
Clubber Lang ist sauer! Was macht Mr. T eigentlich heute?
Spielerisch wurden ein paar kleine Veränderungen vorgenommen, aber die Grundlagen sind die gleichen geblieben. Noch immer gibt es vier Standard-Geraden, die mit Hilfe der Schulter- und Richtungstasten zu Schwingern oder Haken modifiziert werden können. Schnelle Finger sind äußerst hilfreich, da Kombinationen das beste Rezept für einen schnellen Sieg sind. Spezial-Manöver, die ein wenig Timing erfordern, den eigenen Schlagkraft-Balken deutlich schmälern und bei richtiger Anwendung verheerenden Schaden anrichten können, werden ebenfalls genau so ausgelöst wie früher, wodurch Bezwinger des ersten Rocky-Games problemlos auf einem höheren der drei Schwierigkeitsgrade einsteigen können.
Neu ist, dass man kurz vor einem Niederschlag die Möglichkeit hat, völlig auszurasten, um den Kampf doch noch zu den eigenen Gunsten zu drehen. Ist die Energie-Leiste äußerst kurz geworden, genügt ein Knopfdruck und die Geschwindigkeit des Boxers wird für kurze Zeit verdoppelt. Gute Kombinationen werden nicht nur mit Applaus des Publikums belohnt, sondern können auch dazu führen, dass eine Reihe von bis zu drei Spezialschlägen automatisch nacheinander ausführbar ist. Startet man einen solchen Wutausbruch zur richtigen Zeit, reicht der zugefügte Schaden normalerweise, um auch den härtesten Widersacher auf die Bretter zu schicken.
Die künstliche Intelligenz der computergesteuerten Gegner wurde etwas verbessert, hat aber noch immer ein paar deutliche Macken. Wer ein wenig geübt hat, wird kaum Probleme damit haben, die Taktik der anderen Boxer zu durchschauen. Die virtuellen Profis haben allerdings gelernt, sich besser aus heiklen Situationen zurückzuziehen, was zum Teil auch an einem neuen Manöver liegt, das es erlaubt, den Gegenspieler wegzuschubsen, um ein wenig Abstand zu gewinnen.
Aus den Filmen wissen wir, dass man problemlos viele Runden überstehen kann, ohne auch nur ein einziges Mal die Deckung hoch zu nehmen. Glücklicherweise hält sich das Game in diesem Punkt nicht ganz so nah an die Vorlagen. Blocken und Ausweichen spielen zwar erst auf den höheren Schwierigkeitsgraden eine Rolle, müssen dann aber doch beherrscht werden, wenn man einem echten Champion gegenüber steht.
Der Vergleich ist zwar etwas unfair, da Rocky Legends nicht den Anspruch erhebt, eine Simulation zu sein, aber dennoch muss gesagt werden, dass die intuitive Steuerung von Fight Night 2004 doch deutlich überlegen ist. Es wäre nett gewesen, wenn die Entwickler auch im neuesten Rocky-Abenteuer eine alternative Analog-Schlag-Steuerung integriert hätten oder zumindest der Wechsel in die Defensive ein wenig schneller ablaufen würde.

Das Schadensmodell ist wirklich gelungen. Ob Adrian ihren Rocky nach diesem Fight noch küssen will?
Das Herzstück des Games ist der Karriere-Modus. Hier darf man einen der bekannteren Prügelknaben der Filme bis zum Schwergewichts-Weltmeistertitel führen. Neben dem Namensgeber des Spiels stehen der Sunnyboy Apollo Creed, der Superfiesling Clubber Lang und die russische Vernichtungsmaschine Ivan Drago zur Verfügung. Obwohl diese Spielvariante dem Einzelspieler mehr Abwechslung bietet als es der Vorgänger konnte, wirkt sie doch ein wenig lieblos. Für Kenner der Filme ist es natürlich nett, ein paar Hintergrundinformationen aus den frühen Tagen der zukünftigen Superstars zu erhalten. In Apollos erstem großen Kampf gegen seinen späteren Trainer Tony Duke kann man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, wenn man den Afro des Protagonisten erblickt.
