Velvet Assassin im Test

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Das Genre der Stealth-Spiele erfreut sich großer Beliebtheit, ist auf der aktuellen Konsolengeneration aber nur spärlich mit qualitativ hochwertigen Ablegern vertreten. Neben Ubisofts Splinter Cell-Reihe für die Microsoft-Konsolen und der Metal Gear-Solid-Franchise auf den Sony-Systemen gibt es nicht viele Schleichspiele, die wirklich erwähnenswert wären. Mit Velvet Assassin möchte Publisher SouthPeak Games diesen Zustand nun ändern und versucht sich ebenfalls in die Riege der großen Vorbilder einordnen, ob das gelingt?!


Das Grundkonzept klingt doch schon mal nicht schlecht - Velvet Assassin ist ein Stealth-Titel, der uns im wohl bekannten WW2-Setting riskante Aufträge aus der Sicht der britischen Geheimagentin Violette Summers hautnah miterleben lässt. Im Gegensatz zu herkömmlichen Shootern die während dem zweiten Weltkrieg spielen, nehmen wir aber weder am Sturm auf die Normandie, noch Kämpfen an der Ostfront oder dem Angriff auf Berlin teil, sondern agieren das gesamte Spiel über versteckt hinter feindlichen Linien. Das ist aber nicht der einzige Punkt in dem sich Velvet Assassin von anderen Action-Games unterscheidet, denn auch der Erzählstil fällt etwas unkonventionell aus. So läuft die Geschichte des Spiels nicht in Echtzeit ab, sondern wird in Rückblenden erzählt die aus Violettes Erinnerungen entstehen.

Frankreich, 1944 – Wir finden uns auf der Krankenstation eines Klosters wieder, unsere Titelheldin liegt schwer krank in einem Bett und wird von Fieberträumen geplagt… Im komatösen Zustand lässt Violette all ihre gefährlichen Missionen Revue passieren, wobei der Spieler in die Rolle der jungen Britin schlüpfen darf. Die ist übrigens alles andere als das nette Mädchen von nebenan, als eiskalte Killerin ist sie sowohl im Nah- als auch im Fernkampf ausgebildet, kennt weder Skrupel noch Gnade und geht im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen um ihre Ziele zu erreichen. Diese bestehen in erster Linie aus Informationsbeschaffung, Sabotage-Aktionen oder Auftragsmorden ranghoher Offiziere des Nazi-Regimes.



Dennoch, Violette ist keine unbesiegbare Kampfmaschine und demnach extrem anfällig für Angriffe jeglicher Art. Schon wenige Kugeln reichen aus um den Game Over-Bildschirm erscheinen zu lassen. Feuergefechte oder Rambo-Taktik? Fehlanzeige! Velvet Assassin ist ein Stealth-Game in Reinkultur, also steht Schleichen und Anpirschen auf der Tagesordnung. Wie ihre Genre-Kollegen Sam Fisher oder Solid Snake agiert Violette ausschließlich aus dem Verborgenen heraus. Meist haben wir ohnehin keine andere Wahl, chronischer Munitionsmangel zwingt uns quasi zum lautlosen und vorsichtigen Vorgehen. Die einzige Waffe auf die wir uns wirklich immer verlassen können ist ein Kampfmesser dass wir stets bei uns tragen.

Das Spielprinzip ist verhältnismäßig schnell erklärt und hat viele abwechslungsreiche Aufträge zu bieten. Ziel ist es die einzelnen Abschnitte möglichst unentdeckt zu durchqueren um wichtige Informationen zu besorgen, die Kommunikationstechnik der Nazis lahm zu legen, ihre wertvollen Ölvorkommen in die Luft zu jagen, Bunkeranlagen zu infiltrieren, Verräter zu enttarnen oder bedeutende Personen zu liquidieren. Oft sind die ausschweifenden Missionen in mehrere Unterpunkte aufgeteilt und laufen nach einem ähnlichen Schema ab, dazu ein kleines Bespiel: Um ein Diesel-Lager in die Luft zu sprengen benötigen wir Sprengstoff und eine Gasmaske, diese Dinge finden wir in weit verzweigten Bunkeranlagen unter der Erde. Erst nachdem wir die notwendige Ausrüstung beschafft haben öffnet sich die Tür zum Lager… Als nächstes heißt es Gasmaske aufsetzen, alle störenden Wachposten eliminieren, den Sprengstoff platzieren und die Beine in die Hand nehmen.



