Raubkatzen-Märchen – warum der Atari Jaguar scheiterte

Jaguar

Seite 1: Jaguar 64-Bit? Mieser Controller? Kein Marketing?


Nach der Übernahme durch Jack Tramiel ließ man das Geschäft mit den Heimkonsolen arg schleifen. Dann unternahm man einen letzten Versuch, zu den Big Playern Nintendo und SEGA aufzuschließen. Man sandte den Jaguar, eine revolutionäre 64-Bit Wundermaschine, auf die Jagd. Wie jeder Retro-Gaming Interessierte weiß, war das Unternehmen nicht von Erfolg gekrönt. Die Internet-Gerüchteküche brodelte. Thesen, warum Atari mit dem Jaguar baden ging, machten über die Jahre die Runde und halten sich heute noch wacker. Wir werfen einige der populären Thesen in den Raum und überprüfen, ob diese der Wahrheit entsprechen.

 

"Der Jaguar war nicht 64bit!"


 

jagdiagramm.jpgHier stellt sich zu allererst die Frage, wie man „64bit“ definiert. Gemäß traditioneller Messungen im Computerbereich definiert sich ein System bzw. sein „Bitgrad“ an der Breite des Systembus. Hier hat der Jaguar 64-Bit aufzuweisen, was ihn de facto als 64bit ausweist. Hält man sich an die geläufige Definition. Sicher, mit dem MC68000 wurde ein 16-Bit Prozessor verbaut, der häufig auch als Hauptprozessor bezeichnet wurde. Insbesondere weil er vielen Spielen als Basis diente und sich Programmierer nicht in die RISC-Architektur einarbeiten mussten. Vornehmlich die berüchtigten 16-Bit Ports nutzten den 68000er.


Ein weiteres Phänomen, welches beim „bitwar“ gerne zitiert wird, ist der Vergleich mit dem Nintendo 64. Eine Gegenüberstellung liegt nahe, beide Geräte warben damit, 64-Bit Konsolen zu sein. Viele User vergleichen gerne die Optik durchschnittlicher Jaguar Spiele mit N64 Grafiken. 64-Bit = 64-Bit? Nein, sicherlich nicht. Betrachten wir die Releasedaten: Der Jaguar erschien im November 1993, das N64 feierte im Sommer 1996 Premiere. Das sind 2,5 Jahre Unterschied. Wer den Technikfortschritt dieser Zeit – auch der heutigen – kennt, der weiß, dass 2,5 Jahre Welten sind. Ungeachtet des 64-Bit Werbeslogans muss sich der Jaguar mit Plattformen des Jahres 1993 messen lassen. Und die wären: 3DO, CD32 und die 16-Bit Maschinen. Selbst das 32x erschien erst über 1 Jahr später und fällt aus dem Vergleich aus.


Fazit: Der Jaguar ist sehr wohl ein 64-Bit System, jedoch ein 1993er 64-Bit System. Eine Gegenüberstellung mit dem Nintendo64 verbietet sich allein aus Datumsgründen.



 

"Der Controller ist schlecht!"


 

Der Controller des Jaguar hat seine Eigenarten und wurde bereits bei der Erstvorstellung kritisch betrachtet. Das numerische Keypad wirkt wie ein Fremdkörper, der spöttisch gemeinte Vergleich mit einem Telefon wurde zum Selbstläufer. Witzigerweise ist dieser Vergleich nicht weit weg von der Realität: Denn Atari plante ein Voice-Modem, mit dessen Hilfe Spieler aus aller Welt gegeneinander antreten konnten. Um das Wählen zu ermöglichen, baute man von Beginn an das Keypad ein.

Das Modem erblickte nie das Licht der Welt. Und das numerische Keypad, welches wie die Wiederauferstehung eines 80er Jahre Trends anmutet (Atari 5200, Colecovision, Intellivision), wurde zum Stolperstein in der öffentlichen Wahrnehmung. Tragischerweise - denn das Keypad bietet einige Vorteile. Durch beigelegte Overlays konnten in vielen Spielen Shortcuts zu wichtigen Funktionen geschaffen werden, während auf anderen Plattformen abenteuerliche Buttonkombinationen herhalten mussten. So lassen sich bei Doom alle Waffen separat anwählen und PC-Umsetzungen wie Syndicate oder Theme Park profitierten ebenfalls vom Keypad.

