Lair im Test

PlayStation3
Wer hoch fliegt, kann tief fallen: Sonys Prestigeobjekt ’Lair’ sollte die Herzen der PS3-Fans im Sturm erobern, doch schon im Vorfeld des Releases hagelte es in den Medien heftige Kritik. Wir haben uns in die Gefechte des Drachen-Epos gestürzt und überprüft, wie gut das Spiel wirklich ist. Mehr dazu lest ihr im folgenden Review.

Drachen - seit je her bewegen die fliegenden Lindwürmer die Menschheit. In unterschiedlichsten Kulturen wird den feuerspeienden Bestien gehuldigt. Einst in Sagen und Legenden wie im Nibelungenlied gefürchtet, in Novellen romantisiert, schließlich in bildgewaltigen Filmen ala Dragon Heart verewigt. Auch in Videospielen geben sich die Flugechsen des Öfteren ein Stelldichein, Während sich Spyro an jüngere Semester richtet, bedienen Dragon Quest und Drakengard Rollenspieler mit Drachen-Faible, Segas Panzer Dragoon bietet hingegen Action im Stil eines Rail Shooters. Auch Factor 5 versucht sich an der Materie, die deutschstämmigen Entwickler machten vor allem mit Turrican und Rouge Squadron auf sich aufmerksam.

Die epische Storyline zieht den Charakter mitten in eine zerrissene, von Naturkatastrophen gebeutelte Fantasy-Welt. Der Zorn Gottes traf die Menschheit hart, gigantische Vulkane wuchsen in den Himmel, ließen Asche regnen und das Land veröden. Frühe Hochkulturen wurden vernichtet, die Überlebenden spalteten sich in die beiden Völker der Asylianer und Mokai auf. Während Erstere die fruchtbaren Gebirgshänge des Südens bewohnen, zogen sich die kriegerischen Mokai in das Feuer und Eis des Nordens zurück. Über Jahrhunderte bestimmten Neid und Missgunst das Verhältnis der beiden Gruppen. Die Spannungen münden schließlich in einen Überfall der Mokai-Flotte auf Asylia, den ihr in eurer ersten Mission energisch zurückschlagt. Eine ebenso düstere wie wendungsreiche Mär nimmt ihren Lauf, die sich vor Herr der Ringe & Co. nicht zu verstecken braucht.


Beiden Gesellschaften ist hierbei die gottgleiche Verehrung der Drachenwesen des Kontinents gemein, die sich religiös, spirituell aber auch militärisch manifestiert. So bilden die hoch angesehenen Drachenreiter stets die Speerspitze einer jeden Armee, die gefügelten Feuerechsen stellen mit ihren Herren die absolute Elite beider Streitkräfte. Auch euer virtuelles Alter-Ego Rohn gehört dieser Krieger-Kaste an, schon bald nimmt euer Schicksal eine kriegsentscheidende Stellung ein. Bis ihr den Abspann genießen dürft, wollen fünfzehn teils sehr umfangreiche Missionen absolviert werden, zudem führt ein Trainingslevel in die komplexe Spielmechanik Lairs ein. Die Aufträge bieten extrem viel Varietät und Abwechslung. Mal will feindliches Fußvolk verbrannt oder ein Rudel Drachen vernichtet werden, mal gibt eure geflügelte Festung Geleitschutz oder unterstützt offensiv die eigene Infanterie. Vereinzelt müsst ihr gezielt gepanzerte Nashörner ins Nirvana schicken, oder feindlichen Suchscheinwerfern ausweichen. Der Ideenreichtum der Entwickler kennt hier kaum Grenzen, keine Mission gleicht der anderen.