Um die ohnehin schon risikoreichen Vorhaben nicht gänzlich unmöglich zu gestalten sind sorgfältige Planung und Ausführung natürlich ein absolutes Muss... Schatten, Mauern, Kisten, Büsche oder hohes Gras sind hervorragend dazu geeignet um uns den wachsamen Blicken der Wehrmacht-Soldaten zu entziehen. Eine violette Anzeige im unteren linken Bildschirmrand informiert uns jederzeit darüber ob wir gut versteckt sind, oder Gefahr laufen entdeckt zu werden. Allerdings wird schnell klar dass man sich nicht ausschließlich darauf verlassen sollte, seltsamerweise werden wir nämlich oft erspäht obwohl wir für unsere Häscher eigentlich unsichtbar sein sollten. Und haben uns die Bösewichte erst einmal im Blickfeld ist ganz schnell Schluss mit lustig! Wie erwähnt ist die zarte Violette alles andere als unverwundbar und sind wir ertappt worden kommt es in 99% der Fälle zu einer Schießerei in der wir immer- und damit meine ich wirklich immer, den Kürzeren ziehen.



Oft ist es trotz ausgiebigen Schleichens unumgänglich störende Wachen oder andere Plagegeister aus dem Weg zu räumen. Führt wirklich kein Weg an einer Konfrontation vorbei, hat unsere wehrhafte Spionin ihre ganz eigenen Mittel und Wege um die gefährlichen Situationen in den Griff zu bekommen. Neben dem lautlosen Angriff mit dem Messer bei dem der Feind auf Knopfdruck hinterrücks gemeuchelt wird, oder einem gezielten Schuss aus der schallgedämpften Pistole verfügt Violette noch über einige äußerst hinterlistige Methoden zur kreativen Feind-Beseitigung.

So ist es zum Beispiel möglich gegnerische Einheiten durch Pfeifen anzulocken, einem vorbeilaufenden Soldaten den Sicherungsstift aus der Granate am Gürtel zu ziehen, Wasserpfützen unter Strom zu setzen, Ölpfützen samt darin stehenden Feinden anzuzünden oder einem ahnungslosen Wachmann die Gasmaske herunterzureißen um ihn den giftigen Dämpfen in einem Diesel-Lager zu überlassen. Zudem greift Violette auch hin und wieder zu Schrotflinte oder Scharfschützengewehr, was im gesamten Spielverlauf aber relativ selten vorkommt. Viel öfter sind wir auf leisen Sohlen unterwegs, verstecken uns in Toilettenhäuschen oder Schränken und wechseln bei Bedarf sogar die Kleidung um uns in SS-Uniform unerkannt an den deutschen Soldaten vorbei zu mogeln.

Um andere Wachposten nicht zu alarmieren können wir auch die Körper getöteter Feinde verstecken, wobei das kaum notwendig ist. Der sicherste Weg besteht nämlich einfach darin alle Gegner in den Levelabschnitten auszuschalten, dadurch können wir das Risiko dass hinterlassende Leichen entdeckt werden grundsätzlich vermeiden. Mit den Waffen erledigter Feinde können wir übrigens herzlich wenig anfangen, da sie schlicht und ergreifend nicht verwendet werden dürfen. Dennoch empfiehlt es sich ihre Taschen nach Schlüsseln oder anderen Objekten zu durchsuchen.



