
Schon oft beim Spielen von Splinter Cell habe ich mich gefragt, wer Sam Fisher eigentlich ist. Woher kommt er? Was hat ihn bewegt der NSA beizutreten und wie hat er gerne seinen Kaffee am frühen Morgen? So grandios und oft innovativ die Stealth-Action von Ubisoft war, kam eindeutig die Geschichte um den Hauptcharakter immer zu kurz. Das sollte sich mit Splinter Cell Double Agent ändern und vollmundig versprach Ubi Soft tief eingreifende Veränderungen im bekannten Gameplay, damit die neuste Schleicherfahrung ein unvergessliches Abenteuer sein sollte. Anfangs sah es wirklich danach aus als würde Ubisoft auf dem richtigen Weg sein ihrem farblosen Helden endlich die Aufmerksamkeit zu verpassen, die er schon lange verdient hat: Weit gefehlt! Während eines Routineauftrags in Island wo Sam wiedermal seine Fähigkeiten als Problembewältiger unter Beweis stellen sollte, kommt es zu einem dramatischen Zwischenfall: Während der laufenden Mission teilt der Chef der NSA Sam mit, dass seine Tochter bei einem Autounfall ums Leben kam. Sofort wird die Mission abgebrochen und sichtlich getroffen zieht sich der smarte Agent zurück und verändert sich charakterlich eher zum Schlechten als zum Guten. Um die traumatischen Ereignisse mit seiner Tochter besser zu verarbeiten, bietet sich Sam an ein Leben als Doppelagent zu führen, um wieder mal die Welt vor dem Bösen zu retten. Die Geschichte hört sich auf dem Papier wahrlich interessant und tiefgründig an und sah auf dem ersten Blick wie ein Durchbruch beim Storytelling aus, frei von Schwarz-Weiß-Klischees.


Um der kriminellen Organisation JBA (John Brown's Army) beizutreten, wird Sam eine neue Vergangenheit verpasst und sofort ins Ellsworth Strafgefängnis transportiert um dort erste Kontakte zu knüpfen mit den Handlangern der Organisation. Schnell findet sich der Doppelagent zwischen den Gefangenen zurecht und kann den Zellennachbarn Jamie Washington davon überzeugen, dass er die richtige Person für die JBA ist. Bei einem Aufstand innerhalb der Gefängniswände machen sich die beiden Kollegen auf ihren geplanten Gefängnisausbruch in die Tat umzusetzen, der leider nicht spannender ist als ein bekannter Splinter Cell- Auftrag. Während der Flucht sieht man überall Feuer, Menschen schreien im Hintergrund und Wachen füllen die Gänge, nur von dem Chaos was das Spiel zu vermitteln versucht ist leider nix zu finden. So gestaltet sich der eigentliche Ausbruch wie ein gewohntes Szenario was die Vorgänger immer auf dieselbe Weise erzählt haben: Unbemerkt sich zwischen Licht und Schatten bewegen, Gegner überwältigen und das Levelende erreichen!
Hier hat auch meines Erachtens Ubi Soft am Missionsdesign geschlampt weil The Chronicles of Riddick: Escape from Butcher Bay (PC, Xbox) zeigt, wie ein Gefängnisausbruch in einem Videospiel auszusehen hat.


Der Gefängnisausbruch untermauert Sam’s neue Einstellung, die er an den Tag legt und dank Jamie Washington kommt der erste Kontakt mit dem Obermotz der JBA zustande. Emile Dufraisne ist sichtlich angetan von den Fähigkeiten seines neuen Schützlings und bietet ihm eine Handvoll Aufträge an um seine Loyalität zu beweisen. Hier greift eines der neuen Features von Double Agent: Während der laufenden Missionen steht Sam oft vor schweren Entscheidungen ob er jetzt Menschenleben retten soll im Namen der NSA oder doch Emile Dufraisne beweisen, dass er ein guter Arbeitnehmer ist.
Auch im vierten Anlauf der Steathserie bleibt im Großen und Ganzen Splinter Cell sich selbst treu: Lautlos agiert ihr im Schatten, beschafft Information, erledigt Gegner mit allerhand Spielzeug und versucht so manches Sicherheitssystem zu umgehen. Wie aus den Vorgängern bekannt haben die Schleich- und Lärmanzeigen erneut ihren Weg ins Spiel gefunden und geben dem Spieler Aufschluss, wie lautlos oder sichtbar er für seine Umwelt ist. Natürlich gibt es ein paar Neuerungen wie ein vereinfachtes Hackingsystem für Computer, wo ihr jetzt nicht mehr gezwungen seid direkt am Terminal zu stehen oder das Ausschalten von Gegnern, indem man sie ins Tiefe nass zwingt. Die interessanteste Neuerung ist wohl das Einbeziehen von einem Teamkollegen, der euch bei einigen Levelabschnitten unter die Arme greift. Mit einfachen Kommandos werden die K.I.- Kollegen umhergescheucht und bei unüberwindbaren Hindernissen wird mittels Hebeltechnik dem Spieler geholfen auch größere Probleme zu überwinden.

Die Grafik ist, wie man es von Ubisoft schon gewohnt ist, äußerst spektakulär und bringt die PlayStation 2 eindeutig am Rand des Machbaren. Oft bekommt man das leider zu spüren anhand von kurzen Ruckeleinlagen da die Framerate die unter die magischen 25 Frames/sec-Grenze rattert. Dafür ist die Soundkulisse wie erwartet perfekt: Situationsabhängiger Soundtrack, spitzenmäßige Synchronisation und realistische Soundeffekte verwöhnen das Ohr.
Meine Erwartungen an das neue Splinter Cell waren hoch und umso größer war für mich die Enttäuschung das Ubisoft es nicht geschafft hat, Sam Fisher die Aufmerksamkeit zu geben, die er eigentlich verdient hat. Die Hintergrundgeschichte mit seiner verunglückten Tochter ist eigentlich nur ein Vorwand um die Geschichte des Doppelagenten zum Laufen zu bekommen. Nicht viel sieht der Spieler von Sam’s Schmerz und so wirkt der angebliche Verlust seiner geliebten Tochter so, als hätte Sam nur ein Haustier verloren. Atmosphärische Patzer wie der oberflächliche Gefängnisausbruch enttäuschen mich sehr, weil ich doch auf eine packende Ausbruchsatmosphäre gehofft habe. Das neue Vertauensfeature ist im Ansatz nicht schlecht ,kann darüber leider nicht hinweg täuschen, dass Double Agent ein typisches Splinter Cell-Spiel ist von vielen, was leider an Abnutzungserscheinung leidet. So bleibt unterm Strich nur ein gutes Spiel für Stealthfans.