Trotzdem sind eine kurze Intro-Sequenz, 25 Boxmatches samt Trainingseinheiten und ein Endkampf mit Vor- und Abspann keine wirkliche Story. Hier hätte sich mit wenig Aufwand eine wesentlich bessere Atmosphäre erzeugen lassen und es ist äußerst schade, dass diese Gelegenheit verpasst wurde. Etwas seltsam ist, dass Tommy Gunn, der Bösewicht aus Rocky V, nicht in diesen Modus integriert wurde. Auch wenn der Film nicht so beliebt ist wie die anderen Teile der Saga, hätte das Game einfach kompletter gewirkt, wenn wirklich jeder wichtige Gegner des Helden mit von der Partie gewesen wäre.
Die Trainings-Einheiten, die im Karriere-Modus extrem wichtig sind, um Attribute wie Kraft, Geschwindigkeit und Kampfgeist zu verbessern, sind durchaus gelungen und lockern das Spiel zwischen den Kämpfen ein wenig auf. Unter den neun kleinen Geschicklichkeitsprüfungen finden sich sowohl altbekannte Mini-Games wie das Bearbeiten eines Sandsacks, als auch völlig neue Formen der Körperertüchtigung wie die Hühnerjagd aus Rocky II. Faule Zocker können automatisch trainieren, bekommen dafür aber nur die Hälfte der möglichen Punkte. Es dauert zwar eine Weile, bis man das richtige Timing für jede Trainingsmethode entwickelt hat, aber wenn man auf einem höheren Schwierigkeitsgrad in die Top Ten der Weltrangliste vorstoßen will, ist es doch extrem hilfreich, alles zu beherrschen.
Eine nette Idee ist, dass die Karriere-Boxer jeweils ein exklusives Mini-Game haben, wodurch zumindest ein wenig Abwechslung in den harten Sportleralltag kommt. Normalerweise ist es Haarspalterei, wenn man sich über Kleinigkeiten wie die Darstellung von Symbolen aufregt, aber bei Rocky Legends sind die vorgegebenen Tastenkombinationen bei einigen Trainings-Spielchen so winzig, dass man entweder einen sehr großen Fernseher oder extrem gute Augen braucht, um zu wissen, was gefordert wird. Gelungen ist allerdings die Möglichkeit, gegeneinander anzutreten und sich einen fairen Sit-Up- oder Kniebeugen-Wettkampf zu liefern statt sich immer nur zu verhauen.
Ungeduldige Zocker, die sofort kämpfen wollen, ohne ihren Schützling lange zu trainieren, dürfen sich natürlich in Schaukämpfen oder Turnieren austoben, wobei bis zu 16 menschliche Spieler um den Titel kämpfen können. Ein Überlebensmodus, der mit steigendem Schwierigkeitsgrad einen Gegner nach dem anderen in den Ring schickt, rundet die gute Auswahl an Modi ab.

Apollos Gegner streiten noch heute darüber ob sein linker Haken oder seine Frisur schrecklicher war!
Zur Steigerung der Motivation kann man in Rocky Legends jede Menge Goodies frei schalten. Nach jedem Boxkampf klingelt die Kasse und man wird nach Leistung und Schwierigkeitsgrad bezahlt. Die Preisgelder kann man anschließend im virtuellen Shop verprassen. Von Boxern über verschiedene Schauplätze bis hin zu den Kino-Trailern aller fünf Filme gibt es hier so viel zu entdecken, dass man schon wirklich verbissen bei der Sache bleiben muss, wenn man alles sehen will, was das Game zu bieten hat. Natürlich warten auch noch ein paar ganz besondere Überraschungen auf den Zocker, die zu Beginn noch nicht im Shop sichtbar sind.
Der Umfang von Rocky Legends wurde im Vergleich zum Vorgänger erheblich aufgepumpt. 44 Boxer warten diesmal auf eine Tracht Prügel. Jeder Kämpfer, der in den Filmen vorgekommen ist, auch wenn er nur namentlich erwähnt wurde, ist mit dabei, und über zwei Dutzend harte Männer wurden neu für das Spiel kreiert. Sogar Ludmilla Drago kann frei geschaltet werden und es ist irgendwie ein komisches Gefühl, wenn Sylvester Stallone seine Ex-Frau Brigitte Nielsen im Ring verprügelt. Nur nach Thunderlips, Hulk Hogans Figur aus Teil 3 der Reihe, sucht man wieder einmal vergebens, was aber verständlich ist, da sich ein Wrestler nicht ohne sehr großen Aufwand in ein Box-Spiel integrieren lässt. 20 unterschiedliche Schauplätze, die von einer Scheune in Sibirien bis hin zur ausverkauften Sportarena in Las Vegas alles bieten, was das Spielerherz begehrt, sorgen dafür, dass optisch sehr viel Abwechslung geboten wird.
