

Zu Beginn des Spiels führt euch eine schicke Intro-Sequenz in die Story von Gothic 3 ein. So wurde das Menschenreich von Myrtana nach einem erbitterten Krieg von Orks überrannt, die nun einen Großteil der Menschen versklavt halten und kurz vor der Eroberung der Hauptstadt Vengard stehen. Ihr schlüpft in dieser Situation erneut in die Rolle des namenlosen Helden aus den beiden Vorgängern, der sich fortan seinen Weg durch die riesige Welt Myrtanas bahnen muss und dabei in typischer Rollenspiel-Manier zahllose Kämpfe, Quests und Dialoge bestreitet.


Direkt nach eurer Ankunft in Myrtana geratet ihr in einem verschlafenen Küstenort hierbei in einen Kampf mit den Orks und könnt somit umgehend die grundlegende Spielmechanik von Gothic 3 erlernen. So steuert ihr euren Charakter entweder aus der Third- oder First Person Perspektive, macht mit Hilfe der Maustasten durchschlagenden Gebrauch eures Schwertes und übt euch selbsverständlich auch im Fernkampf mit Bogen und Magie. Während der Kämpfe solltet ihr übrigens stets ein Auge auf die Energie-, Mana- und Ausdauerleisten am unteren Bildschirmrand haben, um in brenzligen Situationen möglichst schnell einen nützlichen Trank einzusetzen. Habt ihr die Ork-Besatzer schließlich erledigt, erhaltet ihr zahlreiche Erfahrungspunkte und könnt damit den ersten Level-Aufstieg verbuchen.


Die Entwicklung eures Charakters in Gothic 3 basiert dabei auf Attributen wie Stärke, Jagdgeschick, Diebeskunst, Wissen oder Alchemie, die sich mit Hilfe sogenannter Lernpunkte aufwerten lassen. Diese Lernpunkte erhaltet ihr für jeden Levelaufstieg und könnt sie daraufhin bei zahlreichen Trainern innerhalb der Spielwelt in verbesserte Attribute umwandeln. Mit Hilfe der Trainer lassen sich ebenfalls einige Talente erlernen, die euch nützliche Vorteile wie Spezialfähigkeiten (z.B. Kampf mit zwei Schwertern) oder neue Interaktionsmöglichkeiten (z.B. Schwere Schlösser knacken) eröffnen. Gothic 3 bietet euch somit ein sinnvolles und vielfältiges System zur Charakterentwicklung, mit dem ihr die Geschicke eurer Spielfigur völlig individuell ausrichten könnt.


Die Gothic-Serie bezog ihren besonderen Reiz schon in den Vorgängern aus der riesigen, frei begehbaren Spielwelt. Die Entwickler setzen diese Tradition mit Gothic 3 gekonnt fort und bieten euch mit Myrtana ein wundervolles Fantasyreich, dessen detailverliebte Städte und Landschaften nur so vor Leben strotzen und stets zu neuen Abenteuern einladen. So führt ihr serientypisch deftige Dialoge mit den oftmals ulkigen Bewohnern der Welt, geht in den wildreichen Wäldern auf Jagd oder betreibt euch in den belebten Städten einfach nur als Beobachter des bunten Treibens von arbeitenden Sklaven, Orks und Söldnern. Die Welt Myrtana vermittelt somit von den heißen Wüsten des Südens über die grünen Wiesen und Wälder des Mittelreiches bis in die verschneiten Berge Nordmars eine fantastische Atmosphäre, die in dieser Form bislang kaum ein Rollenspiel erreicht hat.


Doch auch in spielerischer Hinsicht weiß der Titel aus dem Hause Piranha Bytes in vielen Punkten zu gefallen. Unter anderem ist das Design der Quests äußerst abwechslungsreich ausgefallen, sodass ihr neben typschen Kampf-, Dungeon- und Transportmissionen auch ungewöhnliche Aufträge von den Bewohnern Myrtanas erhaltet. Beispielsweise werdet ihr auf die Suche nach seltenen Kräutern entsandt, müsst Pachtgebühren von Bauernhöfen eintreiben, oder gar mit Hilfe eurer Diebeskünste besonders wertvolle Gegenstände erbeuten. Die riesige Palette an Aufgaben lässt in Gothic 3 dabei nie Langweile aufkommen, da euch die interessanten und vielseitig lösbaren Quests stets zum Weiterspielen animieren.


