Alte Samurai Shodown Veteranen werden beim ersten Mal wohl einen altbekannten Haudegen auswählen um sich erst einmal ans 3D-Gefühl zu gewöhnen. Doch alte Hasen werden überrascht sein: Das gesamte Kampfsystem wurde umgekrempelt und zwar gründlich! Vorbei die Zeiten von Viertelkreisen und dergleichen bei Eingaben, ein Großteil der Steuerung orientiert sich am Genre-Primus Virtua Fighter. Des weiteren sind viele der aus den Vorgängern bekannten Schüsse der Chars der Schere zum Opfer gefallen oder werden nur noch sporadisch eingesetzt.
Im Gegenzug bietet Samurai Shodown Sen massiv lange Movelisten, welche in typischer Virtua-Fighter-Manier auch geschmeidig miteinander verbunden werden können, wenn das Timing des Spielers stimmt. Und hier kommt der zweite Aspekt zum Tragen, der Einsteigern das Leben schwer macht: Die Eingabe. Die Moves verteilen sich nicht nur auf horizontale, vertikale und harte Schläge, sondern auch noch auf Tritte und einen besonderen „Special“-Button, was einem beim Studieren der Movelisten schon einmal durcheinander bringen kann. Zusätzlich beherrscht jeder Kämpfer wie aus der Serie bekannt noch die typischen Finisher - die dem Gegner schon mal einen Arm kosten können – eine Rage-Leiste und unblockbare Attacken. Richtig gefordert wird der Spieler jedoch bei der Eingabe: Die Abfrage ist äußerst penibel und nur fleißiges Move-Lernen und trainieren im Practice-Mode bringen hier den Spieler tiefer ins Game. Ganz klar: Samurai Shodown Sen ist äußerst tiefgängig und so Einsteiger-unfreundlich wie es nur geht. Fans von Beat em Ups, die sich auch gerne tiefer in die Materie einarbeiten haben jedoch ihren Spaß, wenn sich Schritt für Schritt das komplette Move-Spektrum entfaltet.
Fraglich bleibt in diesem Zug jedoch, warum der Practice-Mode so spartanisch ausgestattet wurde. Man findet weder ein Eingabefenster noch eine Möglichkeit die Stärke seiner Combos irgendwo zu erkennen. Hier hat SNK deutlich geschlampt und hätte den Spielern mehr bieten sollen, insbesondere wenn man diesen schon ein derart deepes Moveset zumutet.
Gewaltig Schelte musste das Spiel auch für seine Technik einstecken. Gut, die Kämpfer sind nicht allzu detailliert, auch die Hintergründe wirken teils etwas detaillos, jedoch sind sie alle recht liebevoll gestaltet und Fans der Serie erkennen sogar den ein oder anderen Hintergrund aus Samurai Shodown 5 und fühlen sich auch sonst heimisch. Insgesamt ist Sen sogar noch düsterer als die 2D-Vorgänger, ja teils schon depressiv dunkel, was die ernste Atmosphäre noch bestärkt. Samurai Shodown Sen will kein Street Fighter 4 sein, und das merkt man dem Game nicht nur beim Gameplay an, sondern auch bei der optischen Inszenierung. Fans der Serie werden es mögen.
Akustisch ist Sen ein zweischneidiges Schwert: Teils tolle fernöstliche Melodien, die man schon aus den Vorgängern kannte, wechseln sich mit teilweise derb abgemischten Kompositionen ab, welche dem Zuhörer das Trommelfell strapazieren. Hier hat man die gleichen Qualitätsschwankungen wie schon beim 2D-Vorgänger Samurai Shodown 6 zu beklagen. Puristen können jedoch aufhorchen: Bei Bedarf lässt sich das komplette Game auf Japanisch stellen, so dass auch nichts vom Flair des Originals verloren geht.
Samurai Shodown Sen ist entgegen aller Unkenrufe kein schlechtes Spiel: Es ist schlicht nur nicht auf eine breite Zielgruppe zugeschnitten. Gelegenheitsspieler und Einsteiger werden keinen Spaß am trägen und taktischen Gameplay gepaart mit der peniblen Eingabe haben. Wer jedoch gerne und viel Beat em Ups spielt und sich gerne auch einarbeitet, den erwartet ein sehr tiefgängiges und abwechslungsreiches Kampfspiel abseits des Mainstreams. Warum das Spiel in Deutschland übrigens keine Freigabe erhielt, ist mir rätselhaft. Wer im Gegenzug einmal God of War 3 gespielt hat muss sich fragen, ob bei der USK mit zweierlei Maß gemessen wird…