Einige Gaunereien und diverse Fahr- und Auslieferungsjobs später wird die „Familie“ auf den hochmotivierten Jungen aufmerksam und lockt mit Ehre, Geld und Macht. Mit Kumpel Joe im Schlepptau macht sich Vito also daran die Drecksarbeit für die Cosa Nostra erledigen. Und gerät immer tiefer in einen Strudel aus Hass, Gewalt, Tod und leeren Versprechungen - den Schattenseiten des schillernden Mafiosi-Daseins.
Man erfährt kaum etwas über die Beweggründe seines Handelns und steuert nicht viel mehr als einen sturen Befehlsempfänger durch Empire Bay, die Stadt in der Mafia II angesiedelt ist. Nebencharakter Joe etwa, verfügt über eine interessantere - wenn auch merklich gestörtere - Persönlichkeit als Vito, was sich speziell bei Gesprächen und gelegentlichen Gefühlsaubrüchen in den Cut-Scenes bemerkbar macht.
Abgesehen vom Sammeln originaler 40/50er Jahre Playboy-Magazine, dem Klauen von Autos und Klamotten- oder Waffenshopping - auf Wunsch auch ohne Bezahlung und mit gezogener Knarre - bietet Mafia II nämlich nicht viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Versteht mich nicht falsch: Empire Bay ist eine charmante, abwechslungsreiche und lebendige Stadt! Überall laufen Passanten herum, die sich über Gott und die Welt austauschen und am Wegesrand passieren ständig sehenswerte Kleinigkeiten wie die Reparatur eines defekten Autos, ein Polizeieinsatz oder ein Unfall. Doch obwohl auf den ersten Blick alles so herrlich authentisch wirkt, gibt es ein kleines Manko! Nach einigen Spielstunden hat man alles gesehen und es macht schlichtweg kaum Sinn die Metropole weiter zu erkunden. Das alles hört sich wesentlich schlimmer an, als es ist. Mafia II ist kein GTA, und wenn ihr damit kein Problem habt, wird es euch auch nichts ausmachen, auf Nebenmissionen oder großartige Interaktionen mit der Spielwelt zu verzichten.
Doch sei´s drum, die Hauptmissionen sorgen für genug Spielspaß und sind in insgesamt 15 Episoden unterteilt, die sich von 1945 bis 1951 erstrecken. Dabei bekommen wir Empire Bay logischerweise sowohl im Winter, als auch bei sonnigem Frühlings- und regnerischem Herbstwetter zu Gesicht, was nicht nur für optische, sondern ebenfalls für spielerische Abwechslung sorgt. Im Winter schlittern Autos und dick vermummte Passanten auf vereisten Straßen herum, es schneit und man spürt die Kälte fast schon bis ins heimische Wohnzimmer. Bei sommerlichen Temperaturen wirkt die Spielwelt hingegen freundlicher und unbeschwerter, für die Missionen gilt das allerdings nicht! Heißes Blei gibt es unabhängig von jeder Witterung und Jahreszeit und damit wird in Mafia II wahrlich nicht gegeizt. Anfangs weisen die Aufgaben zwar noch Kleinkriminellen-Charakter auf, doch schon nach kurzer Zeit arbeiteten sich Vito und seine Kumpanen hoch und verdienen ihre Brötchen mit Raub, Mord, Schutzgelderpressung und dem Verkauf heißer Ware. Dabei erleben wir die meisten Aufträge in einem typischen Alltags-Rhythmus! Nach dem Aufstehen und Anziehen morgens klingelt meist das Telefon oder wir finden eine anderweitige Nachricht die neue „Arbeit“ parat hält.
Besorgten wir uns einen fahrbaren Untersatz, der wahlweise elegant via Dietrich-Minispiel oder rabiat durch das Einschlagen der Seitenscheibe geöffnet wird, geht es meist auf direktem Weg zum Startpunkt der Mission. Oft empfiehlt sich allerdings ein vorheriger Besuch in der örtlichen Werkstatt oder beim (il)legalen Waffenhändler! Gelegentlich müssen auch noch Kollegen abgeholt werden, da die Aussicht auf Erfolg bei Jobs ohne Rückendeckung niedrig ausfällt.
Und trotzdem sind es vor allem die ruhigen Momente, die Mafia II so echt wirken lassen. Speziell in der ersten Hälfte des Spiels bleibt die Bleispritze öfter mal im Holster und wir gehen dem ganz normalen Gangster-Tagwerk nach, der nicht nur aus Kämpfen besteht. In bestimmten Missionen müssen wir uns auch verkleiden, um ein Gebäude zu infiltrieren, oder bewegen uns schleichend fort um keine ungewollte Aufmerksamkeit zu erregen. Manchmal werden Konflikte ebenfalls nicht mit dem Schießeisen, sondern mit den eigenen Fäusten gelöst! Dabei verfügen wir über eine Handvoll leichte und schwere Attacken, die sich kombinieren lassen, ebenso ausweichen/blocken ist möglich. Zu guter Letzt gibt es meist noch einen schmerzhaften Finisher zu sehen mit dem Vito seinem Kontrahenten den Rest gibt. Die recht simplen Faustkämpfe erfordern zwar etwas Timing, im Hinblick auf die tadellos funktionierenden Schusswechsel ist der Anspruch bei unbewaffneten Auseinandersetzungen aber eher gering ausgefallen. Als Mafiosi legen wir uns natürlich sowohl mit konkurrierenden Clans, als auch mit herkömmlichen Straßen-Gesindel und dem Empire Bay Police Department an.
Bei vielen Aufträgen ist es unumgänglich einen anständigen Fluchtwagen parat zu haben, den wir beim „spezialisierten Fachhändler“ entsprechend tunen, lackieren und mit anderen Reifen oder Kennzeichen ausstatten dürfen um den wachsamen Gesetzeshütern zu entgehen. Das durchdachte Fahndungssystem sorgt nämlich nicht nur dafür, dass wir beispielsweise bei Diebstahl oder dem Ziehen einer Waffe in der Öffentlichkeit gesucht werden, sondern ist auch noch in Personen- und Fahrzeug-Fahndung aufgeteilt. Wird nur ein Vehikel gesucht, reicht es meist einfach den Wagen zu wechseln oder die Nummernschilder auszutauschen. Ist Vito hingegen selbst auf der Flucht, sollten wir ihm schnellstmöglich ein anderes Outfit besorgen, um zu verhindern, dass er erkannt wird. Selbst wenn wir mit Personenfahndungslevel in einem „sauberen“ Auto unterwegs sind, kann es sein dass uns die Polizei bei genauem Hinsehen identifiziert und die Verfolgung aufnimmt. Zur Auswahl stehen in einem solchen Fall dann nur Weglaufen, Bestechung oder eine blutige Schießerei.
Dank gut funktionierendem Deckungssystem und umfassendem Waffenarsenal geht Letzteres zwar - wie oben erwähnt - gut von der Hand, allerdings stecken wir nicht viele Treffer ein und regenerieren unsere Gesundheit nur bis zu einem gewissen Grad selbst. Beißt Vito also ins Gras, heißt es zurück zum letzten Missions-Checkpoint! Ansonsten wird nur automatisch, während des Schlafens in der eigenen Bude gespeichert.
Natürlich sind die Straßenlage und Karosseriesteifigkeit der Oldtimer nicht vergleichbar mit modernen Wägen, was man spätestens im Modus Simulation merkt, wenn man via Handbremse durch die erste vereiste Kurve rutscht. Zwischen 40er- und 50er Jahre - Autos gibt es Unterschiede bei Optik und Leistung. Ist der Sprit alle geht es - wie im echten Leben - ab zur nächsten Tankstelle.
Grafisch mach Mafia II einiges her kann es in der Konsolenversion - wie zu erwarten war - aber nicht mit der PC-Fassung aufnehmen. Spielwelt, Autos und Charaktere sind toll designt und fügen sich perfekt in das 50er Jahre Setting ein. Empire Bay sieht Klasse aus und die belebten Stadtviertel haben allesamt ihren ganz eigenen Charme samt hohen Wiedererkennungswert. Die Mimik/Gestik der Figuren und die unzähligen kleinen Details, auf die Entwickler 2K sichtlich viel Wert gelegt hat, hinterlassen ebenfalls einen ausgezeichneten Eindruck. Dank missionsbedingt verschiedener Jahreszeiten, Witterungsverhältnisse und Tag/Nachtwechseln verändert sich im Laufe der Zeit natürlich auch die Spielwelt. Ausreichend optische Abwechslung ist also geboten!
Absolut nichts zu meckern gibt es hingegen bei der Vertonung. Die Waffengeräusche klingen schön knackig, dasselbe gilt für die Motoren- und Umgebungsgeräusche, die der Spielwelt viel Leben einhauchen. Besonders glänzen kann hier die deutsche Synchronisation, die mit zum Besten gehört was die Videospielbranche gegenwärtig bietet. Die Stimmen passen hervorragend zu den Figuren und die Sprecher leisten durchwegs gute - wenn auch nicht immer lippensynchrone - Arbeit. In den gleichermaßen ernsten als ebenso teilweise recht witzigen Dialogen wird natürlich stilecht geflucht, was das Zeug hält und auch die Neben-Charaktere bedienen so ziemlich jedes bekannte Mafia-Klischee. Dazu gesellen sich drei verschiedene Radiosender, denen wir während der Fahrt und in Vitos Appartement lauschen dürfen. Von zeitgemäßer 40er- und später ebenfalls 50er-Jahre Musik über Werbung und aktuelle Nachrichten, bis hin zu Meldungen über unsere eigenen Verbrechen gibt es hier einiges zu hören. Selbst Anspielungen auf Charaktere aus dem ersten Mafia-Ableger und die „Nachbarstadt“ Lost Heaven fanden ihren Weg ins Spiel. Abseits des Rundfunks hält sich die Musikuntermalung vornehm zurück, setzt aber genau in den richtigen Momenten mit ruhigen oder treibenden Klängen ein - sehr schön!
Dank USK18-Plakette ist Mafia II natürlich weder thematisch, noch inhaltlich geeignet für minderjährige Spieler. Der Gewaltgrad ist nicht übermäßig, zeigt sich aber dennoch von einer realistischen und mitunter verdammt harten Seite! Glücklicherweise hat es das Spiel ohne Einschnitte auf den deutschen Markt geschafft und ist seit Freitag dem 27.08.2010 für Xbox 360, PlayStation 3 und den PC erhältlich.
Update 2020 zur Mafia II Definitive Edition
Auch Mafia 2 wurde für die Mafia Trilogie überarbeitet. Dieses kam im Gegensatz zur Mafia Definitive Edition aber nicht in den Genuss der Grafikengine aus Mafia 3. Gerade im fliegenden Wechsel von Mafia 1, fällt hier das technische Downgrade sofort auf. Ob deutlichere Popups, Ruckler, matschigere Texturen, alles scheint auf den ersten Blick schlechter zu sein. Diese Mankos werden aber recht schnell aufgeholt und im Gesamtblick übertroffen, denn Mafia 2 bietet ein wesentlich dynamischeres Missionsangebot und Gameplay. On top reißen die Sprecher (u.a. die Stimme von Ice-T) und Radiosongs hier extrem viel raus. Direkt nach eurer Heimkehr z.B. erwartet euch neben Schnee der Song „Let it snow“ von Frank Sinatra. Es folgen viele weiter bekannte Songs aus den 50ern, wobei dieses Jahrzehnt spätestens durch den Einsatz der Hot Rod´s perfekt untermalt wird. Der Wechsel der Jahreszeiten als auch der schnelle Wandel von Mode und Automodellen wird in Mafia 2 zudem noch deutlicher rüber gebracht, als noch im Vorgänger. In der Definitive Edition befinden sich auch alle drei DLC, wobei leider alle nicht überzeugen können. Lediglich „Joe´s Adventure“ hebt sich hier in der ersten Mission deutlich ab. Diese, in der wir sehen, was Joe so treibt, während Vito im Knast sitzt, sollte unbedingt mitgenommen werden. Leider verfällt man auch danach wieder dem „Jimmie Muster“ mit langweiligen Missionen, die man an der Straße findet.
Als Nachfolger eines der vermutlich besten Spiele aller Zeiten steht Mafia II natürlich unter enormem Erfolgsdruck! Nicht nur Fans des Erstlings, auch Hobby-Gangster der aktuellen Generation wollen begeistert werden. Die Erwartungen waren hoch, die Vorschusslorbeeren ebenso! Doch schaffte es 2K letzten Endes wirklich einen weiteren, modernen Klassiker hervorzubringen?
Die hollywoodreife Mafiosi-Geschichte ist spannend inszeniert und lebt in erster Linie von der großartigen Atmosphäre und dem typischen Flair der 40er und 50er Jahre. Das abwechslungsreiche Missionsdesign sorgt für Spielspaß und es fällt schwer sich dem Charme von Empire Bay zu entziehen. Unglücklicherweise ist die Spielwelt aber nicht viel mehr als eine statische Kulisse in der es abseits der Hauptmissionen kaum etwas zu entdecken gibt. Dazu gesellen sich die technischen Unzulänglichkeiten der Konsolen-Versionen und das unbefriedigende Story-Ende.
Mit rund 11 Stunden Spielzeit und einem eher geringen Widerspielwert ist Mafia II auch nicht so umfangreich ausgefallen, wie erwartet. Einen Mehrspielermodus gibt es nicht und spätestens nach dem zweiten Durchgang sah man alles! Was bleibt ist ein gut spielbarer, packend präsentierter Action-Titel, der bestens unterhält allerdings leider nicht das Zeug hat den grandiosen Erstling zu übertreffen. Ein würdiger Nachfolger ist Mafia II aber allemal!