Tomb Raider: Legend im Test

PSP
Eine überdimensionale Lara Croft grinst von der Leinwand in den abgedunkelten Seminarraum, während eine besonders eifrige Studentin mit hochroten Ohren folgende Weisheiten verbreitet: “Offensichtlich handelt es sich bei der Waffe um ein Phallussymbol und die Tatsache, dass Männer die Steuerung übernehmen können, ist ein klares Indiz für die patriarchalische Ideologie, die diesem Videospiel zu Grunde liegt.“ Als ich die zustimmend nickende Professorin anschaue, werden mir zwei Dinge klar:

Ist es ein Vogal? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist Lara Croft in ihrem neuesten Abenteuer!


Etwa fünf Jahre sind seit der eben beschriebenen Szene vergangen und ich habe Recht behalten. Jegliche Versuche mich und die gesamte Zockergemeinde als sexistische, sabbernde und in immerwährender Pubertät verweilender potentieller Triebtäter abzustempeln sind an mir abgeprallt. Außerdem interessiert sich die Öffentlichkeit tatsächlich nicht mehr für Laras Oberweite sondern regt sich stattdessen über Handy-Gewaltvideos auf. Einen besseren Zeitpunkt könnte es also kaum geben, um die bekannteste Videospiel-Ikone der 90er wieder zu beleben. Tomb Raider: Legend markiert den ersten Auftritt der akrobatischen Schatzjägerin auf der PSP. Nachdem Core Design es in den letzten Jahren nicht geschafft haben, eine neue Zockergeneration für den weiblichen Indiana-Jones zu begeistern, dürfen nun die Action-Adventure-Spezialisten von Crystal Dynamics zeigen was sie können.


Bolivien bietet eine Menge interessante Orte für gelenkige Archäologinnen.


Als Intro dient eine traumatische Szene aus der Kindheit der Protagonistin. Sobald diese Szene über den Mini-Bildschirm geflimmert ist, wird man nicht nur in die Gegenwart sondern auch direkt in eine Inka-Ruine befördert. Aufgrund eines Tipps hat sich Lara samt ihrem Team von Spezialisten in das ferne Bolivien aufgemacht, um dort nach lang verloren geglaubten Kostbarkeiten Ausschau zu halten. Doch selbstverständlich kommt mal wieder alles anders als erwartet. Düstere Gestalten machen den heiligen Ort unsicher und während Lara versucht, die Pläne dieser Konkurrenten zu entschlüsseln, bereist sie den halben Erdball und findet auch viel über ihre eigene Vergangenheit heraus. Insgesamt ist die erzählte Geschichte, die durch viele Zwischensequenzen aufgepeppt wird, grundsolide und motiviert zum Weiterspielen.

Die Mischung machts. Diverse Episoden der Schatzjäger-Saga mussten sich vorwerfen lassen jeweils zu viel Wert auf Action-, Puzzle- oder Adventure-Elemente zu legen. Glücklicherweise wurde im Fall von Legend ein gesunder Mittelweg gefunden, der wirklich nur noch chronischen Nörglern Anlass zur Klage gibt. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem geschickten Einsatz der akrobatischen Fähigkeiten unserer Heldin und das ist auch gut so. Es macht immer noch sehr viel Spaß, die vielen waghalsigen Stunts auszuführen. Besonders spannend und knifflig wird es natürlich, wenn eine ganze Reihe von Sprüngen, Klettereinlagen und Trapezkunststücken gezeigt werden muss, um einen bestimmten Punkt zu erreichen. Auch die kleinen Rätsel können diesmal überzeugen. Oft reicht es aus, die Umgebung genau zu erforschen, um die richtige Lösung zu finden und im Gegensatz zu früheren Games der Reihe wirken die Denksportaufgaben fast immer logisch. Einzig die Ballersequenzen hätten deutlich besser ausfallen können. Natürlich sieht es genial aus, wenn die Protagonisten aus vollen Rohren schießt, während sie einen Salto nach dem anderen vollführt, aber leider hat man nie das Gefühl, wirklich alles unter Kontrolle zu haben. Obwohl eine Handvoll Obergegner, Nahkampf-Fähigkeiten und kleine Racer-Einlagen für Abwechslung sorgen, stößt die sonst gute Steuerung in diesen Situationen an ihre Grenzen.


Außer dem Prince of Persia kann niemand Lara das Waser reichen wenn es um Körperbeherrschung geht.


Man hat fast das Gefühl, als gäbe es ein Gesetz seitens Sony, das es den Entwicklern verbietet, Spiele ohne Multiplayer-Modus auf den Markt zu bringen. Trotz der Tastsache dass Action-Adventures einem klassischen Einzelkämpfer-Genre angehören, darf man im neuesten Tomb Raider gegen einen befreundeten PSP-Besitzer antreten. Glücklicherweise fühlen sich die beiden geselligen Spielvarianten nicht an wie erzwungene Verschlimmbesserungen, sondern eignen sich durchaus, um den Durst nach ein wenig Unterhaltung zwischendurch zu befriedigen. Eine Art Rennen, das sehr viel Fingerspitzengefühl fordert, und die Jagd nach mehreren Artefakten, lassen eine gute Wettkampf-Stimmung aufkommen.