 

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Interessanterweise ist der größte Kritikpunkt nicht der wirkliche Schwachpunkt, sondern ein anderer: Atari verpasste dem Controller bloß 3 normale Buttons, die wie beim Mega Drive angeordnet waren. Doch im Jahre 1993 reichte das nicht mehr aus. Insbesondere Schultertasten wurden durch das SNES schon 3 Jahre zuvor Standard. Bei Atari verpennte man den Trend. Zwar reagierte man 1995 mit dem Pro Controller (stattliche 6 Buttons + 2 Schultertasten), doch war der Zug bereits abgefahren. Vele Spiele, die von den 6-Buttons hätten profitieren können, mussten bis dato mit drei dürftigen Knöpfen auskommen. Zuallerletzt wirkten Steuerkreuz und Buttons des Standardkontrollers etwas schwergängig, was das Spielgefühl bei Beat 'em ups oder Rennspielen schmälerte.

Fazit: Ja, der Controller war ein Problem. Jedoch nicht das oft bemängelte Keypad, sondern fehlende Hauptbuttons und ein starres Steuerkreuz. Das in allen Belangen verbesserte Pro-Pad kam viel zu spät, um das Ruder noch herumzureißen.




"Es gab zu wenig und zu schlechtes Marketing"


 

Ein häufig genannter Kritikpunkt. Entgegen der Annahme, dass Atari keinerlei Werbung machte, existieren doch einige Werbematerialien (insbesondere TV-Werbespots), die in den USA regelmäßig ausgestrahlt wurden. Diese gelten als amateurhaft und schlecht, doch Werbung wie z. B. zu Doom oder Alien vs. Predator unterschied sich nicht von anderen Werbespots dieser Zeit. Für damalige Verhältnisse wirkten sie cool und zeigten, was der Jaguar kann. Das Problem fehlender Werbung war ein europäisches Phänomen. Nicht nur fehlten hier TV Spots, auch Printwerbung wurde fehlgeplant. Oft wurde in Fachmagazinen – insbesondere Atari Magazinen – geworben, deren Leserschaft schon bestens über den Jaguar informiert war. Doch warum scheiterte man in den USA? Dazu gibt der nächste Punkt Aufschluss...

Fazit: In den USA war die Werbung ausreichend und flächendeckend. In Europa hingegen plagten Fehlbuchungen von Anzeigen und das Fehlen von TV Spots die Coverage.

 

Seite 2: Nicht-Verfügbarkeit, Markteinführung, CD-ROM & 16-Bit Ports

"Den Jaguar gab es nirgends zu kaufen!"


jagstation_goodrob13.jpgWas nützt ordentliches Marketing in Form von Print und TV-Werbung, wenn es das Produkt nicht zu erstehen gibt? Richtig, nichts. Zumindest 1993. Während heutzutage die künstliche Verknappung begehrter Güter genutzt wird, um das „Must Have“ Gefühl zu steigern, so war im Jahr 1993 die Nicht-Verfügbarkeit ein No-Go. Insbesondere wenn sich dies über einen längeren Zeitraum erstreckte. Bekannterweise wurde der Jaguar zum Start nur in New York und San Francisco veröffentlicht, als Testmarkt. Jedoch verkaufte sich das Gerät dort relativ gut, so dass man im Frühjahr 1994 die gesamten USA und Europa belieferte.

Problem: Man konnte zwar liefern, nur nahmen kaum Händler den Jaguar ins Programm. In den USA gab es den Jaguar lange Zeit nur bei Fachhändlern und EB, was nicht ausreichte, um in Konkurrenz zu SEGA und Nintendo zu treten. Inwiefern das Vertriebsteam schlecht gearbeitet hat, darüber kann nur gemutmaßt werden. Womöglich hing es mit den schleppenden Verkäufen älterer Atari Hardware zusammen, so dass man von Händlerseite das Vertrauen verlor. Erst zum Jahresbeginn 1995 sprang mit Toys R Us ein Mayor Player in den USA auf den Raubkatzen-Zug auf.

 

Atari verpasste es, ausreichend Anspielstationen und Demo Tapes zur Verfügung zu stellen, um den Jaguar in Aktion zu präsentieren. So blieb der schmucke Karton im Verkaufsregal mit einer anfangs dürftigen Softwareauswahl. Das Problem sah in Europa quasi identisch aus. In Deutschland vertrieben allein Quelle und Karstadt den Jaguar aktiv, zumindest konnte man ihn dort erwerben. Anspielstationen oder gar Werbung am Point of Sale machten sich auch hier rar. Den Jaguar einfach nur „kaufen“ zu können, reichte nicht, um Vertrauen beim Konsumenten und Händler zu gewinnen.

