Of Orcs and Men - Fantasy mal anders im Test

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Wer kennt sie nicht? Die vielen Monster im Fantasy Genre. Ob in Filmen, Büchern oder Videospielen, Orcs, Trolle, Oger, Goblins u. a. gehören der dunklen Seite an und versetzen die tapferen Menschenvölker in Angst und Schrecken. Bestes Beispiel ist die »Der Herr der Ringe« Saga von J. R. R. Tolkien. Doch es geht auch anders, wie das neue Rollenspiel von Koch Media zeigt, welches wir in diesem Artikel behandeln.

Von bösen Menschen und einer Minderheit

Entwickelt wurde Of Orcs and Men von den Cyanide Studios, die zuvor mit der Videospiel Adaption zu George R. R. Martins »Das Lied von Eis und Feuer« Saga ein unterdurchschnittliches Rollenspiel ablieferten. In meinem Review lobte ich die tolle Story und die vielschichtigen Charaktere, kritisierte auf der anderen Seite aber auch die schwache Technik und das durchwachsene Kampfsystem. Mit Of Orcs and Men nahmen sich die Entwickler aber kein weiteres Fantasy Epos als Vorbild, sondern schwangen diesmal selbst die Feder und kreierten eine tolle Welt mit verdrehten Tatsachen.

So übernimmt der Spieler diesmal die Rolle von Arkail und Styx, zwei Vertretern der eher ungemütlichen Orcs und Goblins, die in so vielen Genre Adaptionen gefürchtet werden. Doch die Feinde sind hier keine geringeren als machtbesessene Menschen, die die Welt von den hässlichen Grünhäuten befreien wollen. Die Menschenkönigreiche vereinten sich unter einem Wappen und tränken seitdem die Erde mit dem Blut anderer Völker. Dabei wurden vor allem die Orcs beinahe ausgelöscht oder versklavt. Die wenigen überlebenden Hünen versteckten sich vor ihren Jägern. Fortan liefern sie sich kleine Scharmützel mit den übermächtigen Menschen. Arkail, ein schnell in Rage verfallender Orc und Mitglied der berüchtigten Blutkiefer wird dazu bestimmt, den Menschenkaiser zu töten und das Unheil zu beendet. Keine leichte Aufgabe für einen einzigen Orc. Doch wird im der scharfsinnige Goblin Styx an die Seite gestellt. So macht sich das ungleiche Duo auf ihren Weg, ungewiss des Ausgangs ihrer Reise.


Eine Idee, wie sie im Buche steht

Der spannende Plot ist es, der mich bei Of Orcs and Men überzeugte und zum Weiterspielen animierte. Allein die Idee der Entwickler, den Spieß einfach umzudrehen und uns Spieler in die Haut von zwei Antihelden zu stecken, finde ich großartig. Und obwohl die Cyanide Studios im Bereich der Videospiele zu den wenigen Ausnahmen gehören, kann man vor allem bei Fantasy Büchern schon länger in die Haut verschiedener Völker schlüpfen. So entführte uns Bernhard Hennen mit seinen Elfen Romanen nach Albenmark und Markus Heitz zeigte die fleißigen Zwerge in seinem »Die Zwerge«-Zyklus von einer anderen Seite. Auch Christoph Hardebusch faszinierte mit seiner »Die Trolle« Saga unzählige Leser. Dabei sind Hennen, Heitz und Hardebusch drei deutsche Fantasy Autoren, die die Geschöpfe von ihrer anderen Seite zeigen. Doch war es der britische Schriftsteller Stan Nicholls, der die Orcs als erstes Fantasy Volk näher beleuchtete. Ursprünglich als dreiteilige Fantasy Saga geplant, erschien der Roman hierzulande unter dem Namen »Die Orks« 2002 im Heyne Verlag. Das Buch zog eine ganze Reihe völkerspezifischer Romanreihen nach sich, wie eben »Die Elfen«, »Die Zwerge« und »Die Trolle«.

Neues Spiel, altes Kampfsystem

Neben der Tatsache, dass der Spieler zwei gegensätzliche Helden steuert, gefiel mir, dass sich die Entwickler überhaupt an eine neue Marke wagten. In einer Zeit, wo die Videospiellandschaft mit Unmengen an Fortsetzungen überschwemmt wird, gleich eine neue Franchise im (westlichen) RPG-Sektor einem kleinen Hoffnungsschimmer. Seien wir mal ehrlich! Wann haben wir ein komplett neues West-RPG gesehen? In den letzten Jahren servierte man uns nur Nachfolger zu bekannten Serien. The Witcher 2The Elder Scrolls V: SkyrimTwo Worlds 2,  Dragon Age 2,  Guild Wars 2, Diablo 3, Risen 2  Arcania - Gothic 4, u.s.w. Neue Entwicklungen gehören fast der Vergangenheit an. Einzig das tolle Kingdoms of Amalur: Reckoning kommt mir in den Sinn. Aber was bietet Of Orcs and Men im Detail?

