Die 1988 gegründete Firma Thalion setzte sich im Kern aus Demo-Codern der Atari ST Szene zusammen und versuchte das Credo der Demoszene in kommerzielle Spiele zu übertragen: Stets das Maximum aus der Hardware zu holen und mit allerlei Programmiertricks Hardwareschwächen zu umschiffen. Nun war es kein Geheimnis, dass Ataris Rechenknecht kein Sound- und Scrollingwunder war, da schlicht die verbaute Hardware nicht für Höchstleistungen in diesen Bereichen ausgelegt war. So setzte man sich bei Thalion daran dem ST ein Spiel zu spendieren, welches deutlich widerlegen sollte, dass der Atari nicht in der Lage ist, technisch ansprechende Spiele zu zeigen. Und welches Genre dient besser dazu technische Leistungen zu demonstrieren, wenn nicht das Shoot em Up?
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Womit wir beim eigentlichen Spiel wären.
Wings of Death ist ein klassischer Vertikalshooter, welcher seine thematische Inspiration aus dem Arcade-Titel Dragon Spirit zieht. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines von der Hexe Xandrilia in ein Flugwesen verwandeltes „Ich“ und verfolgt fortan das Ziel der Hexe den Hals umzudrehen, um seine Rückverwandlung in einen Menschen zu ermöglichen. Soweit so gut die rudimentäre Story des Shooters, welche wie üblich für das Genre nebensächlich ist. Trotzdem hat man sich bei der Ausarbeitung viel Mühe gegeben und der Story in der Anleitung mehrere Seiten spendiert.
Ziel ist es sieben, mit Feinden vollgestopfte, Level zu überstehen, um im finalen Showdown Xandrilias Festung zu stürmen. Damit dies nicht allzu schnell passiert, erwarten den Spieler logischerweise noch Unmengen an Feinden und Endgegnern bis zum finalen Kampf. Um den Kampf besser zu überstehen, spendierte man dem Spieler ein umfangreiches Waffensystem: 5 verschiedene Schussarten stehen dem Spieler zur Verfügung, welche durch Aufsammeln der entsprechenden Power-Ups noch ebenfalls in 5 Stufen verstärkt werden können. Die Schussart hat nicht nur Einfluss auf die Partikel, sondern auch auf die Spielfigur selbst. So ändert sich je nach Schussart auch die Gestalt des Charakters, was eine größere oder kleinere Hitbox zur Folge hat. Zudem sind die einzelnen Charakterformen unterschiedlich schnell, was das Ausweichen entsprechend erleichtert oder erschwert.
Die Level selbst sind alle relativ lang, jedoch fair aufgebaut. Zudem ist man nicht nach einem Treffer tot, sondern verfügt über einen Energiebalken, welcher sich bei Feinberührung füllt. Erst bei vollem Balken winkt dem Spieler das Ableben. Zudem sind Power-ups, Extraleben und Schilde gut verteilt. Stirbt man schließlich doch, kommt ein motivierendes Rücksetzpunkt-System zum Zuge: Man wird immer ein paar Meter vor dem Sterbepunkt wieder ins Spiel gesetzt, so dass die Sterbestelle erneut angeflogen wird. Es gibt also keine festen Checkpoints. Stirbt man häufig hintereinander, wird man so Schritt für Schritt weiter nach hinten gesetzt, was motiviert und den Lerneffekt enorm steigert, anstatt Frust zu schieben, weil man komplett von vorne beginnen muss. So kann man auch keine Stellen einfach „durchfliegen“, indem man am Sterbepunkt weiter macht, sondern man muss die Stelle meistern ...
Wings of Death verfügt also über ein ordentliches Gameplay und herausfordernden Spielaufbau. Was aber das Spiel zur Attraktion werden lässt, ist die Technik. Selten hat man auf einem Standard-ST ein so flüssiges Scrolling gesehen und so einen guten Soundtrack gehört. Auch bei teilweise 90 Sprites auf dem Bildschirm geht die Bildrate nicht in die Knie, alles scrollt flüssig vor teilweise optisch opulenten Hintergründen vorbei. Der dazu treibende Soundtrack von Jochen Hippel lässt einen manchmal fragen, ob der Sound tatsächlich aus dem kümmerlichen 3 Kanal-Soundchip kommt. Nicht nur, dass der Sound absolute Ohrwurmqualität hat, so bekommt man zusätzlich zu den Explosionsgeräuschen noch Sprachausgabe spendiert. Alles in allem ist Wings of Death also eine technische Meisterleistung für den ST, die den Vergleich mit Amiga-Shootern nicht scheuen braucht.
Besitzt man zudem einen STE, dreht Wings of Death noch einmal zusätzlich auf. Im Gegensatz zu anderen Entwicklern, welche die STE Features meistens links liegen gelassen haben, setzte man bei Thalion darauf, auch hier die Zusatzfähigkeiten des STEs voll auszunutzen und sich insbesondere die erweiterte Farbpalette zu Nutzen zu machen.
Unser Videoreview zu Wings of Death zeigt das ST-Meisterwerk in Bewegung!
Wings of Death ist nicht nur der wohl beste Shooter auf dem Atari ST, sondern einer der besten Shooter der gesamten Homecomputer-Ära. Das beginnt bei der konsequenten Nutzung der Hardwarefähigkeiten, über abwechslungsreiche Stages und das kluge Rücksetzpunkt-System sowie der unterschiedlichen Waffensysteme. Dazu ein grandioser Ohrwurm-Soundtrack, der auch Nicht-Shooter-Fans immer mal wieder zum Spielen motiviert. Auch der faire Schwierigkeitsgrad sorgt dafür, dass selten Frust aufkommt. Technisch wird Wings of Death nur noch vom eigenen Nachfolger übertroffen, doch dazu später mehr...