
Dragon Age II unterscheidet sich immens von dem 2009 erschienenen Vorgänger-Titel Dragon Age: Origins. Bemerkbar macht sich dies insbesondere in der Erzählweise, die als Geschichte innerhalb einer Geschichte von dem Zwergenkrieger Varric Tethras wiedergegeben wird. Während Varric seine Erinnerungen zum Besten gibt, spielt ihr das Abenteuer (in dem ihr vom mittellosen Flüchtling bis zum Champion von Kirkwall aufsteigt) nach. Die zehnjährige Geschichte konzentriert sich auf wichtige Schlüsselelemente und wird durch mehrere holprige Zeitsprünge vorangetrieben; Konsequenzen und Entscheidungen beeinflussen dabei RPG-typisch den weiteren Spielverlauf.
Gegenüber der Wahl des Geschlechts (geringe Dialogabweichungen; Beziehungen und Liebschaften) hat die Auswahl der Charakterklasse einen wesentlichen Einfluss auf das Spielerlebnis und auf die Kämpfe. Jede der drei Klassen entscheidet darüber, welche Eigenschaften Hawke im Verlauf des Spiels erlernen kann. Krieger bspw. sind erstklassige Nahkämpfer und recht zäh. Die Klasse der Magier ist die am wenigsten widerstandsfähige, dafür entfesseln sie mächtige Entfernungs-/Elementar- und Heilzauber. Schurken gehen exzellent mit Fernwaffen wie Pfeil- und Bogen um oder beherrschen den Kampf mit zwei Waffen gleichzeitig. Außerdem ist die Schurkenklasse die einzige, die Schlösser knacken und Fallen entschärfen kann.
Dragon Age II ist wie der Vorgänger für eine Gruppe aus vier Streitern ausgelegt. In der Anfangsphase begegnet ihr verschiedenen Charakteren, die nach und nach zu treuen Gefährten werden. Die Gruppenmitglieder sind nicht nur für die Kämpfe extrem wichtig, sondern haben auch persönlich einen Bezug zur (gut erzählten) Geschichte und zu unserem Titelhelden. Jeder der Personen hat eine eigene Persönlichkeit, Fähigkeiten und Neigungen. Trefft ihr Entscheidungen gegen den Willen eurer Gefährten, kann dies mitunter bis hin zur Feindschaft führen. Gruppenmitglied Aveline reagiert äußerst negativ auf das Überschreiten der Gesetze. Ebenso missbilligt sie unnötige Gewaltdarstellung und Boshaftigkeit. Varric stattdessen ist das genaue Gegenteil: Hitzige Wortgefechte oder krumme Geschäfte interessieren ihn nur wenig.
Eine weitere Änderung betrifft die Rüstungen, welche die Begleiter tragen. Diese können fortan nicht mehr wie in Dragon Age: Origins gewechselt werden. Aufbessern, durch das Finden oder den Kauf bestimmter Teile, ist nichtsdestotrotz möglich. Das Kombinieren verschiedener Rüstungssets bleibt also ausschließlich dem Hauptcharakter Hawke vorbehalten. Bei den Gegenständen (Rüstungsteile, Waffen, Accessoires) werden im Inventar nun ein bis fünf Sterne angezeigt. Diese liefern eine Einschätzung, wie nützlich der Gegenstand angesichts der Klasse und aktuellen Stufe des Charakters ist.
Dinge, die nutzlos sind, dennoch einen geringen Wert besitzen, werden beim Einsammeln direkt in das Register 'Plunder' verschoben - ein tolles und zeitsparendes Feature. Direkt aus The Elder Scrolls IV: Oblivion wurde eine große Holztruhe mit massig Stauraum entliehen, die ihr in der Wohnstätte unseres Helden vorfindet. Allerdings lassen sich in dieser nur Objekte verstauen, die sich lose im Inventar befinden. Neben der praktikablen Truhen-Funktion erhaltet ihr von dort aus zig neue (Sekundär-)Quests, stellt Runen für Rüstungen und Waffen her, mixt Heil- und Zaubertränke und erholt euch von den Kämpfen.
Im Vergleich mit dem Vorgänger laufen die Kämpfe in Dragon Age II sehr hektisch und schnell ab. Stellenweise wird man das Gefühl nicht los ein Hack & Slay à la Dynasty Warriors zu spielen; insbesondere auf einem einfachen Schwierigkeitsgrad. Um den Stand der Dinge auf dem Schlachtfeld zu erfassen, lässt sich das Spiel noch immer mit dem Kreismenü pausieren. Von hier aus greift ihr auf Zauber- und Heiltränke zu oder erteilt euren Gruppenmitgliedern Befehle. Apropos: Der Schwierigkeitsgrad kann noch immer und zu jeder Zeit individuell angepasst werden.


An Taktik gewinnen die Kämpfe im späteren Spielverlauf durch die fünf Elemente Feuer, Kälte, Elektrizität, Geist und Natur. Die meisten Kontrahenten denen ihr im Laufe eures Abenteuers begegnet, besitzen bestimmte Resistenzen und Verwundbarkeiten die es auszuloten gilt. Steigt ihr eine Stufe nach oben, investiert ihr die Punkte in die Attribute (Stärke, Geschicklichkeit, Magie, Klugheit, Willenskraft, Konstitution) und Fähigkeiten eurer Helden. Letztere sind in Talentbäume unterteilt, allerdings mit deutlich weniger Entscheidungsmöglichkeiten als bei Orginis. Genau genommen drehen sich die erlernbaren Fähigkeiten einzig und allein um den Kampf.


Mehr Action, weniger Rollenspiel - genau das trifft auf Dragon Age II zu. Besitzer des grandiosen Erstlings werden sich in vielerlei Hinsicht umstellen müssen - das Spiel wurde an etlichen Stellen vereinfacht und umgestaltet. Die geringe Entwicklungszeit von lediglich 18 Monaten ist nicht zu übersehen: Dungeons wiederholen sich, freie Gespräche mit Gruppenmitgliedern wurden gestrichen und die Stadt Kirkwall - der Hauptschauplatz - langweilt durch die sterile und detailarme Inszenierung. Das umfangreiche Freiheitsgefühl und der Erforscherdrang von Origins ist hier zu absolut keinem Zeitpunkt vorzufinden. Die interessanten Charaktere, guten Quests und die geschickt erzählte Story können das Spiel gerade noch vor dem Durchschnitt retten. Dragon Age: Origins ist und bleibt das in jeder Hinsicht bessere Spiel.