Im Zusammenhang mit den Aufträgen kommt auch das komplexe Politik-Feature des Spiels zum Tragen. So erwarten euch in Myrtana mehrere Gruppen, die ihr mit der Erfüllung von Quests unterstützt. Beispielsweise könnt ihr entweder auf Seiten der Orks kämpfen und die Versklavung der Menschen vorantreiben, oder aber für die menschlichen Rebellen arbeiten und die Besatzung der Orks offen anfechten. Eure Entscheidungen beeinflussen dabei die Entwicklung der gesamten Spielwelt und eröffnen euch weiterhin durch ein gesteigertes Ansehen neue Handlungsmöglichkeiten (Quests, Rüstungen etc.) innerhalb der Gruppierungen. Dieses Feature wirkt sich für das Gameplay überaus positiv aus, da es den non-linearen Aspekt des Titels und die Dynamik der Spielwelt nochmals unterstreicht.


Allerdings lassen sich auch einige schwerwiegende Mängel im Spielgeschehen von Gothic 3 nicht verschweigen. Das Kampfsystem mit Schwert, Axt und Co. machte uns gerade zu Spielbeginn gehörig zu schaffen, da sich die Nahkampf-Gefechte äußerst schwerfällig und unpräzise zeigten. Zwar lassen sich mit mehr oder weniger langen Mausklicks viele ansehnliche Kombos und Spezialattacken auf den Bildschirm zaubern, allerdings hilft euch das während der Kämpfe nur wenig, da sich die Gegner praktisch nur mit schnell aufeinanderfolgenden Attacken besiegen lassen. Bestes Beispiel hierfür sind die berüchtigten "Killerschweine", denen ihr keinerlei Möglichkeit zum Kontern geben dürft, da sie euch sonst unausweichlich mit einer Reihe schneller Angriffe auf die Hörner nehmen. Gerade im Kampf gegen mehrere Angreifer arten die Gefechte somit zu hektischen Knopfdruck-Orgien aus, die viel eher Frust als Spielspaß vermitteln. Ebenfalls ärgerlich sind die KI-Aussetzer der NPCs, die sich beispielsweise während eines Kampfes an Häuserkanten verfangen oder als eure Gefährten stets den Kontakt zu euch abbrechen lassen.


Im Vorfeld bereits hitzig diskutiert wurden zahlreiche Bugs und Glichtes in Gothic 3, die den Titel stellenweise unspielbar machen sollten. Für den Test haben wir daher vorsorglich den zum Release veröffentlichten ersten Patch installiert und daraufhin nach technischen Ungereimtheiten in Myrtana Ausschau gehalten. Tatsächlich konnten wir dabei zahlreiche Grafikfehler und sogar Quests-Bugs feststellen, die die Erfüllung einzelner Aufträge unmöglich machten. Zudem kam es immer wieder zu Abstürzen und Aufhängern, was den Titel im Endeffekt leider recht unfertig aussehen ließ. Hier hätten die Entwickler einfach noch einige Wochen mehr Arbeit ins Finetuning investieren müssen, anstatt den Titel nun mühsam mit einzelnen Patches zu flicken.


Mit der Grafik will ich mich nun aber wieder den überwiegend schönen Seiten von Gothic 3 zuwenden, denn hier haben die Entwickler vom Design der Spielwelt über den Detailgrad der Landschaften bis hin zu den Effekten einfach alles richtig gemacht. So bietet euch Myrtana detailreiche Wälder und Wiesen, plastische Texturen sowie herrliche Schatten- und Wassereffekte, was Gothic 3 abgesehen von Clipping-Fehlern und vereinzelten Pop-Ups eine beeindruckende grafische Opulenz verleiht. Diese Grafikpracht wird allerdings auch mit langen Ladezeiten und sehr hohen Hardware-Anforderungen erkauft, sodass nur Rechner der höheren Klasse den Titel in Sachen Performance und Detailgrad handhaben können. Bedingungslos herausragend präsentierte sich dagegen der Sound des Spiels, der mit einem fantastischen orchestralen Soundtrack und der umfangreichen wie gelungenen deutschen Synchronisation punktete.


Minimale Systemvoraussetzungen
Windows 2000/XP
Intel Pentium 4 (2 GHz) oder vergleichbarer Athlon
1024 MB RAM
Direct3D-kompatible Grafikkarte mit 128 MB und Shader Model 1.4
4,6 GB freier Festplattenspeicher
Gothic 3 entpuppte sich für mich als wahrhaftes Wechselbad der Gefühle. Einerseits konnte ich mich der wundervollen Atmosphäre der Spielwelt kaum entziehen und musste den vielfältigen Quests und Handlungsmöglichkeiten mit ihren politischen Auswirkungen stundenlang nachgehen. Andererseits ärgerte ich mich über das schwerfällige Kampfsystem und die zahlreichen Bugs, die die Spielerfahrung stellenweise wirklich negativ beeinflussten. Letztendlich überwiegen meiner Meinung nach jedoch die positiven Seiten des Spiels, die Gothic 3 für Fans westlicher RPGs mit entsprechender Hardware-Ausrüstung einfach unverzichtbar machen. Der Ausflug nach Myrtana zahlt sich also trotz aller offensichtlichen Mängel definitiv aus!