Durch das Aufsammeln von Objekten, den sogenannten Sammlerstücken und lautlose Kills erhalten wir Erfahrungspunkte welche im Startmenü auf die Fertigkeiten Stärke, Schleichen und Morphium verteilt werden dürfen. Dieser kleine RPG-Aspekt wirkt motivierend, ist aber auch bitter notwendig um die späteren Missionen erfolgreich zu bestreiten. Durch das Verbessern ihrer Fähigkeiten wird Violette mit der Zeit zunehmend resistenter gegen Angriffe, schleicht schneller und kann mehr Morphiumspritzen mit sich tragen.

Sollten wirklich alle Stricke reißen und wir nicht in der Lage sein Feinde zu umgehen, besiegen oder uns rechtzeitig zu verstecken muss das nicht zwingend den Tod zur Folge haben. Im Ernstfall können wir uns auch auf eine unserer kostbaren Morphium-Spritzen verlassen, die uns in ausweglosen Situationen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil verschafft. Auf Knopfdruck injizieren wir uns das Morphium, die Zeit steht einige Momente still, die Sicht verschwimmt und Violette bekommt die Chance zu flüchten oder eine Nahkampf-Attacke von vorne zu starten, welche ansonsten zum Scheitern verurteilt wäre. Natürlich steht uns diese Möglichkeit nicht dauerhaft zur Verfügung und sollte nur für Notfälle verwendet werden. Morphiumspritzen sind ebenso wie Munition oder Medi-Pack´s nur sehr spärlich in den Levels verteilt – Haushalten ist angesagt!

Aber auch diese kleinen Helferlein machen Velvet Assassin keinesfalls zum Zuckerschlecken. Genau genommen ist das Spiel bockschwer und richtet sich in erster Linie an Stealth-Profis. Man stirbt unzählige Tode bis die Wege und Aufenthaltsorte aller Wachen akribisch auswendig gelernt sind und man sich überhaupt dem Ziel nähert. Die wenigen und mitunter unverschämt weit auseinander liegenden Checkpoints tun ihr Übriges. Schon allein die Tatsache dass es gar kein „einfacher“ Schwierigkeitsgrad ins Spiel geschafft hat sollte Gelegenheitsspieler aufhorchen lassen, lediglich ein normaler- und der noch schwierigere Agent-Schwierigkeitsgrad stehen zur Auswahl.



Dazu gesellen sich einige inkonsequente Design-Schnitzer, so ist es zwar es möglich die Stromzufuhr und somit das Licht an manchen Stellen des Spiels auszuschalten um ungesehen weiter zu schleichen, aber das funktioniert nur durch das Ziehen eines Hebels! Das Löschen des Lichts mit einem gezieltem Schuss aus der Pistole ist nicht möglich. Außerdem funktioniert Violettes Stealth-Anzeige nicht immer, was dazu führt dass wir viel zu oft ohne eigenes Verschulden entdeckt werden. Auch das lautlose Meucheln funktioniert nur wenn wir uns direkt hinter einem Feind befinden! Stehen wir etwas schräg bzw. ein paar cm zu weit links oder rechts werden wir ertappt, fangen uns einen schmerzhaften Schlag mit dem Gewehrkolben ein und werden zum letzten Kontrollpunkt versetzt. Velvet Assassin treibt das Trial and Error-Prinzip definitiv auf die Spitze, was aber sowohl Frust verursacht als auch den Spielspaß negativ beeinflusst.

Immerhin bekommen wir eine schöne Optik geboten, Violette bahnt sich mit geschmeidigen Animationen einen Weg durch 12 abwechslungsreiche, aber äußerst linear gehaltene Abschnitte und besucht neben Militär-Barracken, Stützpunkten, Bunkern und Außenposten in Polen und Frankreich auch eine Kathedrale in Paris und ein Gefangenenlager der Wehrmacht, welches uns den Schrecken des Krieges auf ziemlich drastische Art und Weise vermittelt . Velvet Assassin hat definitiv nichts im Kinderzimmer verloren, nicht zuletzt wegen der ziemlich brutalen Stealth-Kills und der grundsätzlichen Thematik des Spiels ist die von der USK vergebene Ab 18-Freigabe absolut gerechtfertigt.