Je länger ich das Spiel spielte, umso stärker kam mir der Vergleich mit einem Fantasy Roman in den Sinn. Das liegt zum einen an der gut erzählten und mit Wendungen durchsetzten Story, zum anderen aber auch an der Struktur des Titels. Dabei präsentiert sich das RPG sehr linear. Der Spieler stampft mit den Helden durch die Level und wird immer wieder von Kämpfen gegen menschliche Soldaten gestört. Hier gehen die Entwickler den gleichen Weg wie schon bei ihrer Game of Thrones Umsetzung und servieren ein mäßiges Kampfsystem, dass auf Dauer nervig wird.

Obwohl die Fights in Echtzeit ablaufen, muss das Geschehen immer wieder unterbrochen werden, indem man ein Ring-Menü per linker Schultertaste aufruft. Hier kann man  verschiedene Aktionen wie Schläge, Specialmoves oder Tränke auswählen. Arkail und Styx besitzen vier Kampfslots, die man mit besagten Aktivitäten füllen kann. Wählt man im Kampf also vier andersartige Angriffe aus und schließt das Menü, führt der Orc diese aus, bevor das Menü erneut geöffnet werden muss. Gleiches gilt beim Goblin, da man jederzeit zwischen den Charakteren umherschalten kann.


Gut gemeint, schlecht umgesetzt 

An sich ist die Idee mit dem Ring-Menü nicht schlecht und zwingt den Spieler zum Nachdenken, da verschiedene Gegner anfällig für unterschiedliche Angriffe sind. Doch sind die Helden selbst unausbalanciert. So bewegt sich Arkail sehr langsam und braucht gefühlte Ewigkeiten zum Schlagen. Da die Kämpfe aber immer gegen mehrere Feinde stattfinden (teils sieht man sich fünf bis sechs Soldaten gegenüber), können die gegnerischen Attacken schnell im Tod des Orcs resultieren. Und das nur, weil Arkail einfach zu träge und schwerfällig ist. Da hilft auch das Ausweichen der Angriffe nichts. Bei Styx herrscht ein anderes Problem. Der Goblin ist zwar flink, besitzt aber wenig Lebensenergie. Und steht er einer Übermacht von mehreren Menschen vis-a-vis, die gleichzeitig auf ihn einschlagen, ist der virtuelle Tod nicht weit.

Den Entwicklern war dieser Umstand wahrscheinlich bekannt. Eine andere Erklärung für das viele Zwischenspeichern habe ich sonst nicht. In den Schlauchlevels sichert das Spiel alle paar Meter den Fortschritt. Meist kurz vor oder nach einem Kampf. So gingen die Cyanide Studios wohl sicher, dass kein großer Frust aufkommen soll, da man nach einem verlorenen Kampf wieder kurz davor anfangen kann. Ich hätte mir aber lieber ein normales Echtzeitkampfsystem á la Darksiders 2 oder Kingdoms of Amalur  ewünscht, dann wäre auch der Spielspaß in weitaus höher ausgefallen. Bitter ist, dass das Kampfsystem bereits bei Game of Thrones genauso mies war und die Entwickler scheinbar nichts aus dem Feedback der Presse und Fans gelernt haben.

Der Frust und der Rest des Gesamtpakets

Dazu kommen die Spezialfähigkeiten der Hauptcharaktere, die zumindest beim Orc einen faden Nachgeschmack hinterlassen. Wo der Goblin sich noch unsichtbar machen und Feinde geräuschlos abmurksen kann, verfällt Arkail in den Kämpfen regelmäßig in Rage. Dass passiert, wenn ihm die Hälfte seiner Energie abgenommen wird. Sofort färbt sich der Bildschirm rot und der Orc schlägt unkontrolliert um sich. In dieser Zeitspanne von mehreren Sekunden könnt ihr nichts machen. Und Arkail achtet nicht darauf, wen er angreift.

Beispiel: Es greifen vier Gegner an. Zwei Soldaten und zwei Bogenschützen, die von einem Vorsprung aus schießen. Wenn Arkail in Rage fällt, schlägt er zwar die Soldaten kurz und klein, erreicht aber die Bogenschützen nicht. Und so drescht er auf seinen Verbündeten ein, was zu einem schnellen Tod von Styx führt. Und wenn dann noch die Pfeilführer den Riesen fällen und man beide Charaktere verliert, ist der Frust riesengroß! Ich wollte mehrmals den Controller gegen die Wand schmeißen und das Spiel zum Teufel schicken, hab‘s dann aber wegen der tollen Geschichte und der stimmigen Präsentation nicht gemacht.

