

Golfsimulationen sind eines der interessantesten Phänomene der Videospielewelt. Denn wenn man streng logisch denkt, dürfte es diese Games gar nicht geben. Nur wenige Zocker haben jemals auf einem Golfplatz gestanden und sind dieser Freizeitbeschäftigung in der Realität nachgegangen. Kaum ein Konsolenbesitzer verfolgt die Turniere im Fernsehen oder behauptet von sich, ein großer Golf-Fan zu sein. Die hohen Kosten für eine Clubmitgliedschaft und die Ausrüstung sowie der elitäre Flair des Sportes halten einen großen Teil der Bevölkerung lebenslang von den Fairways fern. Ehrlich gesagt scheinen sich Golf und Konsolen an absolut unterschiedliche Zielgruppen zu richten. Was ist also der Grund dafür, dass man in praktisch jeder guten Sammlung digitaler Unterhaltungsmedien mindestens eine Simulation des Rasenspiels findet? Vielleicht ist es die Tatsache, dass Golfgames einfach eine Lücke schließen. Konzentration, Taktik und Fingerspitzengefühl stehen immer im Vordergrund, wenn man den virtuellen Schläger schwingt, und kein noch so schönes Tor in einer Fußballsimulation kann mit einem Hole-in-One mithalten. Ein weiterer wichtiger Erfolgsgarant dürfte das plötzliche Auftauchen eines massenkompatiblen Superstars sein. Seit Tiger Woods sein erstes großes Turnier gewonnen hat, gelten Profigolfer nicht mehr zwangsläufig als ältere Herren mit merkwürdigem Kleidungsstil.

Eine gute Taktik ist und bleibt die halbe Miete, um die Schlagzahl gering zu halten. Die Vorteile der einzelnen Schläger sowie die Auswirkungen des jeweiligen Untergrunds auf die erzielbare Weite müssen genau so verinnerlicht werden wie die Fingerbewegungen selbst. Auch wenn man gegen Freunde im Multiplayer-Modus antritt oder sich online vergnügt, bleibt der jeweilige Kurs der eigentliche Gegner. Besonders die Fantasie-Plätze überraschen mit einer hinterhältigen Architektur und Grüns, die so abschüssig sind, dass das Putten zu einer besonders spannenden Beschäftigung wird. Insgesamt wird in Sachen Gameplay wenig Neues geboten, aber es ist auch heute noch erstaunlich, wie viel Spaß und Spannung bei einem eher ruhigen Spiel wie Konsolengolf aufkommen kann, wenn man das Gefühl hat, die volle Kontrolle zu haben.

Der Spieler-Editor hat inzwischen einen Grad an Perfektion erreicht, der einen eigenen Absatz rechtfertigt. Man hat tatsächlich so viele Optionen, dass die Kreation eines virtuellen Sportlers
nahezu so lange dauert wie das Spielen eines kompletten Platzes. Vor wenigen Jahren hat man sich noch gefreut, wenn man in einem Game Haarfarbe und Größe einer Spielfigur bestimmen durfte. In Tiger Woods 07 kann man selbst das Alter in Form von Falten oder Hautflecken sehr genau einstellen oder den Winkel, in dem ein Golfer die Hände während des Schwungs hält, bestimmen. So genial der Editor ist, so mies ist die beigelegte Anleitung. Elf Seiten, von denen gerade mal sieben relevante Informationen beinhalten, sind doch etwas wenig für ein derart komplexes Game. Wenn man dann noch einen Satz wie: “Die meisten Modi in Tiger Woods PGA Tour 07 sind selbsterklärend und werden in diesem Handbuch nicht erklärt“ liest, fragt man sich, ob es eine Papiermafia gibt, die den weltweiten Handel mit diesem wertvollen Material kontrolliert. Vielleicht gibt es außer mir ja noch ein paar Zocker älteren Semesters, die sich an PC-Spiele mit dicken Handbüchern, schicken Karten und diversem Bonus-Material erinnern. Der Trend, so wenig wie möglich in eine Standard-DVD-Hülle zu packen, ist wirklich ernüchternd und EA erntet für die Teilnahme an dieser Maßnahme ein dickes “Buh!“.


Grafisch bleibt praktisch alles beim Alten. Die Version von 2007 unterscheidet sich kaum von der des letzten Jahres oder, um ehrlich zu sein, von der 2005-Fassung. Das soll aber nicht bedeuten, dass nichts fürs Auge geboten wird. Die Tiger Woods Reihe ist und bleibt auch in Sachen Technik der Genre-Primus. Besonders die liebevoll in Szene gesetzten Kurse, die neben realen Schauplätzen auch reine Fantasie-Produkte beinhalten, können sich sehen lassen. Scharfe Texturen und sehr fortgeschrittene Lichteffekte sind nur einige der Vorzüge, die jedes Loch zu einem optischen Leckerbissen machen. Als ernst gemeinte Simulation hält sich das Game natürlich zurück, wenn es um abgedrehte technische Spielereien geht. Aber dank Zeitlupe und wechselnden Kameraperspektiven werden besonders wichtige Schläge doch sehr nett präsentiert. Die Golfer selbst sind zwar detailliert und glänzen mit butterweichen Animationen, aber gerade in diesem Bereich wäre noch mehr drin gewesen.
Auch beim Sound gibt es keine Überraschungen. Die Profi-Kommentatoren Feherty und McCord sorgen mit ihren guten, wenn auch altbekannten Sprüchen für Stimmung und auch die Publikumseffekte sind jederzeit passend. EA lässt mal wieder einen netten und abwechslungsreichen Soundtrack springen, der moderne Stücke beinhaltet, aber nie wirklich originell klingt.
Die Tiger Woods Reihe bleibt eindeutig die Referenz, wenn es um Konsolen-Golf geht. Die Neuerungen halten sich in Grenzen, aber warum sollte man etwas reparieren, was gar nicht kaputt ist? EA hat bereits vor Jahren ein gutes Gameplay entwickelt, um den Sport zu simulieren und betreibt seitdem nur noch Feintuning. Man kann den Machern höchstens vorwerfen, in technischer Hinsicht ein wenig zu faul gewesen zu sein, aber mit dieser Taktik sind sie im Spätherbst der PS2-Ära nicht allein. Echte Fans werden sich auch über die kleinen Verbesserungen in Form neuer Modi oder Kurse freuen. Innovationssüchtige haben dank Produkten wie Outlaw Golf oder dem äußerst originellen Real World Golf aber inzwischen auch die Möglichkeit, zu spaßigen und einsteigerfreundlicheren Alternativen zu greifen.