 

Fazit: Die nicht flächendeckende Verfügbarkeit des Jaguars war ein Problem, das sein Schippchen Erde auf den Sarg der Raubkatze beitrug. Auch wenn sich die Vertriebsstruktur zum Ende hin besserte, so standen schon SEGA Saturn und Sony Playstation vor der Tür. Man war zu spät dran.


 

"Es gab zu wenige Spiele zum Release / der Jaguar wurde zu früh veröffentlicht"


Tempest-2000-9.jpgHier saß Atari in der Zwickmühle: Zum einen war der Zeitpunkt günstig. 16-Bit kam aus der Mode und verlor zunehmend an Faszination, 3D war in aller Munde und der direkte Konkurrent 3DO mit wahnwitzigen Preisen von 800 US-Dollar für viele Gamer unerschwinglich. Problem: Killer Applikationen wie Alien vs. Predator oder Tempest 2000, sowie Doom und Wolfenstein 3D ließen auf sich warten. Hätte man gewartet und wie gefordert die Hardware verbessert, was den Release um ein weiteres Jahr verzögert hätte, wäre man gegen SEGA Saturn und Sony Playstation angetreten. Angesichts leerer Kriegskassen keine angenehme Perspektive. So startete man im November 1993 mit zwei Spielen, die vormals einzig Tech-Demos waren. Cybermorph bekam als Pack-In durchwachsene Kritiken und Trevor McFur kann getrost als Totalausfall bezeichnet werden. So machte sich Atari mit dem „Gratis-Spiel“ keine Freunde. Im selben Monat erschienen noch die beiden ehemaligen Panther-Projekte Raiden und Evolution Dino Dudes, ebenfalls keine Systemseller. Als im April 1994 Tempest 2000 ausgeliefert wurde, zogen die Verkäufe stark an, doch leider erschienen bis Oktober 1994 (Alien vs. Predator Release) nur noch Wolfenstein 3D und Brutal Sports Football. Zu wenig, um eine neue Hardware zu platzieren und den Kunden 250 US-Dollar respektive 599 DM ausgeben zu lassen.
 

Fazit: Zu wenig Spiele zu Beginn, insbesondere Systemseller. Der Releasetermin hingegen war günstig, um nicht neben Saturn und Playstation abzusaufen. Man hätte aber warten können, bis Tempest 2000 fertig ist und dieses mit dem Jaguar bündeln. So hätte man mehr Kunden gewonnen.




"Module waren tot, man hätte gleich auf CDs setzen sollen!"


Die Konkurrenz setzte auf CDs, doch Atari ging einen anderen Weg. Kostengünstiger Einstieg hieß die Devise und so wurde der Jaguar modulbasiert konzipiert. Dies ermöglichte einen konkurrenzlos günstigen Preis von 250 US-Dollar. Das optionale Jaguar CD sollte im Frühjahr 1994 erscheinen. Doch ergibt es Sinn, den Kundenkreis vorab in zwei Klassen zu teilen?

jaguar_cd.pngDie Vergangenheit zeigte, dass Add-Ons in der Regel nicht den gewünschten Erfolg erzielen, sieht man vom Japan-Phänomen Famicom und PC-Engine ab. Zumal ein optionales CD-ROM Add-On die Kundschaft spaltet. Denn es werden sich kaum alle Jaguar Besitzer ein CD-ROM kaufen, so dass die Absatzzahlen auf der Scheibenschleuder immer niedriger als jene des modulbasierten Grundgeräts sein werden. Betrachtet man die nüchternen Fakten, erweist sich Ataris Entscheidung im Nachhinein als nicht unklug. CDs boten einen enormen Speicherplatz. Aber dieser wurde in den frühen 90ern selten genutzt und der Platz mit Videosequenzen oder Soundtrack aufgefüllt. Gute Games wie Tempest 2000 kamen auf Modul. Generell waren Spiele in diesen Jahren nur wenige MB groß, so dass ein CD-ROM selten gerechtfertigt war.


Hätte man von Beginn an ausschließlich auf ein CD-ROM Laufwerk gesetzt, man wäre in den direkten Konkurrenzkampf mit dem 3DO getreten. Ein Einstiegspreis von ca. 400 – 500 US-Dollar hätte zu noch weniger Absatz geführt, betrachtet man die verfügbaren Spiele zum Auftakt. Das CD-ROM schob man schließlich viel zu spät im September 1995 hinterher. So war man auf Augenhöhe mit SEGA und Sony. Aber wer wollte Ende 1995 noch 300 US-Dollar für eine Jaguar/CD Kombi löhnen, wenn er dafür eine PlayStation mit Ridge Racer bekam? Der Zug für das CD-ROM war abgefahren.

