Bewusst habe ich mich nach der Bekanntgabe des neusten JRPG von Gust nicht informiert, weil ich neutral an die Sache herangehen wollte. Und Junge, was wurde ich überrascht! Zur Geschichte: Firis Mistlund fristet als Erzsammlerin in der unterirdischen Minenstadt Ertona ein leidiges Leben, da sie nie die Außenwelt betreten durfte, während ihre ältere Schwester Liane, ausgebildete Jägerin, dies stets tut. So sitzt Firis oft an dem Haupttor und hofft auf ein Wunder, welches ihr den Weg nach draußen öffnet. Dieses passiert, als Alchimistin Sophie, die Protagonistin des Vorgängers, und ihre Begleiterin Plachta erscheinen. Schnell erkennt Sophie, dass die zurückhaltende Erzsammlerin das Zeug hat, eine gute Alchimistin zu werden und unterweist sie anfangs auf diesen Weg. Bald spricht sich das rum, und da sowieso kein Alchimist in der Minenstadt ansässig ist, kann Firis ihre Eltern und den Bürgermeister davon überzeugen, dass es eine gute Idee ist, wenn sie diesen Job übernimmt.
Doch um eine ausgebildete Fachkraft zu sein, muss sie die Alchimie-Prüfungen bestehen, die nur außerhalb von Ertona stattfinden. So hat sie endlich die Chance die Außenwelt zu sehen. Aber die Sache hat einen Hacken: Sie muss das Examen innerhalb von knapp 360 Tagen schaffen, sonst bleibt ihr der weitere Aufenthalt in der Oberwelt verwehrt. Und so zieht die noch unerfahrene Alchimistin mit ihrer Schwester los, um die Vorrausetzungen der Prüfung zu erfüllen. Mit dieser Grundprämisse wurde das Gamedesign der Serie einer Generalüberholung unterworfen, die, wie ich finde, endlich an der Zeit war. Muste man bei den Vorgängern noch nach einer Sammeltour zurück ins heimische Atelier, bekommt Firis eine mobile Variante von Sophie in die Hand gedrückt, wo ihr an der Feuerstelle quasi euer Zelt aufschlagt. Das bedeutet, dass ihr fortlaufend in der Flora seid.
Waren die besuchbaren Bereiche in der Vergangenheit recht klein und unspektakulär designt, wirken die Außenareale im Vergleich dazu riesig und geben dem Spiel mehr das Gefühl, ein echtes Rollenspiel zu sein. Zum ersten Mal wird mein Erkundungstrieb auch in einem Atelier-Spiel geweckt, wo es allerhand zu entdecken gibt. Mit Schatzkisten und Neue Materialen werdet ihr häufig belohnt, wenn ihr die Gegend ausgiebig erkundet. So laden weite Steppen und dunkle Höhlen dazu ein, dort zu länger verweilen. Bedauerlicherweise trübt das Zeitlimit, obwohl großzügig bemessen, immer wieder denn Erkundungsdrang, da ein Tag in nur wenigen Minuten an euch vorbeifliegt. Doch wer sich damit arrangieren kann, wird trotzdem seine helle Freude mit dem Spiel haben. Denn viele NPC‘s in Dörfern oder die ihr auf eurer Reise trefft, geben Quests, die zwar vom Aufbau immer gleich sind, einen aber trotzdem beschäftigen und unterhalten. Meist gilt es jemanden Zutaten oder Selbstgebrautes zu überreichen oder einen gewissen Bereich von Monstern zu säubern.
Eure Party lässt sich mit neuen Probanden vergrößern, denen ihr auf der Reise begegnet. Das Kampfsystem wurde im Vergleich zum Vorgänger komplett übernommen und spielt sich gut, könnte aber ein bisschen dynamischer wirken. Doch die Scharmützel waren nie die Stärke der Atelier-Serie.
Dafür befriedigt das Alchimistensystem ungemein. Dies wurde aus dem Vorläufer Atelier Sophie übernommen und leicht verbessert. Die so wichtigen Rezepte erlernt ihr, sobald ihr euch in der Gegend bewegt, Items sammelt oder mit Leuten redet. Vorher gesammelte Materialien wählt ihr immer noch aus einem Pool und müsst bei Zusammensetzung auf die Qualität achten, um das beste Resultat zu erreichen. Ist dies getan, solltet ihr diese auf einem Spielbrett richtig anordnen. Hierbei lässt sich je nach Erfahrungslevel ein anderes Spielbrett wählen, um je nach Objekt mehr Bonis zu erspielen. Ist das vollbracht, könnt ihr zuguterletzt Skilleffekte hinzufügen. So lässt sich eine breite Palette von Items eigenhändig herstellen. Von Heilmitteln, über Bomben, bis zu Rüstungen und Waffen ist einiges vorhanden. Das Coole dabei ist, dass ihr diese selbst benutzen könnt und dies Auswirkungen im Kampf haben. Beispiel: Habt ihr beim Zusammensetzen einer Bombe das Standardrezept verwendet, funktioniert diese zwar, aber wenn ihr mit den Zutaten experimentiert, werdet ihr feststellen, dass man Zusatzeffekte und Stärke beeinflussen kann, die, richtig angewandt, Vorteile verschaffen.
Neu hinzugekommen ist ein Ausdauersystem, welches abnimmt, sobald ihr in der Fauna unterwegs seid. Neigt es sich gen null, solltet ihr euer Zelt aufschlagen und im mobilen Atelier das Bett aufsuchen. Mit genügend Schlaf füllt sich die Anzeige auf und ihr heilt eure komplette Party. Grafisch ist Atelier Firis der schönste Ableger seiner Zunft, zumindest auf der Playstation 4. Sobald ihr die Minenstadt verlassen dürft, wird das Auge mit wunderschöner Animeoptik und detaillierten Charaktermodellen belohnt. Die verschiedenen Tageszeiten und die Lichtstimmungen, die dabei entstehen, wirken in einigen Moment wirklich zauberhaft und das gepaart mit der offenen Umgebung lässt den neusten Ableger der Atelier-Reihe in einem neuen Licht erstrahlen. Auch die großen Areale, die viel natürlicher und weniger austauschbar wirken wie noch bei Atelier Sophie, tragen dazu bei, dass das Allgemeinbild sehr stimmig wirkt. Bedauerlicherweise gibt es ein kleines Manko bei der Sache. Das Spiel wird von Pop-Ups quasi übersät. Merken tut ihr das nicht, wenn ihr mit der Probandin stehen bleibt. Doch sobald ihr los lauft, werdet ihr feststellen das Schatten, manche Texturen oder ganze Objekte ins Bild ploppen. Während das Erscheinen von Bäumen, Häusern oder Berge aus der Ferne das kleinere Übel darstellt, stören die aufploppenden Schatten und detaillierten Texturen auf Steinen oder Fassaden schon mehr. Aber ich glaube mit ein paar Patches sind diese technischen Ungereimtheiten schnell beseitigt.
Obwohl ich mit dem Hauptcharakter nicht ganz grün wurde, haben mich die Neuerungen bei Atelier Firis: The Alchemist and the Mysterious Journey durchweg begeistert. Und das zeigt mir das Gust auf dem besten Weg ist, die Serie in die richtige Richtung zu lenken, so dass auch ein breiteres Publikum davon Kenntnis nimmt. Der nächste logische Schritt wäre ein verbessertes Kampfsystem und eine besser angepasste Lokalisation. Also los Gust, ran an die Arbeit!