
Auch Square Enix, der wichtigste Genreverantwortliche, schließt sich da nicht mehr aus. So erscheint nicht nur der nächste Star Ocean-Titel exklusiv auf der Redmonder Konsole, sondern (was ohne Zweifel noch bedeutender ist) erhält darüber hinaus auch eine Umsetzung des aktuell anstehenden Teils der wichtigsten und verkaufstärksten RPG-Marke überhaupt, nämlich Final Fantasy. Unzweifelhaft ein herber Verlust für Sony und ein großer Gewinn für Microsoft. Aber es gibt noch weitere untrügliche Indizien für den Wandel, unter anderem durch den Release von The Last Remnant, zu dessen Test wir uns heute hier eingefunden haben. Wobei der Titel, mit dem vor ca. einem Jahr veröffentlichten und auch von Square Enix entwickelten 'Infinite Undiscovery' vorwiegend eines gemeinsam hat, nämlich die untrüglichen und unübersehbaren Anzeichen dafür, dass sie vorrangig für den westlichen Markt entwickelt und somit auch an den dort vorherrschenden Geschmack angepasst wurden, was sich nicht nur durch das realistischere Artdesign, sondern auch durch das aktionreichere Gameplay ausdrückt. Womit sich natürlich eine überaus spannende Frage fast unweigerlich aufdrängt, nämlich ob die Macher diesmal etwas erfolgreicher bei genau diesen Bemühungen waren - finden wir es heraus.
Der wichtigste Aspekt in einem Rollenspiel ist, neben dem Kampfsystem, natürlich die Story, mit all ihren zugehörigen Elementen, wozu nicht nur die geschaffene Welt, sondern auch die Personen, die in ihr agieren, gehören. Bei eben dieser Erschaffung hat sich Square Enix zumindest auf den ersten Blick nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert und so einige Standartelemente verwendet, die man genau so auch schon in ca. 100 anderen Spielen gesehen und erlebt hat. So steuert und begleitet man Rush, einen unbekümmerten, reinen und pflichtbewussten Jungen vom Lande, der durch ein unerwartetes und tragisches Ereignis, nämlich der Entführung seiner Schwester, in eine globale Krise geworfen und sich nach und nach als Retter der Welt erweisen wird. Die titelgebenden Remnants, uralte Artefakte mit unvorstellbarer Macht, nehmen im Laufe der Geschichte natürlich auch eine gewichtige Rollen ein.

Doch trotz des überaus schwachen Einstands weiß die Geschichte dank der gebotenen Tiefe, den vielen Wendungen und den sympathischen Figuren insgesamt überraschend schnell zu gefallen. Wobei die zu erzählende Story hauptsächlich durch die vielen und teilweise richtig langen Zwischensequenzen getragen und erzählt wird, welche allesamt zwar „nur“ in etwas verbesserter Spielegrafik gehalten, aber qualitätiv doch überraschend hochwertig ausgefallen sind. Was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass es bei der Entwicklung ein absolutes Novum gab: so fand hier keine hausinterne Entwickler-Engine, wie sonst der Regelfall, sondern die von Epic Games höchst persönlich entwickelten Unreal 3 Engine ihren Einsatz. Das hebt die Erwartungen natürlich maßgeblich an, laufen doch unter anderem die Grafikbomben BioShock und ein beliebter, indizierter Epic-Shooter auch mit ihr. Und was soll man sagen, die Grafik kann zwar sicherlich nicht mit diesen Mörder-Titeln mithalten, trotzdem ist das Geschaffene nicht nur insgesamt sehr stimmungsvoll, sondern teilweise richtig beeindruckend. So wissen die pompösen Kulissen und die zahlreichen Effekte genauso zu gefallen wie die detailreichen Figuren und die einladenden Landschaften mit ihrem Texturreichtum. Aber trotz dieser auf der einen Seite überaus positiven Aspekte, gibt es auf der anderen untrügliche Anzeichen dafür, dass Square Enix die Engine nicht vollkommen im Griff hatte. So kranken nicht nur die Kampfszenen an argen Framerateeinbrüchen, sondern auch an heftigen Texturnachladern.
Darüber hinaus fehlt es aber auch dem Speichermanagement an Optimierung, denn die viel zu häufigen und unverschämt langen Ladezeiten machen das Spiel fast unspielbar. Wohl denen, die noch 6 GB freien Speicherplatz auf ihrer Festplatte zur Verfügung haben und somit das Spiel auf selbige installieren können, reduzieren sich die Probleme dadurch doch auf ein absolut erträgliches Maß. In dem Zusammenhang ist auch total unverständlich, dass nicht alle Szenen mit Sprachausgabe unterlegt worden sind und der Spieler sich so an vielen Stellen Texte durchlesen muss, was so einen unnötigen Stilbruch darstellt. Genau so sollte man nicht den Fehler machen, eine deutsche Sprachausgabe zu erwarten, die gibt es nämlich nicht, sondern nur eine qualitativ hochwertige englische. Zumindest haben es aber, ganz im Gegensatz zu Infinite Undiscovery, deutsche Untertitel ins Spiel geschafft, die auch sehr gut gelungen sind. Auch die epische Musik, mit ihren abwechslungsreichen und hochwertigen Stücken, kann zu jedem Zeitpunkt überzeugen, manchmal sogar begeistern.

Womit ich das Thema Präsentation jetzt aber abschließen und zu einem nicht weniger wichtigen Punkt kommen möchte, nämlich dem Kampfsystem. Anfangen möchte ich dabei mit zwei grundlegenden Erkenntnissen, zum einen dass die Kämpfe rundenbasierend ablaufen, zum anderen dass es keine Zufallskämpfe gibt, man also die Gegner nicht nur schon von weitem sehen, sondern sie auch umgehen kann. Dabei sollte man aber nicht den Fehler machen, einfach in einen Gegner hinein zu laufen, mit dem Ziel einen Kampf zu starten, denn das kann fatale Folgen haben, erhält der Kontrahent doch dadurch einige fast nicht wieder gutzumachende Vorteile. Nein, Kämpfe werden sinnvollerweise dadurch gestartet, dass man sich dem Gegner nähert, wartet dass sich das Symbol über ihm rot verfärbt und daraufhin den rechten Trigger des Xbox 360-Pads drückt. Durch die frühzeitig erlernbare Zeitlupenfunktion hat man auch die Möglichkeit, mehrere getrennte Gegner in einen Kampf zu verwickeln, wodurch ein Kampf zwar unberechenbarer und zweifellos schwieriger wird, die Belohnungen dafür aber auch üppiger und hochwertiger ausfallen, weshalb sich das Risiko in den meisten Fällen absolut lohnt.
Dabei stehen sich bei diesen Auseinandersetzungen keine einzelnen Kämpfer gegenüber, sondern ganze Verbände. Diese können aus bis zu fünf Mitgliedern bestehen, die logischerweise als Einheit fungieren, so dass die jeweiligen Lebens-, Aktions- und Angriffspunkte zusammenaddiert werden und fortan für die gesamte Gruppe gelten. Wird also ein Mitglied angegriffen, verringern sich die Lebenspunkte aller, was im schlimmsten Falle bedeutet, dass alle darin organisierten Kämpfer kampfunfähig werden, sobald selbige komplett zur Neige gehen. Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb man nicht den Fehler machen sollte, zu viele Einheiten in zu wenige Verbände zu stecken, denn man kann jedem Verband in jeder Runde nur einen einzigen Befehl geben, der daraufhin von allen Mitgliedern nacheinander ausgeführt wird. Umso weniger Verbände man also in eine Schlacht führt, desto weniger Möglichkeiten hat man innerhalb dieser auch. Darüber hinaus würden sich aber auch zu viele Gegner auf einen stürzen, was auch wieder fatale Folgen haben kann. Hier kommt dann eine zweite große Neuerung zum Tragen, nämlich der Kampfstatus.

So entstehen grundsätzlich Blockaden, sobald ein Verband einen anderen angreift, was nichts anderes bedeutet, als dass beide kämpferisch aneinander gebunden sind. Löst man diese Blockade, um zum Beispiel einem befreundeten Verband zur Hilfe zu eilen oder Heiliteams einzusetzen, ist man kurzzeitig den Angriffen des Gegners hilf- und schutzlos ausgeliefert, weshalb diese Maßnahme wirklich nur in absoluten Notfällen ratsam ist. Wenn nun eine solche blockierte Einheit von einer weiteren Einheit angegriffen wird, entsteht ein Flankenangriff, also ein nicht blockbarer Angriff. Richtig dramatisch wird es aber erst, wenn noch zwei weitere Angreifer hinzukommen (also insgesamt vier), denn dann kommt es zu einem verheerenden Angriff in den Rücken, was recht schnell das Ende eines Verbandes bedeuten kann.
Auch die sogenannte Interventionen, bei der ein Verband sich einem anderen Verband in den Weg stellt und so eine Blockade erzwingt, versprechen einen Angriffsboni, aber nicht nur das, denn eine solche Aktion wirkt sich auch auf die Motivation aus, wie alle anderen wichtigen Ereignisse auch. Hierbei kommt das integrierte Moral-System zum Tragen, welches in den Kämpfen eine nicht zu verachtende Rolle spielt, da motivierte Angreifer natürlich gefährlicher und effektiver sind als verängstigte.

Wobei die Möglichkeiten des Spieler hierauf gezielt und vor allem geplant einzuwirken sehr gering sind, da man die Verbände nicht frei bewegen, sondern nur die anzugreifenden Gegner auswählen kann. Aber auch die sonstigen Möglichkeiten in einen laufenden Kampf einzugreifen sind sehr marginal ausgefallen, was sich vor allem dadurch verdeutlicht, dass man seinen Mannen keine präzise Befehle geben kann, sondern nur die grobe Richtung vorgeben. So beschränken sich die Möglichkeiten auf die Auswahl: Angriff, Spezialangriff, Magie, Iteam und verschiedene Arten des Supports. Der Rest, sprich die nähere Auswahl, trifft jede Figur für sich alleine, abhängig von ihren momentanen Fähigkeiten, Status usw. Wobei man hier meist nur eine vom Spiel zusammengestellte Auswahl zur Verfügung gestellt bekommt. So kann es ohne weiteres passieren, dass man seine Mannen nicht heilen kann, weil der entsprechende Punkt einfach nicht zur Auswahl stand. Der Grund dafür bleibt dabei leider unerwähnt und das Spiel uns somit eine Erklärung schuldig.
Genau das gleiche Problem tritt beim undurchsichtigen Levelsystem auf, so erhalten die Figuren zwar nach und nach Attributsverbesserungen und neue Fähigkeiten, aber wann und warum sie diese nun erhalten bleibt dem Spieler verborgen und ist somit kaum nachvollziehbar. Auch beim Ausrüsten hat man dem Spieler viel (zu viel) aus der Hand genommen, so kann man grundlegend nur Rush und damit die Hauptfigur aktiv ausrüsten. Alle anderen Figuren erledigen das selbstständig, nämlich indem sie verschiedene Grundstoffe sammeln und sich daraus Waffen und Ausrüstungen bauen. Wobei leider nirgendwo einsehbar oder erkennbar ist, wie viel und vor allem welche Gegenstände sie zum Vollenden noch benötigen, womit die aktive Einflussnahme auch hier auf ein Minimum beschränkt wurde. Ein weiteres Problem ist, dass man die Gefährlichkeit der Gegners nicht vor der eigentlichen Schlacht abschätzen kann. So ist vorher nicht nur die Anzahl der Gegner und Verbände unbekannt, sondern auch deren Level und ist eine Schlacht erst einmal begonnen, gibt es keinerlei Fluchtmöglichkeiten mehr aus ihr - nur Sieg oder Tod.

Wobei einem hier die Möglichkeit überall speichern zu können und so an keine feste Speicherpunkte gebunden zu sein, zugute kommt. Was aber auch seine Nachteile haben kann, wird man so auch nicht mehr durch sie auf knapp bevorstehende schwierige Stellen (wie Endgegner) hingewiesen, weshalb man sich recht früh angewöhnen sollte, das Feature möglichst oft und ausgiebig zu nutzen, um unnötigen Frust so zu vermeiden. Denn nach dem Ableben geht es direkt und ohne Umweg zurück auf den Titelbildschirm. Nicht minder enttäuschend ist die konsequente und für ein Rollenspiel erschreckende Gradlinigkeit mit der das Spiel verläuft. Es gibt keine zusammenhängende Welt, die man auf eigene Faust erforschen kann, sondern nur einzelne Abschnitte, die nach und nach freigeschaltet und somit bereist werden können, verbunden nur durch eine alles umfassende Weltkarte. Das gleiche Problem tritt in den Städten auf, innerhalb derer man ständig auf die Karte zurück geworfen wird, anstatt nahtlos zum nächsten Viertel zu gelangen.
Square Enix ist bei dem Versuch das Spiel zu entschlacken und den Spieler so zu entlasten leider weit über das Ziel hinaus geschossen und beraubt ihn so auf breiter Front zahlreicher wichtiger Eingriffsmöglichkeiten und degradiert ihn so faktisch zum Zuschauer, womit er teilweise vollkommen schutzlos der Spielmechanik ausgeliefert ist, die Konsequenzen daraus aber weiterhin alleine tragen muss. Das lässt nicht nur ein Gefühl von Hilf- und Machtlosigkeit, sondern auch Frust aufkommen. Aber auch die technischen Schwierigkeiten, wie die langen Ladezeiten, die Einbrüche der Framerate und die Texturnachlader, die sich nur durch die Installation auf Festplatte auf ein erträgliches Maß abmildern lassen, ziehen das Spiel noch weiter unnötig in den Keller. Da stehen die wenigen gelungenen Elemente, wie die packende Story, die profesionelle Sprachausgabe, die epische Musik und auch die, abseits der technischen Schwierigkeiten, gelungene Grafik natürlich auf verlorenem Posten. Wirklich schade um die gelungenen Ansätze.