Fazit: Nicht auf CDs zu setzen, war die richtige Entscheidung. Speicherplatz auf CDs wurde anno 1994 nicht effektiv ausgenutzt. Bedenkt man die damaligen  erstellungskosten einer CD-ROM Konsole, verbunden mit dem schwachen Software-lineup zum Start, die Raubkatze hätte noch mehr Staub im Ladenregal angesetzt. Das Jaguar CD hätte man sich angesichts der späten Veröffentlichung vielmehr komplett sparen können.


 

"Es gab nur 16-Bit Ports von Spielen für den Jaguar!"


Syndicate-3_250x192Hier erwies sich der 68000er Prozessor des Jaguars zugleich als Fluch und Segen. Einerseits ermöglichte der bekannte Prozessor einen leichten Einstieg und schnelle Konvertierungen vom Amiga und Mega Drive. Andererseits sorgte der Oldie dafür, dass viele lieblose Portierungen den Jaguar heimsuchten. Ob Pitfall, Sensible Soccer, Dino Dudes, Flashback, uvm. den Jaguar voran gebracht haben oder nicht, ist strittig. Viele dieser Ports weisen Detailverbesserungen auf, wie mehr Farben, mehr Animationen oder eine Speicherfunktion und ergänzten das schmale Spieleangebot durch weitere teils hochklassige Titel.
 

Fraglich ist, inwiefern diese Portierungen die Entwicklung von „echten“ Spielen einschränkten. Hier hilft ein Blick in Atari-Interna. Viele Jaguar Games lizenzierte Atari für kleines Geld, um Löcher in den Releaselisten zu stopfen. Größere, ambitionierte Projekte hätten nicht nur mehr Geld gekostet, sondern auch viel mehr Zeit benötigt. Zeit, die man nicht hatte. Von Drittherstellern selbst ging selten bis nie die Initiative aus, etwas Anspruchsvolles für den Jaguar zu entwickeln. Man kann davon ausgehen, dass man entweder 16-Bit Portierungen oder schlicht nichts erwarten konnte.


Fazit: 16-Bit Ports trugen zwar nicht dazu bei, die Leistungsfähigkeit zu demonstrieren, nahmen potentiellen, anspruchsvollen Releases aber auch nicht das Budget und Rampenlicht. Wie interne Atari-Listen belegen, wären entweder 16-Bit Konvertierungen gekommen oder nichts. Zudem zeigen die Atari Interna, wie preisgünstig diese Portierungen für Atari waren.

 

Seite 3: 3rd-Party Support, schlechte Spiele, schwer programmierbar & mieses Management



"Es waren keine großen Publisher mit an Bord"


Die Liste der Dritthersteller und Entwickler, die den Jaguar stützten, ist lang, aber nicht prominent. Winz-Studios wie Lore Design oder Attention to Detail waren relativ unbekannt. Und talentierte Einzelkämpfer wie Jeff Minter die Ausnahme. Abgesehen von Ocean, Time Warner und UbiSoft ließ sich kein größerer Publisher auf dem Jaguar blicken. Dabei lieferte UbiSoft lediglich Rayman ab und Time Warner war Partner, da man Besitzer von Atari Games, der Arcade-Division von Atari war. Ocean bedachte den Jaguar ausschließlich mit 16-Bit Ports wie Syndicate und Theme Park, so dass Atari  allein an der „Publisherfront“ stand.
 

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Die meisten Titel mussten von Atari lizenziert werden, um überhaupt Spiele auf die Plattform zu holen. Fast kein Fremdhersteller entwickelte auf eigenes Risiko. Seitens Atari verkaufte man diese Taktik als erwünscht. Es ist jedoch schwer zu erkennen, worin der Vorteil der Lizenzierung von Spielen liegt, statt Lizenzgebühren zu beziehen. Mayor Player wie Electronic Arts waren exklusiv bei der 3DO-Konkurrenz. Und aus Japan fand sich nicht ein einziger Entwickler / Publisher auf der Liste. Trotz angeblich intensiver Bemühungen seitens Atari. So fuhr man eine andere Taktik: Man kopierte Hits der Global Player für die eigene Hardware, was uns zur nächsten These führt ...