Der Titel präsentiert sich in einem eleganten Film Noir-Stil der anhand der etwas überzeichneten Optik in gewisser Art und Weise an die Hollywood-Klassiker der 40er- und 50er Jahre erinnert. Die Mischung aus hellen, fast schon grellen Farben auf der einen und sehr blassen Farbtönen auf der anderen Seite vermittelt tatsächlich den Eindruck eines unwirklichen Traums oder einer Vision. Auch das Zusammenspiel aus Licht und Schatten ist den Entwicklern der Replay Studios hervorragend gelungen und lässt über die schwächelnde Mimik, einige Matsch-Texturen und die etwas steif geratenen Animationen mancher Figuren hinwegsehen. Ansonsten gibt es lediglich die geringe Gegnervielfalt und die allgemein recht unspektakulär ausgefallenen Feuergefechte zu bemängeln.

Die Vertonung muss sich ebenfalls nicht verstecken, die Sprecher wirken sehr professionell und vor allem die Synchronstimme unserer Titelheldin klingt herrlich britisch. Zwar wiederholen sich die Sprüche der Soldaten ab und an, dafür liefern Hintergrundmusik und Soundeffekte eine absolut akzeptable Vorstellung ab. Englisch-Kenntnisse sind nicht zwingend erforderlich, die Wehrmacht-Soldaten sprechen, wer hätte das gedacht – deutsch und alle Text-Passagen sind mit Untertiteln versehen, die sich aber leider nicht abschalten lassen.





Harry meint:

Harry

Im Großen und Ganzen hinterlässt Velvet Assassin einen guten Eindruck. Die atmosphärische Präsentation und spannenden Aufträge begeistern von Anfang an. Leider ist das Spiel an manchen Stellen nahezu unfair schwer und demnach absolut nicht für Anfänger geeignet. Außerdem fallen einige Design-Fehler negativ auf! Wer aber keine Probleme mit den endlosen Trial and Error-Passagen hat und sich für Schleich-Spiele begeistern kann wird viel Spaß an der knapp 12stündigen Kampagne des Titel haben. Letzten Endes reicht es zwar nicht um die Klasse eines Splinter Cell oder Metal Gear Solid zu erreichen, dennoch ist Velvet Assassin eine willkommene Abwechslung zu herkömmlichen 3D Person-Shootern und findet sicherlich seine Fans...

Positiv

  • Tolle Atmosphäre
  • Spannendes Missionsdesign
  • Interessante Titelheldin

Negativ

  • Endlose Trial and Error-Passagen
  • Sehr anspruchsvoller Schwierigkeitsgrad
  • Einige nervige Design-Fehler
Userwertung
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Forum
  • von Oli_1981:

    Schöner Test. Ich spiele das Spiel seit Gestern und mir gefällt's sehr gut. Ist zwar wirklich rel. schwer, aber ich finde das Zusammenspiel aus Optik/Setting/Thematik genial! Ich kann's echt nur jedem empfehlen, der was für WWII Spiele übrig hat. Endlich mal was richtig neues und kein Xtes MoH,...

  • von Mistercinema:

    Hochspannung beim Schleichspektakel im Dritten Reich. Kann Velvet Assassin auf der Xbox 360 wirklich komplett überzeugen? M.C....

  • von Black Sun:

    Original von a0lost0angel Ist die UK Version auch auf deutsch? Ich hab es hier liegen, konnte bislang aber noch nicht großartig spielen. Soweit ich das im Moment sagen kann, ist das Spiel englisch + DE Untertitel, wobei die deutschen Gegner auch deutsch reden....

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Velvet Assassin Daten
Genre Action
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz 50 / 60 Hz
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 10.07.2009
Vermarkter -
Wertung 7.6
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