Quell der vernichtenden Kritiken ist jedoch nicht Präsentation oder Missionsdesign, sondern das Gameplay des ambitionierten PS3-Titels. Die amerikanische Fachpresse verteilte Wertungen am unteren Ende der Notenskala, die deutschen Kollegen schließen sich in ewiger Nibelungentreue an. Betrachen wir die Steuerung eures schuppigen Haustiers anfangs einmal in nüchterner Theorie. Durch Schwenken des SIXAXIS-Pads lässt sich Flughöhe und -richtung bestimmen, ein rhythmischer Druck auf die X-Taste simuliert den Flügelschlag des Drachens. Wer den Controller ruckartig nach vorne schiebt löst einen Stoßangriff aus, manövriert ihr das Pad hingegen schnell nach oben vollführt die Flugechse eine Immelmann-Rolle. Feindliche Einheiten lassen sich per L1/R1 anvisieren, anschließend darf der Drachenritter aus einer ganzen Fülle unterschiedlichster Liquidierungsmethoden wählen. Der Feuerodem lässt sich sowohl durchgängig, als auch via Dauerfeuer in feindliche Geschwader oder Bodeneinheiten hauchen, von dieser Variante, die Kombattanten einfach well done durchzugrillen, werdet ihr die meiste Zeit Gebrauch machen. Feindliche Drachen lassen sich - einmal fokussiert - auch rammen, was wiederum durch entsprechende Bewegungen via SIXAXIS geschieht.



Bestimmte Drachentypen können auch "geentert" werden, hier springt euer furchtloser Recke auf den Rücken des gegnerischen Getiers, ersticht Reiter samt Feinddrachen und hüpft wieder zurück auf den eigenen Lindwurm. Diese eindrucksvollen Sequenzen werden durch einen Quick-Time-Event beeinflusst, schnelle Reaktionen sind gefragt. Oftmals keilt ihr euch auch im freien Fall mit gegnerischen Echsen. Es stehen Schlag, Feuer und Beißen zur Wahl, wobei hier ein Schere / Stein / Papier-Prinzip Anwendung findet. Feindliches Fußvolk, das hundertfach in Armee-Stärke über den Bildschirm wuselt, lässt sich ebenfalls in Nahkämpfen zerlegen. Zu diesem Zweck landet ihr euer Biest, rennt die gegnerische Meute über den Haufen, versengt und frisst sie. Letzteres kommt im übrigen auch der geläuterten Energie-Leiste zu gute. Natürlich ist Rohn keine Ein-Mann-Armee, oftmals unterstützen euch alliierte "Wingmen" und unzählige Bodeneinheiten. Eine spezielle Leiste gibt hierbei über die Motivation eigener wie feindlicher Kräfte Auskunft, tötet möglichst viele gegnerische Einheiten um das Kriegsglück zu euren Gunsten zu wenden. Besonders gepanzerte Rhinozerosse können euren possierlichen Fußsoldaten gefährlich werden. Einmal gerammt, wackelt ihr das Pad hin und her um den Bestien konsequent den Kopf bzw. Harnisch abzureißen und ihn anschließend als Wurfgeschoss zu missbrauchen. Die gigantischen Warbeasts erinnern an Fleisch gewordene AT-ATs des Imperiums und werden auch äquivalent zu Fall gebracht: Sobald die Geschütztürme verbrannt wurden, schlingt ihr Stahlketten um die baumstammbreiten Gliedmaßen - eine nette Homage an Rouge Squadron-Veteranen.