 

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Fazit: Der Mangel an großen Spielenamen, namhaften Entwicklern und Pulishern ist einer DER Hauptgründe für das Scheitern gewesen. Denn was die Softwareunterstützung der Hardware anging, stand Atari allein auf weiter Flur. Doch aus der Not machte man eine Tugend, der Jaguar bekam so eine große Dichte an Exklusivtiteln. Auch wenn deren Qualität nicht immer hohen Ansprüchen gerecht wurde.




"Es gibt nur schlechte Spiele für den Jaguar!"


Diese These ist gewagt und undifferenziert, wird aber gerne im Internet geäußert. Die abgeschwächte Form heißt oft: „Nur schlechte Spiele - außer Tempest 2000 und Alien vs. Predator. Doom ist okay, hat aber keine Musik“. Stimmt das? Waren die Games für den Jaguar durch die Bank unterdurchschnittlich oder schlecht?

Kasumi-Ninja-2.jpgEines der Hauptprobleme ist das Fehlen von Top-Lizenzen. Auch 16-Bit Ports werden gerne als „schlecht“ betitelt, obwohl es sich de facto um gute Spiele handelte. Meist für den Jaguar in der besten Version. Doch es gibt Titel für den Jaguar, die eine dermaßen hohe Popularität erreichten, ja fast schon Kultstatus genießen, dem Jaguar damit aber keinen Gefallen tun. Diese Ausnahmen heißen: Club Drive, Kasumi Ninja, Checkered Flag und Fight for Life. Alle diese Projekte zeigen deutlich, was das Problem war: Atari pushte insbesondere ihre Klone von populären Spielen, die jedoch erbärmlich waren und in der Presse katastrophale Wertungen einfuhren. Diese wenigen Key-Titel gepaart mit den 16-Bit Ports überstrahlten das gesamte Jaguar-Portfolio, das durchaus interessante Titel zu bieten hatte.
 

Zusätzlich erschienen viele der Top-Titel erst spät. Viele potentielle Abnehmer waren da bereits zu PlayStation und Saturn abgewandert. Toptitel wie Iron Soldier 2BattlemorphDefender 2000Attack of the Mutant Penguins oder Rayman erlebten sie nicht mehr. Viele Highlights erschienen auch erst nach Ataris Tod, so dass Retro Spieler heute aus einem reichhaltigeren Angebot schöpfen, als es damals der Fall war.

 

 

Fazit: Leider überschatteten diverse schlechte Inhouse Produktionen und 16-Bit Portierungen gute Jaguar Titel. Speziell Kasumi Ninja und Checkered Flag erwiesen dem Jaguar einen Bärendienst und werden heute noch gerne stellvertretend für die gesamte Jaguar Bibliothek gesehen.




"Der Jaguar war schwer zu programmieren!"

 

Als technischer Laie ohne Programmierkenntnisse kann man sich nur auf Aussagen Dritter und damaliger Dokumente verlassen. Fakt ist, dass Atari mit der Hardwarestruktur des Jaguars eigensinnige Wege ging. So hängen 2 RISC Prozessoren (Tom & Jerry) sowie ein alter 680000 an einem 64 bit Datenbus. Klare Zuordnungen der Aufgaben gibt es nicht. So kann jeder Programmierer den Komponenten nach eigenem Ermessen Aufgaben zuweisen.


Das machte die Hardware flexibel, führte aber zu Problemen. So schlich sich ein gewaltiger Hardwarebug in Tom, der die GPU davon abhielt, auf das Main-RAM zuzugreifen und einen Flaschenhals schuf. Mittlerweile gibt es einen Workaround, aber die Lösung kam mindestens 10 Jahre zu spät.


jag_cpu.JPGViel schwerwiegender als Hardwarebugs und die ungewöhnliche Hardwarestruktur wogen aber die mangelhafte Entwicklungsdokumentation und Software libraries. Die Anleitung zum Devkit war lückenhaft, zudem existierten fast keine fertigen Assets und libraries, auf die Entwickler zugreifen konnten. So saß man als Entwickler da. Mit seinem Alpine Board, einem Win 95 PC oder Atari Falcon, einem unausgereiften SDK und einer lückenhaften Anleitung, die auf viele Eigenheiten des Jaguars nicht einging. Alles Wesentliche musste man sich selbst aneignen. Der Support seitens Ataris wurde von Entwicklern als dürftig bezeichnet. Nicht zuletzt die mangelhafte Entwicklungsumgebung sorgte dafür, dass viele Titel technisch hinter den Erwartungen blieben oder sich enorm verzögerten. Was gute libraries und ein vernünftiges Wissen über die Hardware bewirken können, zeigen aktuelle Projekte wie z. B. das Atari Owl Project.