Die Rätsel sind diesmal gelungen. Logik ist oft das Mittel zum Erfolg.



Legend ist kein sonderlich langes Spiel. Wer sich bereits in früheren Episoden die nötige Fingerfertigkeit angeeignet hat und ab und zu einen Blick in die Lösungshilfen im Netz wirft, kann die acht großen Welten in weniger als zehn Stunden bezwingen. Da höhere Schwierigkeitsgrade keine neuen Rätsel, sondern lediglich stärkere Gegner liefern, werden wohl nur echte Fans anschließend eine zweite Runde wagen. Das Aufklären von möglichst allen Geheimnissen, die das Game zu bieten hat, lohnt aber durchaus. Croft Manor, einer von Laras Wohnsitzen darf jederzeit besucht werden und gute Leistungen werden hier mit neuen Räumen, in denen man sich austoben kann, oder anderen netten Extras belohnt. Spezielle Waffen und alternative Outfits winken den besonders erfolgreichen Schatzsuchern.

Grafisch hinterlässt das Spiel einen gemischten Eindruck. Betrachtet man nur die Screenshots, fällt es schwer zu glauben, dass jemand eine so beeindruckende Optik aus Sonys Handheld herauskitzeln konnte. Eine enorme Weitsicht, viele gelungene Effekte, wunderschön in Szene gesetzte Levels und natürlich die Animationsvielfalt der Protagonistin werden für Staunen unter den PSP-Besitzern sorgen. Allerdings verfliegt die anfängliche Euphorie sobald man das Game länger in Bewegung gesehen hat. Einbrüche der Framerate und andere grobe technische Schnitzer, wie beispielsweise ein unschöner Verwisch-Effekt sind leider an der Tagesordnung. Diese Macken sind mit dafür verantwortlich, dass gerade die schnelleren Action-Sequenzen deutlich weniger Spaß bringen, als die ruhigeren Akrobatik-Einlagen. Dazu gesellen sich ein paar grobe Texturen sowie eine Reihe von viel zu dunklen Passagen, die zur Orientierungslosigkeit führen können. Die Kamera schafft es meistens, das Wichtigste einzufangen und kann im Notfall selbstverständlich nachjustiert werden.


Auch im kleinen Schwarzen macht die Heldin eine gute Figur.


Beim Sound gibt es fast nichts zu meckern. Die Musik klingt oft herrlich exotisch und passt immer zum jeweiligen Ort des Geschehens. Mal dramatisch, mal verspielt, schaffen es die Stücke, genügend Abwechslung in den Grabräuber-Alltag zu bringen. In den richtigen Momenten werden die Soundeffekte in den Vordergrund gerückt. Vogelgezwitscher, prasselndes Feuer, das Geräusch eines Wasserfalls und natürlich Laras Schritte reichen oft aus, um eine tolle Atmosphäre zu erzeugen. Lediglich die englische Sprachausgabe ist auf die Dauer etwas nervig. Übertriebene Dialekte und ziemlich unterkühlte Dialoge lassen die Figuren etwas blass erscheinen.


Mehr als Gräber und Tempel. Die Levels sind durchaus abwechslungsreich ausgefallen.

Tim meint:

Tim

Wollen wir mal ehrlich sein: die ganz große Tomb Raider Zeit ist vorbei. Seit Mrs. Croft gemeinsam mit ein paar anderen Pionieren die Ära der 3D-Games endgültig einläutete, sind so viele ähnliche Spiele erschienen, dass die Abenteuer der akrobatischen Archäologin heutzutage einfach nicht mehr den Wow!-Effekt vergangener Tage haben können. Dennoch stimmt der Untertitel der aktuellen Episode. Genau wie Pac-Man, die Space Invaders und Tetris, steht der Name Tomb Raider in der Videospielwelt für eine Legende. Und genau wie die genannten Legenden wird auch Lara nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen können. Auf der PSP ist das Wiedersehen aber dennoch ein Grund zur Freude. Ein überdurchschnittlich gutes Action-Adventure schlummert auf dem kleinen Datenträger. Das Grundprinzip ist zwar altbekannt, aber es ist Crystal Dynamics tatsächlich gelungen, viele Fehler zu beheben und wieder die Elemente in den Vordergrund zu stellen, die schon vor über zehn Jahren für den Spielspaß verantwortlich waren. Eine Revolution sollte man nicht erwarten, aber wer actiongeladene Schatzsuchen mag, darf ruhig zuschlagen, egal ob er Lara schon durch unzählige Ruinen begleitet hat oder zum ersten Mal mit ihr auf die Jagd nach Ruhm und Reichtum geht.

Userwertung
0 0 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Follow us
Tomb Raider: Legend Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1 - 2
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 7.6.2006
Vermarkter Eidos
Wertung 7.5
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen