Mit King of Fighters 96 erschien im selbigen Jahr der dritte Teil der Serie und der zweite der beliebten Orochi Storyline. Er ist einer der wegweisendsten Titel der Reihe und zeitgleich vielleicht der am kontroversesten betrachtete. Auch heute lohnt sich noch ein genauer Blick auf die licht- und schattenreiche Welt von KoF 96.
Bereits ein Jahr zuvor hat SNK die noch recht schlichte Gameplay-Basis von King of Fighters 94 mit der 95er Episode um ein gutes Maß aufgebohrt. Doch obwohl es bereits schneller und aggressiver war, als jedes Andere Ihrer Spiele, sollte der 96er Nachfolger noch eine Schippe nachlegen. Dabei wurden drei der bedeutendsten Merkmale aller zukünftigen Episoden der Hauptreihe hinzugefügt. Erstmals können die Kämpfer aus vier verschiedenen diagonalen Sprüngen wählen und somit aus den verschiedensten Winkeln und Entfernungen die Lücke zum Gegner schließen, was viele Offensivoptionen zulässt. Weiterhin wurde das kurze Ausweichmanöver auf der Stelle zugunsten einer Rolle, die sowohl nach vorne als auch nach hinten ausgeführt werden kann, und ebenfalls eine recht lange Unverwundbarkeits-Phase besitzt, entfernt. Während das Ausweichen lediglich defensiv, oder als Konter verwendet werden konnte, stärkt die Ausweichrolle zusätzlich auch die Offensive. Der direkte Nahkampf kann häufiger angegangen werden, da das Dashen (kurzer Hüpfer nach vorn) gegen die Möglichkeit, durchgängig zu sprinten ausgetauscht wurde. Durch diese Änderungen wurde es deutlich schwieriger, defensiv zu agieren und den Gegner per Zoning (Projektile gegen entfernte Gegner, besonders starke vertikal ausgerichtete Angriffe gegen herausspringende Gegner), effektiv fernzuhalten.
KoF 96 ist somit die erste Episode der Reihe, welcher sich in weiten Teilen so spielen lässt, wie seine moderneren Nachfolger, auch wenn das „Meter Management“ (Umgang mit der „Super/Power Leiste“) noch komplett anders funktioniert. Aber der Reihe nach. Was seit KoF 94 zum spielerischen Fundament der Reihe gehört, sind das vier Button System mit leichten und harten Schlägen und Tritten. Auch konnte schon hier der CD/Knockdown-Angriff ausgeführt werden, wenn man die Knöpfe für die beiden harten Angriffe (als C und D auf dem Neo Geo Pad bezeichnet) gleichzeitig drückt , welcher den Gegner zu Boden wirft. Typisch für die gesamte Reihe sollte auch das 3 gegen 3 System bleiben, wobei es fast in allen Episoden (außer 2003 und XI) keinerlei Möglichkeiten gibt, während des Kampfes zwischen ihnen zu wechseln. Die Teammitglieder, welche gerade nicht am Kampf teilnehmen, stehen dennoch im Hintergrund und feuern ihren Kollegen an und können ihn sogar aus gegnerischen Griffen befreien, wenn man alle Knöpfe gleichzeitig drückt). Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass auf diese Art Hilfe aus dem Team erfolgt, tatsächlich abhängig von den Charakterzügen des einzelnen Kämpfers und der Sympathien füreinander.
Eine große Besonderheit war die gelbe Power Leiste in den unteren Ecken des Bildschirmes. Durch das Blocken von Angriffen oder erlittenen Treffern wird sie aufgefüllt. Erreicht sie den maximalen Füllstand, wird für einen gewisse Dauer der Kämpfer in den Max Mode versetzt. Während dieser Zeit verursacht er mehr Schaden und hat Zugriff auf einen besonders mächtigen Angriff, den Desperation Move (DM). Dieser kann im Übrigen auch ausgeführt werden, wenn ein Kämpfer nur noch über sehr wenige Lebenspunkte verfügt. Treffen beide Situationen ein, kann sogar ein besonders starker Super Desperation Move (SDM) eingesetzt werden. DM’s verursachen hier im Übrigen letztmalig keinen „Freeze“ bei Aktivierung und sind dementsprechend schwerer vorherzusehen bzw. zu verteidigen. Beide Spieler können aktiv auf die eigene und die Power Leiste des Gegners Einfluss nehmen. Mit den Tasten B und C kann der Gegenspieler verhöhnt werden, was dessen Leiste ein gutes Stück leert. Drückt man die Tasten A, B und C gemeinsam lädt der eigene Kämpfer sie stufenlos auf. Somit fußt das System immer noch stark auf dem Konzept von Art of Fighting (1992) aus eigenem Hause und war auch im Jahr 1994 noch etwas besonderes. Selbst Capcom machte erst im selben Jahr mit Super Street Fighter 2 Turbo erste Erfahrungen mit einer zusätzlichen Leiste, über welche sich besonders starke Angriffe verfügbar machen ließen. KoF 96 wird der letzte Teil der Reihe sein, welcher das 94er Konzept des Meter Managements übernehmen wird. King of Fighters 97 und 98, 99 und 00 sowie 01 werden jeweils eigenständige Konzepte anbieten, während 02 den Grundstein für zukünftige Episoden legen wird.
