechselnde Haarfarbe und die (zum Glück dezente) schnabelförmige Maske gehen aber eher in die Richtung Teenie-Anime. Die Dritte im Bunde ist Darli Dagger, eine hartgesottene Piratin mit einer Art Sägen-Schwert. Sie ist offensivorientiert, kann aber trotzdem effektiv auf mittlere Distanzen kämpfen. Nur was ist das wieder für ein Outfit? Love Heart (aus KoF XIV) Teil 2? Ok, mit ihrer Haltung, ihren Animationen und ihrer Ausstrahlung ist sie schon ein Vielfaches cooler, aber in welcher Welt gehen ein paar schmale Tücher und allerlei Taschen als Kleidung durch? Was die Kampfstile der Drei angeht, kann man generell keine Vorwürfe machen. Die Ideen sind gut und sie gehören alle zu den spielerisch interessanteren Charakteren.
Die Auswahl der restlichen Truppe hätte nach meinem Geschmack auch etwas mutiger zusammengestellt werden können. Hauptsächlich besteht sie aus den Männern und Frauen des ersten SS. Natürlich sind sie die Ikonischsten und Bekanntesten. Mit ihnen macht man sicher nichts falsch. Nur auf Gen-An wurde verzichtet, was aber zu verschmerzen ist. Ansonsten treffen wir den seit Teil II unverzichtbaren Rivalen Haohmarus, Genjuro, an sowie den ab SS V als eine Art zweiter Hauptprotagonist etablierten Yoshitora. Der einzige Funke Exotik ist Shiki, die noch in keinem Titel der Hauptreihe vertreten war. Lediglich in dem Hyper Neo Geo 64-Ablegern und deren Quasiportierungen auf dem Neo Geo Pocket, konnte sie angetroffen werden. Gastauftritte hatte sie allerdings später in SNK Vs Capcom (Neo Geo), Neo Geo Battle Coliseum (Atomiswave) und SNK Gals Fighter (Neo Geo Pocket). Da sie wegen ihrer mystischen und lasziven Ausstrahlung vorhersehbarerweise ziemlich beliebt wurde, ist diese Entscheidung nicht gerade schwer nachzuvollziehen. Wer seine Lieblinge darüber hinaus eher bei den Neuzugängen aus den Teilen zwei bis Sen verortet, geht leider leer aus. Erst mit den vier bis Februar 2020 zur Verfügen gestellten DLC-Charakteren gesellen sich Rimururu und Basara (beide SS III) und Kazuki (SS IV) hinzu.
Inklusive der DLC Kämpfer bietet SS 2019 mit 20 Kämpfern eine ausreichende, dennoch unterdurchschnittliche Auswahl. Street Fighter V startete aber ebenso mit 16 ohne DLCs. Im Vergleich zu anderen SS-Titeln ist es hingegen gut bestückt. Erst SS V bot mehr, bediente sich aber auch aus den Vorgängern.
Der neue Bossgegner Shizuka ist übrigens sehr schön in Szene gesetzt, obwohl auch sie übertrieben aufreizend präsentiert wird. Ihre Geschichte ist innerhalb der Reihe eigentlich nichts Besonderes (siehe Rashoujin Mizuki) und auch die Zwischensequenzen im Story-Modus (eher ein Arcade Modus) wirken vertraut. Nach Antonov und Verse aus KoF XIV ist sie aber eine ganz andere Welt, was Stil und Stimmung angeht.
Und wie funktioniert beim neuen Samurai Shodown das Meta? Zumeist werden die längsten und schnellsten Schwerthiebe genutzt, um den Gegner am Angreifen zu hindern. Hier jedoch zu vorhersehbar zu sein, kann schnell gefährlich werden, wenn vorausschauend eine Parade ausführt wird. Sie wirkt aber nicht bei tiefen oder Überkopftreffern. Kämpfer, die nicht nur weitreichende mittlere Angriffe beherrschen, haben daher Vorteile. Die Bewegungsgeschwindigkeit der Charaktere ist vergleichsweise langsam, jedoch verfügen sie über Sprints und so ist die Lücke schnell geschlossen und ein Wurf angebracht. Durch die Möglichkeit im Anschluss relativ frei angreifen zu können, ist dies mit einer Menge Schaden verbunden. Das gilt vor allem für jene, die in der Lage sind, nachfolgend gar ihre Entwaffnungstechnik (WFT) anzubringen. Zum Ausgleich machen ins Leere gegangene Würfe eine recht lange Zeitspanne verwundbar. Wer also im richtigen Moment springt, darf den Gegner für seinen dreisten Versuch rigoros zur Rechenschaft ziehen. Hier ist entscheidend, dass perfekt abgepasste Folgesprünge keine Lücke zum Werfen aufweisen, wenn der Zeitpunkt der Landung gut getroffen wurde. Eine weitere Besonderheit einiger SS-Spiele ist die Rückstoßanimation, die ein Kämpfer durchläuft, wenn sein Schwertschlag geblockt wird. Er verdeutlicht den üppigen Framenachteil des Angreifers, ist aber tatsächlich per Spezialangriff und sogar durch die Parade abbrechbar (cancelbar). Wer seinen offensichtlich verwundbaren Gegner also zu überstürzt bestrafen will, kann sich eventuell gleich noch einen, Dragonpunch-artigen Angriff, wie man ihn von Street Fighters Ryu kennt, einfangen. Beispielsweise Genjuro, Haohmaru, Yoshitora und Charlotte beherrschen solche Techniken. Sie sind in SS 2019 übrigens länger unverwundbar, als in den meisten anderen SNK-Titeln. Da sie ebenfalls die für die Wurfabwehr genutzten neutralen Sprünge kontern, macht sie zu äußerst dominanten Werkzeugen.
Da ich selbst die erweiterten Spielsysteme der dritten bis fünften Episode jenem von SS II vorziehe, sehe ich die allgemeine Verlangsamung des Spielablaufs und das Entfernen der Metermanagement- und Bewegungsoptionen eher als Nachteil und Rückschritt. SS II-Fans empfinden das aber mit Sicherheit anders. Doch worauf man sich wahrscheinlich verständigen könnte, ist, dass das komplexere und schnellere SS V Special besser in die heutige Zeit passt, als der sehr geradlinige zweite Teil. So ist es aber wohl jenes, auf was sich beide Gruppen am besten einigen können. So wie Super Smash Bros Ultimate versucht die Melee und Smash 4-Fans zu vereinen. Außerdem erleichtert SS 2019 das Erlernen der serientypischen Eigenheiten auf diese Art. Die kleinere Auswahl an universellen Techniken macht es jedenfalls für eine schlechter durchdachte Charakterbalance anfälliger. Wie sich das tatsächlich in diesem Punkt auswirkt, wird aber erst die Zukunft zeigen.
Über diese kleinen Makel und auch darüber, dass SNK noch nicht in der Lage ist, ein Wunschlos-glücklich-Paket voller Einzelspieler-Modi, Trainingsmöglichkeiten und einem filmreifen Story-Modus zu schnüren, tröstet hinweg, dass eine Spielerfahrung geboten wird, die innerhalb des Genres fast in Vergessenheit geraten ist. Ein so von allem überflüssigen Ballast befreites Kampfspiel wird man so schnell vielleicht nicht mehr in die Finger bekommen. Wer jetzt nicht zuschlägt, wird definitiv etwas verpassen. Der wunderbar authentisch japanische Stil in Bild und Ton mit Bezug auf die Edo-Zeit ist eh schon seit 1993 über jede Kritik erhaben.