
Was wartet hinter der nächsten Tür? Diese Frage stellt man sich während der Missionen immer wieder.
Die Story könnte kaum typischer für ein Game dieser Art sein. Böse Terroristen haben einen Supervirus in ihren Besitz gebracht und versuchen nun diese neue Waffe gegen die westliche Welt und ihre Verbündeten einzusetzen. Natürlich muss in einer solchen Krisensituation eine internationale Spezialeinheit zu den Brennpunkten dieses Planeten entsandt werden, um zu verhindern, dass die Fieslinge ihre düsteren Pläne in die Tat umsetzen. Diese Geschichte ist weder sonderlich originell noch kann sie mit wirklich interessanten Wendungen glänzen. Trotzdem schaffen es die Macher von Lockdown durch gute Zwischensequenzen und spannende Situationen, die Aufmerksamkeit des Zockers auf die Story zu lenken. Achtet man in vergleichbaren Spielen oft nur auf die Missionen, möchte man hier schon wissen, wie es weitergeht.

Egal ob auf dem freien Feld oder in engen Gängen, Team Rainbow trifft überall auf Terroristen.
Wer die Vorgänger kennt, wird schnell eine Reihe von Neuerungen bemerken, die dazu führen, dass Lockdown eine etwas andere Spielatmosphäre hat als die bisherigen Teile der Rainbow Six Reihe. Insgesamt kommt es diesmal weniger auf vorsichtiges oder taktisch kluges Verhalten an. Natürlich bieten die Missionen dank verschiedener Ziele wie beispielsweise dem Entschärfen von Bomben oder dem Aufspüren von Geiseln immer noch Abwechslung. Allerdings bestehen viele Passagen aus einer Aneinanderreihung actiongeladener Gefechte, die sich weit stärker auf Fähigkeiten wie Schnelligkeit und den guten Umgang mit dem rechten Analogstick zum Anvisieren beschränken als andere Taktik-Shooter. Die Anzahl der auswählbaren Vernichtungswerkzeuge ist, wie eigentlich immer in Rainbow Six Games, mehr als befriedigend und bietet eine breite Palette von Waffen in jeder Gattung. Unterschiede in Bereichen wie Zielgenauigkeit, Schaden oder auch dem Vergrößerungsgrad des jeweiligen Zielfernrohrs sorgen dafür, dass jeder Zocker nach einer kurzen Experimentierphase seine Favoriten für jede Situation finden wird.
Auch unter den Ausrüstungsgegenständen befinden sich viele nützliche Dinge, die den harten Alltag der Spezialeinheit ein wenig einfacher machen. Ganz besonders hilfreich sind die beiden alternativen Sichtmodi. Mit einem Nachtsichtgerät behält man auch in düsteren Räumen den vollen Überblick und mit Hilfe eines Thermalsensors lassen sich selbst gut versteckte Gegner schnell aufspüren. Dank eines neuen High-Tech-Gerätes, welches allerdings immer nur kurzzeitig eingesetzt werden darf, kann man diesmal sogar Wände durchleuchten, um Gefahrenquellen aufzustöbern. Verschlossene Türen, hinter denen eine ganze Truppe Terroristen lauern, sorgten schon in den letzten Teilen der Reihe für spannende Momente. Dank einem Vorschlaghammer und verschiedenen durchführbaren Taktiken lassen sich solche Situationen nun noch besser meistern als bisher. Gerade die Tatsache, dass es so viele nette Spielzeuge gibt, bietet leider auch Anlass zur Kritik. Ständig hat man das Gefühl, dem Feind einfach haushoch überlegen zu sein. Selbst in den kniffligeren Levels kommt man mit einer Handvoll bewährter Strategien praktisch immer ohne große Probleme weiter.