Neben dem Sprinten, den verschiedenen diagonalen Sprüngen und der neuen Ausweichrolle, aus der man übrigens geworfen werden kann, wenn der Gegner schnell reagiert, wurden auch andere Aspekte im 96er Titel geändert bzw. hinzugefügt. Fast alle Charaktere erhielten komplett neue Sprites und Animationen. Für Viele sollten diese bis zum Ende der Neo Geo Ära und darüber hinaus Verwendung finden. Dabei wirken leider nicht alle besonders geglückt. Einige erscheinen noch immer etwas steif. Andere haben einfach zu wenige Animationsphasen im Verhältnis zur Dauer der Angriffe. Auch bewegen sich Charaktere dabei manchmal weit nach vorn, ohne den Gegner dabei von sich weg zu drücken. So geschieht es häufig, dass sich der eine Kämpfer durch einen Angriff hinter den anderen bewegt, ohne ihn zu treffen und danach wieder vor ihm steht. Hier machen sich erste Anzeichen für starken Zeitdruck bemerkbar unter dem die Entwickler gelitten haben. Weiterhin kann ein „Counter Hit“ ausgelöst werden, wenn man den Gegner in seiner Aktivierungsphase eines Angriffes unterbricht, was zu mehr Schaden und anderen Juggle-Zuständen (entscheidet, ob ein Kämpfer im Fall noch angreifbar ist) führen kann. Als Ausgleich für die Offensivorientierung von KoF 96, kann man im Max Mode während des Blockens ebenfalls die Ausweichrolle ausführen, um allzu mächtige Blockstrings zu entkräften. Auch lassen sich nun Special Moves und Sprungangriffe in der Luft blocken.
Wie bei KoF 95 wurde die Charakterauswahl weniger erweitert, als dass einige ausgetauscht wurden. Während die meisten Spieler den Verlust des 94er Sports Teams in KoF 95 gut verkraften konnten, gehen KoF 96 leider manche Favoriten verloren. Immerhin traten Billy und Rugal in KoF 97 bzw. 98 erneut an, Eiji Kisaragi (oder besser dessen Fans) musste hingegen noch rund zehn Jahre auf seine Rückkehr in KoF XI warten. Auch Takuma Sakazaki macht im Art of Fighting Team Platz für seine Tochter Yuri, welche im Vorgänger im Womens Team anzutreffen war. Ihren Platz besetzt nun Kasumi Todoh, die das im selben Jahr erschienene Art of Fighting 3 repräsentiert, in welchem sie ebenfalls zu den Newcomern gehörte. Auch macht Ikari Team Anführer Heidern Platz für die von ihm adoptierte Waise Leona Heidern. Als Ersatz für Billy und Eiji bilden Mature und Vice zusammen mit Iori das ikonische Yagami Team. Größtes Highlight des Kaders ist jedoch das Boss Team, welches sich aus den wichtigsten Antagonisten der Fatal Fury (Geese, Krauser) - und Art of Fighting (Mr. Big) - Reihe zusammensetzt. In diesem Umfeld fällt die Abwesenheit des bekanntesten aller KoF-Bosse, Rugal Bernstein, jedoch besonders stark auf. In der AES Version unspielbar sind leider die Mittel- und Endbosse Chizuru Kagura und Leopold Goenitz.
Dabei bereichern die neuen Kämpfer die Auswahl enorm. Leona ist ein reiner Charger (Angriffe werden nach kurzem Gedrückthalten einer Richtungseingabe, gefolgt von einer in entgegengesetzter Richtung ausgeführt) ohne echte Projektile. Krauser vereint Zoning und Spezialwürfe, während Geese und Kasumi starke Konter mitbringen. Goenitz ist leider wieder ein typischer Vertreter des viel zu starken und extrem unfairen SNK-Bosses.
Auch nahm man die neuen Sprites der bekannten Charaktere als Gelegenheit, einige der Kämpfer etwas stärker zu individualisieren, was auch zur Folge hat, dass viele Shoto-artige Kämpfer (jene, mit guten Projektilen und Uppercuts) aus 94 und 95 nun über keine echten Projektile mehr verfügen. Ryo und Robert sowie Clark und Ralf spielen sich nun deutlich unterschiedlicher und haben individuellere Movesets. Dem Duo Mature und Vice ergeht es leider nicht ganz so gut. Aus Zeitmangel teilen sie sich hier noch diverse Normal und Special Moves und wirken besonders mit Blick auf spätere KoF Spiele etwas unfertig. Nicht unterschätzen sollte man auch, welchen Einfluss die sehr eigenständigen Designs von Chizuru, Goenitz, Mature und Vice auf die gesamte Serie hatten. Zusammen mit den Rivalen Kyo und Iori verhalfen sie der KoF-Reihe zu einem sehr unverbrauchten, modernen und stilsicheren Look. Die meisten Konkurrenten wirkten im Vergleich fast schon bieder und altmodisch.
Audiovisuell gehört KoF 96 zu den Glanzlichtern der gesamten Serie. Im Soundtrack finden sich hervorragende und erinnerungswürdige Tracks, wie Esaka, Rumbling in the City oder Saxophone Storm. Auch wurden klassische SNK Kompositionen aus Fatal Fury, Art of Fighting und Psycho Soldier neu abgemischt. Zusammengenommen verfügt(e) KoF 96 wohl über einen der besten Soundtracks des Genres.
Zugegeben, auch im Jahr 1996 gab es bereits 2D Kampfspiele mit besseren Animationen. Besonders das ebenfalls von SNK entwickelte Art of Fighting 3 setzte kurz vorher neue Maßstäbe. Zu Capcoms Street Fighter Alpha befand man sich aber gerade noch in Schlagdistanz. Dafür war das Kämpferfeld mit 29 recht groß und Spacial Moves verhältnismäßig zahlreich.
Über jeden Zweifel erhaben sind jedoch die 11 Hintergründe (von denen jedoch 3 mehr oder weniger stark auf drei anderen basieren, aber auch mal breiter als das eigentliche Kampffeld sein können). Standen bereits KoF 94 und 95 für detailverliebte Hintergründe mit tollen Motiven, so legt der 96er Ableger noch einmal nach. So viele Kleinigkeiten, welche es hier zu entdecken gibt, sollte es auch in der Zukunft nicht allzu häufig geben. Beispielsweise findet sich der Vater von Neuankömmling Kasumi am Rand der Arena ein, um seine Tochter ordentlich anzufeuern, während sie kämpft. Dazu gibt es sogar ein paar 3D-artige Effekte und kleine Stage-Intros, die auch heute noch gut aussehen. Zwischen den einzelnen Kämpfen ändert sich in manchen Gegenden sogar die Tageszeit und damit die Lichtstimmung, was schlicht großartig aussieht.
Für Spieler, die bei Kampfspielen auch an der Story interessiert sind, hat KoF 96 gleichwohl einiges zu bieten. Die Geschichte um Orochi und dessen Blutlinie nimmt immer mehr Fahrt auf. Als mittlerer Teil der Orochi Trilogie legt es dabei so manchen Grundstein für den Climax in KoF 97. Viele Hintergründe zu den einzelnen Akteuren werden ausgeleuchtet oder zumindest angedeutet. Besonders die Originalen KoF Charaktere sind bereits detaillierter und interessanter geschrieben als es bei den meisten Vertretern des Genres üblich ist. Familiäre Rivalitäten oder Verpflichtungen spielen dabei eine große Rolle. Sehr ungewöhnlich aber gleichwohl höchst spannend sind Todesfälle, die tatsächlich innerhalb des Kaders stattfinden, auch wenn diese nicht durchgängig konsequent Beachtung finden werden. Charakterspezifische Intros vor dem Kampf zwischen Rivalen, Feinden oder Freunden, finden hier, im Vergleich zu den Vorgängern, vermehrt statt.
Zwar setzt sich KoF 96 in vielen Punkten überragend in Szene, jedoch zählt es für wettkampforientierte Spieler zu den schwächsten Teilen der Reihe. Der Grund dafür sind die unzulängliche Spielbalance und einige unschöne Bugs. Treffen zwei erfahrene Spieler aufeinander, wird man beinahe ausschließlich Kämpfer zu sehen bekommen, die über teils extreme Vorteile gegenüber den anderen verfügen. Dabei materialisiert sich die Unfairness der Charaktere auf verschiedene Arten. Manche beherrschen Angriffe, deren Reichweite und Priorität nicht im richtigen Verhältnis zu ihrer Geschwindigkeit und den Vorteilen auf Hit oder Block stehen (Mature) oder schlicht unangemessen viel Schaden anrichten (Clark, Chang). Andere können enormen Offensiv-Druck aufbauen, ohne dabei allzu viel Risiko eingehen zu müssen (Iori), können in der Spielfeldecke nahezu lückenlose Blockstrings ausführen (Leona, Yuri), oder besitzen Special Moves, gegen die manche Kämpfer einfach über keinerlei Gegenmittel verfügen (Chin, Choi). Unendlich lang ausführbare Combos und solche, die 100% Schaden anrichten, setzen dem Ganzen nur die Sahnehaube auf und sind darüber hinaus in vielen KoF-Titeln auf dem Neo Geo zu finden. Natürlich sind gezielte Charakter-Auswahlen, um einen bestimmten Kämpfer des Gegners auszukontern (Counterpick), hier an der Tagesordnung und besonders wirksam, da manche Matchups leider kaum zu gewinnen sind.
Andreas meint:
KoF 96 erfindet mit seinen drastischen Änderungen am Kampfsystem einen Großteil von dem, was KoF seit jeher ausmacht und damit ein zwar recht klassisches aber extrem offensiv-orientiertes Spielgefühl. Leider war der begonnene jährliche Zyklus der Reihe, in Verbindung mit den vielen Neuerungen, das Todesurteil für die Spielbalance. Auch sehen manche Animationen einfach noch unfertig aus. Darüber hinaus bietet es für Gelegenheitsspieler jedoch fast alles, was man sich von einem 2D-Fighter nur wünschen kann. Tolle Charaktere mit teils faszinierenden Hintergrundgeschichten, geniale Hintergründe und einen phänomenalen Soundtrack bilden zusammen mit der knackigen Spielbarkeit ein grandioses Gesamtpaket, dessen Tiefen man aber am beste unangetastet lässt (dass es keinen Trainingsmodus gibt, ist dafür äußerst passend).
Positiv
Grundlage des typischen KoF Spielgefühls mit "altbackenem" MeterManagement
Wunderschöne und detaillierte Hintergründe
Hervorragender Soundtrack
Negativ
Miese Spielbalance
Ein paar recht steife Animationen
Eiji, Takuma, Billy und Rugal aus dem Vorgänger fehlen
Bin einfach alte Schule und will absolut kein Freund von zusätzlichen Combo modi sein. Alles mega geil.. aber: für mich bleibts 98.
Das perfekte Beat em Up. Eventuell auch erst mit der UmFe Edition aber nun ja.
Wobei tatsächlich XIII danach sofort kommt. Das release Turnier 2012 war wahnsinnig...
von aldi404:
Hab ich heute erst gespielt, und nach einer Stunde tut mir schon der Daumen weh, ich bin zu alt für den Scheiss ...
von Kyo:
Und es ist grad kostenlos bei Games with Gold drin (man kann es behalten, wenn Gold abläuft)!
KoF 96 erfindet mit seinen drastischen Änderungen am Kampfsystem einen Großteil von dem, was KoF seit jeher ausmacht und damit ein zwar recht klassisches aber extrem offensiv-orientiertes Spielgefühl. Leider war der begonnene jährliche Zyklus der Reihe, in Verbindung mit den vielen Neuerungen, das Todesurteil für die Spielbalance. Auch sehen manche Animationen einfach noch unfertig aus. Darüber hinaus bietet es für Gelegenheitsspieler jedoch fast alles, was man sich von einem 2D-Fighter nur wünschen kann. Tolle Charaktere mit teils faszinierenden Hintergrundgeschichten, geniale Hintergründe und einen phänomenalen Soundtrack bilden zusammen mit der knackigen Spielbarkeit ein grandioses Gesamtpaket, dessen Tiefen man aber am beste unangetastet lässt (dass es keinen Trainingsmodus gibt, ist dafür äußerst passend).