Als klassisches Grafikadventure wird Noctropolis über Maus mithilfe eines Verbmenüs gesteuert, das per Mausklick eingeblendet wird. Leider ist die Pyramide, auf der die Befehle angeordnet sind, unübersichtlich, sodass sich das Spiel eher frickelig steuert. Das liegt auch an vielen Kleinigkeiten, z. B. dass man sich nicht frei auf dem Bildschirm bewegen kann oder nach einem Bildschirmtod nicht direkt zu einem Menü zum Laden/Beenden kommt, sondern warten muss, bis man aus dem Intro heraus das normale Menü aufrufen kann. Ein großes Minus ist zudem, dass wie bei alten Sierra-Adventures der Cursor nicht anzeigt, ob ein Objekt benutzbar oder nur Hintergrund ist, was bei einer Fülle von winzigen, farblich unauffälligen Gegenständen extrem nervig ist.
Die Musik ist nur mäßig und wirkt leider oft belanglos und uninspiriert. Manchmal untermalt sie die Atmosphäre gut, oft stört sie eher auf die Dauer. Einen akustischen Tiefpunkt markieren zudem die Synchronsprecher in der hiesigen Version. Auch wenn es damals beileibe kein Standard war, dass Dialoge auf Deutsch vertont wurden, hätte man sich das hier sparen können.
Inhaltlich wirkt Noctropolis zunächst interessant und vielversprechend. Man kann im Spiel am Anfang zwei Darksheer-Comics zur Einstimmung am Bildschirm lesen und ist gespannt, wie sich die Geschichte entwickelt. Leider geht es danach eher bergab. Die düstere und makabere Stimmung, die das Game erzeugen will, wird bedauerlicherweise durchgehend durch Dialoge auf B-Film-Niveau und unfreiwillige Komik sabotiert. Letztere kommt z. B. auch daher, dass Peter wie ein Idiot in so ziemlich jede Falle tappt, die ihm gestellt wird, und so gut wie gar nicht in die Fußstapfen, die er füllen soll, hineinwächst. Er zieht in jedem Kampf den Kürzeren und läuft merkwürdigerweise im vollen Darksheer-Outfit, welches ohne Maske auskommt, durch die Stadt und spricht mit Leuten, ohne dass es jemand wahrnimmt.
Mit den Puzzles sieht es leider nicht besser aus. Ein riesiges Problem ist das leidige Suchen nach Gegenständen, was den Großteil der Spielzeit ausmacht, auch weil die Entwickler, um Sackgassen zu vermeiden, bestimmte Objekte erst auftauchen lassen, falls man andere Dinge erledigt hat. Die Lösungen sind zum Teil haarsträubend, jedoch halten die Rätsel einen nicht lange auf. Es gibt wenig Gegenstände und man findet in der Regel alles für die aktuelle Aufgabe in der Nähe. Zudem führt ein Klick im Inventar automatisch zum richtigen Verwenden des Objektes, wenn man in der passenden Situation ist. Kombinieren von Gegenständen bzw. gezieltes Benutzen entfällt.
Der Aufbau ist unausgegoren. Man muss zu oft alle Figuren über alle Gesprächsthemen ausfragen, um den nächsten Schauplatz freizuschalten, zu dem man hin muss. Es gibt zudem diverse Stellen, an denen man nichts tun kann und nur ein paar Zeilen Information zum Hintergrund erfährt, was aber wie ein loses Ende im Skript wirkt. Viele der Multiple-Choice-Gespräche sind so unklar, dass man sie erst im zehnten Auflauf korrekt durchläuft. Bei manchen dreht man sich auch ewig im Kreis, bis man irgendwann merkt, dass der Dialog völlig überflüssig ist oder auf nichts hinausläuft.
Noctropolis im Test
Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Ein Spruch, über den im Einzelfall gerne gestritten wird. Aber zumindest im Fall des Superhelden Darksheer ist sich dieser selber dessen sicher und zieht sich von seiner Rolle als Beschützer der Stadt Noctropolis endgültig zurück, nachdem er die letzten drei verbliebenen Erzschurken gefangen nahm bzw. umbrachte. Zum Abschluss spendiert die Stadt eine Parade, der Held bricht noch seiner treuen (und in ihn verliebten) Gehilfin Stiletto das Herz und ward dann nicht mehr gesehen. Und so kommen wir zum Ausgangspunkt des Adventure-Spiels Noctropolis, das 1994 für DOS erschien und von Flashpoint Productions für Electronic Arts entwickelt wurde.
Götz meint:
Positiv
- interessante Grundidee ...
Negativ
- ... mit sehr schwacher Umsetzung
- kurze Spieldauer
- nerviges Bildschirmabsuchen
Userwertung
Weiterführende Links
Insgesamt fällt Noctropolis leider enttäuschend für mich aus. Das Konzept ist interessant, aber die Ausführung lässt in allen Bereichen zu wünschen übrig. Der Handlung geht zu schnell die Puste aus, um über die inhaltlichen Mängel hinwegsehen zu können. Als Adventure ist es überladen mit Kinderkrankheiten und undurchdachtem Design, technisch ist es auch für 1994 auf die Länge des Spiels gesehen nichts Überwältigendes. Comicfreunde können dem Game eventuell noch einen gewissen Reiz abgewinnen, wer aber sonst nicht jedes noch so durchwachsene Adventure spielen möchte, kann Noctropolis getrost links liegen lassen.