Auch die beste Waffe nützt wenig, wenn man die Gegner nicht sieht. Abhilfe schafft das Nachtsichtgerät.
Glücklicherweise bietet Lockdown für erfahrene Zocker eine Reihe von kniffligeren Herausforderungen außerhalb der regulären Missionen. Besonders hart wird es im so genannten Einsamer-Wolf-Modus, wo man völlig ohne Unterstützung eines Teams die Levels unter Zeitdruck meistern muss. Das Ausschalten von Terroristen, Entschärfen von Bomben oder Retten von Geiseln wird hier mit ein paar zusätzlichen Sekunden Spielzeit belohnt, wodurch diese Variante äußerst hektisch und actiongeladen wirkt.
Der Scharfschütze ist im aktuellen Rainbow Six Teil wesentlich wichtiger als zuvor, was offensichtlich etwas Abwechslung in den Spezialeinheiten-Alltag bringen soll. Leider scheitert hier das sonst gute Leveldesign häufig und bestimmte Missionsabschnitte verkommen zu unnötig frustrierenden Spaßbremsen. Sobald der Zocker die Kontrolle über den adleräugigen Experten mit der entsprechenden Spezialwaffe übernommen hat, fehlt leider oft der Überblick. Feinde stellen sich den Kameraden entgegen und müssen schnell ausgeschaltet werden, was aber eigentlich nur dann gut machbar ist, wenn man schon vorher weiß, wo die Fieslinge auftauchen. Mehrmaliges Starten des jeweiligen Levels, bis man die Angriffsschemata der Terroristen auswendig gelernt hat, sind leider die Folge.
Für Xbox Live Zocker gibt es neben klassischen Netzwerkmodi noch ein interessantes System namens Persistent Elite Creation (PEC) zu entdecken. Gute Leistungen werden mit Punkten honoriert, die anschließend nach RPG-Manier verwendet werden dürfen, um einzelne Mitglieder der eigenen Truppe in vielerlei Bereichen zu verbessern. Neue Waffen und Fähigkeiten motivieren zur häufigen Teilnahme an Online-Schlachten.
Ein großer Unterschied zwischen Summit Strike und Lockdown fällt schon in der ersten Mission auf. Während die Ghosts ausschließlich unter freiem Himmel unterwegs sind, schreckt Team Rainbow nicht davor zurück, Häuser zu betreten und die Terroristen durch Innenlevels zu jagen. Offensichtlich bringt es einige Vorteile, wenn man viel draußen spielt, denn die Teammitglieder der aktuellen Ghost Recon Episode wirken deutlich intelligenter als die Frauen und Männer in Lockdown. Das soll nicht bedeuten, dass die KI wirklich mies ist. Allerdings hat man in diesem Game immer wieder das Gefühl, dass man eher als Aufpasser und nicht als Anführer seiner Gruppe agieren muss, um erfolgreich zu sein. Von Zeit zu Zeit wird man Zeuge einer unglaublich dummen Aktion. Nach dem Befehl, die Gegner in einem Raum mit Hilfe einer Blendgranate zu verwirren, hat es einer meiner Spezialisten beispielsweise geschafft, den Sprengkörper gegen den Türrahmen zu werfen. Eine Sekunde später explodierte die abgeprallte Granate vor den Füßen meiner Spielfigur, was zur zeitweiligen Erblindung führte, während die Feinde fröhlich das Feuer eröffneten. Zu häufig kommt es vor, dass die virtuellen Soldaten auf kritische Situationen nicht gut reagieren, wenn man ihnen keine entsprechenden Befehle erteilt. Natürlich sind Kommandos ein wichtiger Bestandteil von Spielen dieses Genres. Kenner der Konkurrenzprodukte werden aber während der Missionen oft wehmütig an die Ghost Recon Truppe denken, die auch mal eine kleine Armee allein bezwingen kann. Glücklicherweise sind auch die Gegner nicht immer geschickt und erweisen sich darüber hinaus auch noch als äußerst schlechte Schützen, was sie nur durch reine Masse und gute Positionierung teilweise ausgleichen können.

Die Charaktere sind sehr detailliert. Leider können die Animationen nicht wirklich überzeugen.
Grafik:
Es fällt nicht leicht, eine faire Wertung für die Grafik abzugeben. Die Programmierer haben sich offensichtlich viel Mühe gegeben, um zu gewährleisten, dass das neueste Rainbow Six Kapitel einen eigenen Look hat und sich von seinen aktuelleren 128-Bit-Verwandten optisch unterscheidet. Das Ergebnis ist leider nicht immer überzeugend und in einigen Bereichen sogar ein Schritt zurück. Die Charakter-Modelle sind beispielsweise detaillierter als zuvor, was vor allem bei den Gesichtern der Protagonisten auffällt, muten aber aufgrund einiger Designprobleme etwas skurril an. Obwohl die Animationen flüssig sind, wirken einige der Bewegungsabläufe unrealistisch und unbeholfen. Die Umgebungsgrafik schwankt zwischen gut und mittelmäßig. Dank vieler netter Details wie zum Beispiel brennende Fahrzeuge auf den Straßen oder simple aber effektive Licht- und Spiegelungseffekte wirken die Levels oft lebendig und abwechslungsreich. Die gute Atmosphäre wird jedoch immer wieder zerstört, wenn man sich sehr nah vor einer Wand befindet und dort grobe Texturen bewundern darf.
Sound:
Während in den Menüs und Zwischensequenzen gitarrenlastige und meist ziemlich einfallslose Stücke ertönen, beschränkt sich die akustische Untermalung innerhalb der Levels bis auf wenige Ausnahmen auf Effekte. Die Geräuschkulisse ist qualitativ gut und kann dank einer umfangreichen Palette von Sounds auch langweiligere Missionsabschnitte interessant erscheinen lassen. Allerdings zeigt der hauseigene Konkurrent Summit Strike, dass man in diesem Bereich noch bessere Arbeit leisten kann. Obwohl es sich dabei nicht um einen akustischen Leckerbissen handelt, ist die Unterstützung des Headsets in den Einzelspieler-Missionen noch immer eine Maßnahme, die sehr viel zu einer realistischen und spannenden Grundstimmung beiträgt. Wenn ein Verbündeter panisch Hilfe fordert und dem Zocker direkt ins Ohr brüllt, wirkt das einfach sehr authentisch. Positiv zu erwähnen ist auch, dass die deutschen Sprecher ihre Sache meiner Meinung nach sogar ein wenig besser machen als ihre amerikanischen Kollegen.

Diesen Marktplatz zu überqueren erweist sich als hartes Stück Arbeit. Die Gegner sind oft gut platziert und nehmen das Team Rainbow unter Beschuss.
Der neueste Teil der Rainbow Six Saga markiert in vielerlei Hinsicht einen Wendepunkt für die Serie und besitzt durchaus das Potential, die Fans in zwei Lager zu spalten. Das geradlinigere Leveldesign und der erhöhte Actionanteil sollen sicherlich dafür sorgen, dass die Serie auch dem ungeduldigen Massenpublikum stärker auffällt als bisher. Leider büßt der aktuelle Shooter durch diese und weitere Maßnahmen auch viel von dem Charme seiner bekannten Ahnenreihe ein. Von den diversen Experimenten, die an Gameplay, Leveldesign und Grafik durchgeführt wurden, ist mindestens die Hälfte fehlgeschlagen. Dass mit Summit Strike ein ebenso aktueller, aber gleichzeitig besserer und günstigerer Genrevertreter bereit steht, macht es nicht gerade einfacher, Lockdown zu genießen