 

 

"Die Firmenführung von Atari war schlecht"


jack_and_sam_tramiel.jpg

Jack Tramiel stieg bei Atari im Jahr 1984 ein, nachdem er bei Commodore gegangen wurde und sich Warner schnellstmöglich von Atari trennen wollte. So übernahm der Tramiel-Clan den Traditionshersteller mit Fuji-Logo und warf zunächst die Spielkonsolen-Abteilung über Bord, um sich auf Homecomputer zu fokussieren. Erst mit dem Jaguar setzte man nochmals auf die Spielkonsolen und sah sich einigen Problemen gegenüber. Durch die stiefmütterliche Behandlung des Atari 7800 und des Atari Lynx, ständigen Gängeleien und leeren Versprechungen, hatten viele Publisher das Vertrauen in den ehemaligen Marktführer verloren. Beim Jaguar orientierte man sich am C64: Gute Hardware zum günstigen Preis verkauft sich von allein. Doch galt bei Spielkonsolen seit jeher „Software sells Hardware“ und die Tramiels hatten ihr neues Flagschiff ohne Munition an die Front geschickt.

 

So landete man mit dem Jaguar in einem Teufelskreis: Wenig gute Software zum Start und Misstrauen bei großen Publishern sorgte für niedrigere Verkaufszahlen, was wiederrum zu noch größerem Desinteresse seitens der Publisher führte. Bei Atari versuchte man das Ruder rumzureißen, indem man Titel lizenzierte und sie selber veröffentlichte. Dabei ging dem finanziell geschwächten Hersteller zusehends die Puste aus. Aus einem gewonnenen Gerichtsverfahren gegen SEGA kamen zwar 60 Mio. US-Dollar in die Kriegskasse, jedoch wurde aus dem beschlossenen „Cross Licensing Deal“ nichts, welcher Atari die Umsetzung von SEGA-Hits auf den Jaguar ermöglicht hätte.


tramielf.jpgGlaubt man Berichten von Mitarbeitern aus der Jaguar-Ära, schien es nicht leicht gewesen zu sein, unter den Tramiels zu arbeiten. Kleinste Entscheidungen wurden von ganz oben getroffen, selbst wenn man keinen Einblick in die Entwicklungsteams hatte. So berichtete der Projektleiter von Black Ice White Noise, dass man ihm kurz vor der Beta Phase einfach den Programmierer entlassen hatte und man so nicht weiter entwickeln konnte. Selbst ein 100 US-Dollar teures Programm konnte nicht ohne die Unterschrift Sam Tramiels beschafft werden, was in wochenlangem Stillstand der Arbeit resultierte.


Nach dem Herzinfarkt von Sam Tramiel  im September 1995 übernahm sein Vater Jack interimsweise das Ruder. Dieser hielt das Unternehmen Jaguar für nicht sanierungsfähig und unrentabel. Kurzerhand leitete er die Abwicklung des Unternehmens und eine anschließende Fusion mit dem Festplattenhersteller JTS ein.

 

Fazit: Die Firmenführung war nicht unschuldig am Scheitern der Raubkatze. Die unprofessionellen Arbeitsstrukturen schocken noch Jahre nach dem Ende Ataris. Betrachtet man die Sache nüchtern, war der Zug schon zum Start abgefahren. Das Vertrauen von Publishern, Entwicklern und Distributoren war im Vorfeld längst weg, so dass man gegen Windmühlen kämpfte. Der stetige Versuch gute Titel zu lizenzieren ist zwar lobenswert, brachte aber mehr Kosten als Erlöse. Das Hauptproblem war, dass man Atari 1994 immer noch so führte,  als würde man einen Heimcomputer 1982 einführen. Im Gegensatz dazu verkauft sich eine Spielkonsole nicht ohne Spiele, da kann die Hardware noch so gut sein ...

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Forum
  • von 108 Sterne:

    Ja, wenn man das Ding vor sich hat spürt man direkt so einen gewissen Druck im Darm. Wenn matashen gewusst hätte wie ich das Ding benutzt habe, bevor er es mir abgekauft hat...

  • von ONOX2:

    It's a strangely painted, very small toilet, if I recall properly. Ich wusste es. ...

  • von CD-i:

    atariage.com/forums/topic/192837-so-this-jag-thing/ ...

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