Klingt abwechslungsreich und innovativ? Ist es meiner Meinung nach auch! Vor allem die Reaktionszeit der Polygondrachen wurde kritisiert, zwischen Controller-Eingabe und Flugbewegungen gibt es eine kurze Verzögerung. Wer jedoch einmal selbst auf einem Pferd oder Artverwandtem saß weiß, dass sich hinter diesem "Makel" purer Realismus verbirgt, soweit man bei einer Drachenreitsimulation überhaupt von Realismus sprechen kann. Der Spieler steuert Rohn, nicht direkt den Drachen, was meiner Meinung nach auch überzeugend umgesetzt wurde. Denn trotz der "indirekten" Kontrolle lässt sich die Flugechse nach kurzer Eingewöhnungszeit gezielt und gekonnt über die Berghänge steuern. Dies ist nicht zuletzt der großzügigen Deadzone geschuldet, die kleinere, ungewollte Stöße neutralisiert. Ich weiß nicht, ob die übrigen Redaktionen nur Grobmotoriker beschäftigen. Berichte, wonach der Drache jedoch zur Eingabe komplett konträre Flugmanöver vollführte, konnte ich jedoch zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen. Auch Stoßangriffe und 180°-Drehungen vollführten Rohn samt Drache nach etwas Übung stets wie gewünscht. Lediglich das fragwürdige Zielsystem sorgt beizeiten für Frust: Was ihr nämlich via Druck auf die Schultertasten anvisiert, obliegt ganz und gar dem Gusto eures Hausdrachen. So kann es passieren dass das Schuppentier einen bedeutungslosen Legionär greift, obwohl ihr es eigentlich auf das wesentlich gefährlichere Rhino abgesehen habt. Doch trotz der vermurksten Zielerfassung verkommt Lair zu keinem spielerischen Waterloo. Meist wird ohnehin der gewünschte Kombattant anvisiert, die zu Hauf eingesetzten Feuerkugeln kommen dank breiter Streuung gar ohne simultanes Zielen aus.


Die Präsentation ist wiederum über jeden Zweifel erhaben. Künstlerisch und stilistisch werden zwei glaubhafte Kulturen zum Leben erweckt, die mittelalterliche, antike und frühindustrielle Elemente zu mystischen Gesamtkomposition vereinen. Gigantische, sichtlich von Tolkien inspirierte Architekturen fügen sich in eine von Feuer, Asche und Wasser geformten Umwelt. Gigantische, tierische Truppentransporter bahnen sich ihren Weg über steile Klippen, flankiert von hunderten animierten Soldaten. Hauptaugenmerk wurde natürlich auf die Drachen gelegt. Unterschiedliche Rassen und Arten, wie Feuer- und Eisdrachen, bevölkern den Himmel und verfügen über verschiedene Stärken und Schwächen. Die Lindwürmer wurde mit viel Liebe zum Detail modelliert und animiert, brauchen den Vergleich mit ihren Leinwand-Kollegen aus Eragon & Co. gewiss nicht fürchten. Abwechslungsreiche Texturen, eine hohe Weitsicht, malerische Effekte und ein emsiges, rechenintensives Bildschirmtreiben, auf Wunsch auch in 1080p. Hier verzeiht man gern vereinzelte Framerateeinbrüche und Tearing. Akustisch entpuppt sich Lair gar als neue Referenzklasse: Hochprofessionelle, deutsche Synchronisation und epische orchestrale Melodien verwandeln Lair schließlich in einen interaktiven Fantasy-Film. Wohl dem, der eine THX 7.1-Anlage sein Eigen nennt!

Kai meint:

Kai

Man mag mich als inkompetenten, von Sony geschmierten Nonkonformisten beschimpfen, aber mir hat Lair wirklich Spaß bereitet und ich stehe dazu. Lenkung und Zielschaltung sind gewiss nicht perfekt und hätten einen finalen Feinschliff sicher gut vertragen, doch trotzdem bietet Factor 5's Drachenhatz ein fantastisches, intuitives Fluggefühl. Das hollywoodreife Design, die treibende Story und die kolossale Präsentation lassen einen schließlich voll und ganz in der Fantasy-Welt Lairs abtauchen. Dennoch darf man die berechtigte Frage stellen, wieso die Entwickler nicht einfach eine optionale, konventionelle Stick-Steuerung eingebaut haben. So hätte man die Kritiker zweifellos besänftigen können. Mein Tipp: Ignoriert den allgemeinen Presse-Tenor, zockt Lair Probe, prüft ob ihr mit der geschassten Steuerung klar kommt und bildet euch eine eigene Meinung.

Positiv

  • Bombast-Präsentation
  • Geniales Fluggefühl
  • Abwechslungsreiche Missionen

Negativ

  • Vermurkstes Zielsystem
  • Keine alternative Stick-Steuerung
Userwertung
0 0 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Follow us
Lair Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 13. November 2007
Vermarkter Sony
Wertung 8.2
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen