Stellt euch folgende Szene vor: Ein Pilot sprintet über das Deck eines riesigen Flugzeugträgers zu seiner Maschine. Es regnet wie aus Strömen. Der Pilot hechtet mit einem Sprung über eine Pfütze. Dabei verliert er eine Medallie, die klatschend in der Pfütze landet und mit einer Seite im schmutzigen Wasser liegt. Die obere Seite der Medallie fängt aber die warmen Sonnenstrahlen ein, die sich nun ihren Weg durch die dunklen Wolken kämpfen. Diese Medallie, die einerseits sauber und einerseitz schmutzig auf dem Boden liegt, liebe Leser, ist Ubisofts Tom Clancy's H.A.W.X. 2! Was ich mit meiner Metapher sagen will, ist, dass der Nachfolger des Action-Flugspiels seine guten, wie auch seine schlechten Seiten hat. Wie diese aussehen, möchte ich auf den folgenden Zeilen verdeutlichen.
Wo Tom Clancy drauf steht, ist auch Tom Clancy drin. So gestaltet sich die Geschichte bei H.A.W.X. 2 recht politisch. Die Amerikaner haben es im Nahen Osten mit Terroristen zu tun, die ihre Air Base dem Boden gleichgemacht haben. Auf der anderen Seite schlagen sich die Russen mit feindlichen Separatisten herum, die den Präsidenten stürzen wollen. Der Spieler erlebt als zwei Handlungsstränge und schlüpft dabei in die Haut unterschiedlicher Piloten. Klingt alles nach Call of Duty und spielt sich auch so. Beide Handlungen laufen einem großen Finale entgegen, wo sie dann ineinander greifen. Die ganze Zeit geht es dabei recht patriotistisch zu und auch eine Verschwörung darf hier natürlich nicht fehlen. Wer die anderen Tom Clancy-Spiele gespielt und seine Bücher gelesen hat, dem dürfte die Story aber bekannt vorkommen.


Startet ihr die Kampagne im Einzelspieler, geht es gemächlich mit einem Aufklärungsflug los, der aber ein im wahrsten Sinne des Wortes bombastisches Ende findet. Waren die Mission im Vorgänger noch recht belanglos und abwechslungsarm, geht es bei H.A.W.X. 2 ganz anders an den Start. Natürlich ist und bleibt das Spiel ein Flugspiel und so liefert ihr euch die größte Zeit über spannende Dog-Fights mit euren Feinden. Daneben gibt es aber reichlich Abwechslung. So müsst ihr beispielsweise eine Drohne steuern und Häuser ausspähen, oder ihr gebt Fußtruppen Schutz, indem ihr Feinde am Boden mit Eurem Geschütz oder euren Bomben erledigt. Klingt schon wieder nach Call of Duty? Ja, nur dienen diese Missionen lediglich dem Fortgang der Story, was leider zu Lasten des Spielspaßes geht. Glaubt mir: Eine Drohne zu steuern und Gespräche abzuhören (und das über das ganze Level!), ist todlangweilig. Die anderen Drohnen-Level sind zwar nicht ganz so schlimm, aber man ist froh, wenn man wieder in seinem Flieger sitzt.
Aber das war es noch nicht mit der Abwechslung. Zum Glück haben die Entwickler die reinen Fluglevel auch aufpoliert, und diesmal sogar im positiven Sinne. Fandet ihr euch im Vorgänger am Anfang eines Levels sofort in der Luft wieder, müsst ihr diesmal eure Maschine selbst starten. Das beutet: Turbinen starten, auf die Rollbahn fahren, Beschleunigen und Hochziehen. Zugegeben, es ist kein großer Akt, trägt aber viel zu Atmosphäre bei. Besser sind Situationen mitten im Gefecht. So kann es passieren, dass euch in einem besonders heiklen Gefecht die Munition ausgeht. Wenn das passiert, müsst ihr in einem sicheren Flughafen landen, Muni aufflüllen und euch wieder ins Gefecht stürzen. All das steuert ihr natürlich selbst, was anfangs einiges an Fingerspitzengefühl kostet, aber dem Spielspaß zugute kommt. Ganz heikel wird es, wenn euch in einigen Leveln der Treibstoff ausgeht. Dann müsst ihr nämlich auftanken, und das in der Luft! Ist man in der Nähe des Tankflugzeugs, muss man mit dem Stuzen seinen Tanktrichter treffen, was gar nicht so einfach ist. Diese kleinen Abwechslungen sind es, die aus H.A.W.X. 2 ein besseres Spiel machen, wenn es um das reine Gameplay in der Luft geht.
Neben den neuen Drohnen- und Gunship-Missionen bleibt das Spiel seinen Wurzeln aber treu, was bedeutet, dass ihr mit eurem Flieger in alter Manier durch die Level jagd und feindliche Jäger unter Beschuss nehmt. Diese Dog-Fights machen in den ersten Leveln unheimlich Spaß und sorgen für Action. Doch im späteren Verlauf wird's echt nervig, wenn man minutenlang nur feindliche Jäger aussschalten muss. Das Ganze geht soweit, dass es Dog-Fights gibt, dann werdet ihr zum nächsten Ziel geschickt, wo wieder Feinde auf euch warten. Habt ihr die erledigt, gehts weiter zum nächsten Ziel und so weiter. Man bekommt das Gefühl, dass die Entwickler auf diese Weise das Spiel strecken wollten. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen. Für weniger haben die Jungs von Ubisoft Bukarest an anderen Stellen entschieden, und das leider wieder zu Lasten des Spielspaßes. So wurde das aus dem Vorgänger bekannte Hilfsystem ERS komplett rausgenommen und auch der Off-Modus kommt nicht mehr wirklich zum Einsatz. Wieso diese Elemente, die den ersten Teil besonders gemacht haben, entfernt wurden, bleibt wohl ein wohl behütetes Geheimnis.
Auf der Rückseite des Covers preist Ubisoft die Möglichkeit an, die Kampagne mit drei weiteren Mitspielern im Koop zu erleben und siehe da, es macht sogar mächtig Laune! Grund dafür ist einfach, dass eure menschlichen Mitspieler ein Hirn haben, was der KI völlig verwehrt blieb. Solo sind eure Kollegen nämlich mehr als blöd und werdet schnell von der agressiven Ki der gegnerischen Seite vom Himmel geholt. Viele viele Male musste ich eine Mission neu starten, weil mein Team das Zeitliche gesegnet hat. Und das frustriert! Mit Freunden sieht das ganze dann schon ganz anders aus. Neben der Koop-Kampagne stehen euch eine Reihe an Arcade-Missionen zur Verfügung, wo es darum geht, die einzelnen Levels unter unterschiedlichen Bedingungen zu meistern. Auch gibt es einen Survival Modus, wo man so lange wie möglich am leben bleiben muss. Xbox Live Freunde kriege aber neben dem Koop Gameplay auch die anderen (Versus-) Multiplayer Modi, die schon im Vorgänger positiv hervorgehoben wurden.


Kommen wir zurück zu unserer Medallie, die verlassen in der Pfütze liegt. Euch ist sicherlich aufgefallen, dass ich bisher zwischen den guten und den schlechten Seiten, bzw. der sauberen und der schmutzigen Seite hin und hergesprungen bin. Jetzt wollen wir aber komplett den Atem anhalten und ins schmutzige Wasser tauchen, denn es geht um die Präsentation. Das Spiel wirkt an allen Ecken und Kanten unfertig. Das fängt schon bei den Zwischensequenzen an, die zwar ordentlich vertont wurden, sonst aber in sehr magerer Qualität daher kommen. So erzählt euch ein kantiger Offizier etwas zu eurer Mission, der selbst auf guten alten PS2 Zeiten stammen könnte. In Sachen Ingame-Grafik ist H.A.W.X. 2 schon fast ein Rückschritt im Vergleich zum Vorgänger. Auf den ersten Blick sehen die Level zwar äußerst bombastisch aus, doch das ändert sich schnell, sobald ihr euch der Oberfläche nähert. Denn dann verkommen die von oben sehr geilen Bodentexturen zu einer matschigen Grütze. Was aber wirklich weh tut, sind die argen Grafikfehler. Clipping-Fehler, Tearing und Ruckler sind leider öfters vertreten als der Papst in der Kirche.
Einzig der Soundtrack ist gelungen. So passt sich die Musik der Situation an und kommt stellenweise sehr atmosphärisch rüber. Orchestralische Themen unterstreichen den politisch-kontroversen Plot und auch die deutsche Sprachausgabe ist ganz ordentlich ausgefallen. Glücklicherweise hören sich die Flugzeuge nach Flugzeugen an und die Sound-Effekte, wie etwa Explosionen sind nicht von schlechten Eltern. Aber auch hier wäre viel mehr drin gewesen, wenn sich Ubisoft Zeit für den Feinschliff genommen hätte.
Tom Clancy's H.A.W.X. 2 ist kein schlechtes Spiel, aber trotzdem will der Funke einfach nicht überspringen. Das liegt einfach daran, dass das Spiel so ein zweischneidiges Schwert ist. Die kritisierte und nicht vorhandene Abwechslung des Vorgängers wurde zwar behoben, aber leider spielen sich viele Mission nicht so, wie sie eigentlich sollten. Die spielerischen Details, wie etwa das Starten, Landen und Tanken des Flugzeugs sind cool gemacht, werden aber leider von negativen Dingen wie der schwachen Grafik und der mageren Präsentation in den Zwischensequenzen überschattet. Was bleibt ist ein netter Action-Titel, der wiederum nicht das erfüll,t was man erwartet hat. Fans des Genres, die sich die Finger nach neuen Flugspielen lecken, können einen Blick riskieren, wenn sie mit den Schwachpunkten leben können. Neulinge sollten sich aber Namcos Ace Combat 6: Fires of Liberation angucken.
Kleiner Hinweis an alle PS3- und PC-Zocker: Die PS3-Version erscheint offiziell am 10. September. PC'ler müssen sich hingegen noch bis Oktober gedulden. Hoffen wir, dass Ubisoft die Zeit nutzt und das ein oder andere verbessert.