Nehmen wir die Schlauchlevel und das Kampfsystem beiseite, erwartet den geneigten RPG Fan solide Kost bei Of Orcs and Men. Im Kampf sammeln die Helden genretypisch Erfahrung und steigen Level. Dann können verschiedene Attribute wie Stärke oder Ausdauer gepusht und neue Moves, bzw. Aktionen (wie z. B. Heilung) erlernt werden. Hier findet man nichts, was man nicht schon bei den anderen Genrevertretern gesehen hat. Und wäre da nicht wirklich die erwähnte Handlung, die gekonnt gezeichneten Charaktere und eine rundum spannende Welt, würde Of Orcs and Men schnell im Sumpf der unterdurchschnittlichen Spiele verschwinden.


Motiviert wie ein gutes Buch

Eingangs zog ich den Vergleich mit einem Roman. Wie in einem Buch, das zum Weiterlesen motiviert, weil es einfach spannend ist, gestaltet es sich hier nicht anders. Aber auch die Grafik und das Artdesign spielen eine große Rolle. Obwohl Cyanide Studios‘ neuestes Werk technisch nicht mit anderen RPGs mithalten kann, erzeugt es durch die schön animierten Charaktere und die tollen abwechslungsreichen Gebiete einen ganz eigenen Reiz. Der Spruch »Ah, das nächste Kapitel noch!« beim Lesen eines interessanten Romans trifft hier ebenfalls zu. Ich wollte einfach sehen, wohin es den Orc und den Goblin als folgenden Abschnitt verschlägt. Dabei variieren die Areale stark. So geht es in einem Waldgebiet los, bevor man sich in den verregneten Straßen einer Stadt wiederfindet und in modrigen Katakomben auf Menschenjagd geht.

Was die Texturqualität angeht, ist das Rollenspiel zweischneidig. Vor allem die Hauptcharaktere glänzen und einige Gebiete laden zum Träumen ein. Auf der anderen Seite finden sich viele matschige Texturen und eckige Nebenfiguren mit hakeligen Animationen. Hier hätten die Entwickler weitaus mehr Feintuning an den Tag legen müssen. Ohne Fehl und Tadel ist der Sound - naja, fast zumindest. Obwohl die deutsche Synchronisation sehr gut ist, fand ich die Arkails Stimme ein wenig zu hoch und für einen Orc unpassend. Alle anderen Sprecher machen ihren Job aber gut. Die stimmigen Melodien tragen zusammen mit dem gelungenen Artdesign viel zur Stimmung bei, was mir hier mehr wert war als die reine Grafikpracht.

Schlusswort

Und wie ein toller Fantasy Film oder ein spannendes Buch ist auch Of Orcs and Men recht schnell vorbei, wenn man einmal angefangen hat. Nach gut 10 bis 12 Stunden ist das Spiel Geschichte, die Hauptquest gelöst und die wenigen Nebenaufgaben erfüllt. Zwar bleibt ein kleiner Nachgeschmack, doch insgesamt empfand ich die Länge genau richtig. Klingt bei einem Rollenspiel vielleicht kontrovers, passt bei Of Orcs and Men aber.

Letztendlich kann ich das Spiel nicht ohne Weiteres empfehlen, da einfach zu viele Schwächen vorliegen. Linearer Ablauf, stupides und teils unfaires Kampfsystem und die Rage des Orcs vermiesen den Spielspaß deutlich. Auf der anderen Seite machen die tollen Charaktere, der spannende Plot und das wunderschöne Artdesign einiges wett. Dazwischen bleiben solide RPG-Elemente und eine zweischneidige Grafikengine mit tollem Sound zurück. Rollenspieler wie ich, mit einem Drang nach neuen Welten abseits der bekannten RPG Reihen riskieren einen Blick, alle anderen und vor allem Neulinge schauen sich bei der Konkurrenz um. Vor allem Fans von Stan Nicholls, Christoph Hardebusch und Co. könnte das Spiel trotz allem gefallen. Wäre das hier ein klassisches Review, würde am Ende eine 7 von 10 möglichen Punkten stehen. ;)




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10 1 Stimmen
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Forum
  • von Phill XVII:

    Ich glaub meins bleibt dann noch bis zum Ende aller Tage verschweißt. ...

  • von Pandemonium:

    Hab's eben zuende gespielt ... und bin froh, dass es vorbei ist. Mit einem RPG hat das nichts zu tun gehabt. Alles sehr rudimentär. Aber damit hätte ich kein Problem gehabt, mit den langweiligen Schlauchlevels und den immer gleich ablaufenden Kämpfen schon eher. Die handvoll Items, die man...

  • von Reigam4711:

    wollte es damals unbedingt haben, dann hatte ich es und habs nur kurz gespielt weil es mich nicht gekickt hat. schade..

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