Die grafischen Verbesserungen fallen erst auf den zweiten Blick auf. Das ohnehin schon geniale Schadensmodell wurde noch weiter verfeinert und so ist es nun auch möglich, Spuren auf dem Oberkörper seiner Gegner zu hinterlassen. Die Partikel-Effekte, mit deren Hilfe anfangs Schweiß und im späteren Kampfverlauf auch ein wenig roter Pixelsaft durch die Luft fliegt, fallen zwar während des Gefechts nicht stark auf, werden aber in den sehr guten Zeitlupen samt leichtem Motion Blur schön in Szene gesetzt. Die Hintergründe sind dank animierten Zuschauern lebhaft, auch wenn dem Publikum ein paar Bewegungsphasen mehr sehr gut getan hätten. Ein Lob muss man Venom Games dafür aussprechen, dass auch die unbekannten Boxer mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet wurden. Die Verbesserungen der Animationen halten sich allerdings in Grenzen. Während die Kontrahenten nun sehr viel realistischer zu Boden gehen, wirken die Schritte im Ring noch immer ziemlich hölzern.

Der italienische Hengst wie seine Fans ihn lieben.
Natürlich sorgt wieder ein Großteil der Stücke aus den Filmen für die passende akustische Untermalung. Ewige Klassiker wie Gonna Fly Now können auch heute noch begeistern und die eher unbekannte Synthesizer-Nummer Training Montage aus Rocky IV, die in den Menüs zum Einsatz kommt, stimmt perfekt auf kommende Herausforderungen ein. Für die Synchronisation wurden durchaus gute Sprecher engagiert und sogar Rockys deutsche Stimme Thomas Danneberg ist mit dabei. Die meisten der Figuren hören sich ausgezeichnet an, auch wenn bei einigen, wie zum Beispiel Clubber Lang, die Stimme einfach unpassend gewählt wurde. Wenn der russische Ringrichter mit deutlichem Akzent beginnt, einen Boxer anzuzählen, ist das auf jeden Fall eine sehr lustige Sache.
Seltsamerweise hört sich ausgerechnet Sylvester Stallones Synchronsprecher ein wenig übertrieben an, so dass man sich anfangs fragt, ob da doch jemand anders am Werk war. Insgesamt ist die deutsche Version aber der ebenfalls enthaltenen englischen Variante mit den eher lustlos wirkenden Akteuren überlegen, was bei Spielen nur äußerst selten vorkommt. Die Effekte sind von gewohnt guter Qualität und auch wenn das Knallen der Handschuhe und das Aufstöhnen der getroffenen Boxer nicht spektakulär sind, sorgen diese Sounds gemeinsam mit der lauter werdenden Musik in dramatischen Momenten für Stimmung.
Rockys zweiter 128-Bit-Auftritt wurde in vielen Bereichen verbessert und ist dank des simplen Gameplays eine interessante Arcade-Alternative zur Top-Simulation Fight Night 2004. Das Kampfgeschehen ist sehr nah an der Atmosphäre der Filme und Fans der Vorlagen werden sich sicherlich darüber freuen, dass man diesmal nicht nur den italienischen Hengst auf seinem Werdegang begleiten darf. Doch trotz der diversen Neuerungen ist Rocky Legends seinem Vorgänger nicht so weit überlegen, dass man bedenkenlos zugreifen sollte. Dem Karriere-Modus fehlt aufgrund der wenigen Zwischensequenzen eine große Portion Charme und im grafischen Bereich fallen die Verbesserungen erst bei sehr genauer Betrachtung auf. Die vielen freispielbaren Belohnungen motivieren zwar dazu, viel Zeit mit dem spaßigen Klopper zu verbringen, aber ein Online-Modus wäre sicherlich ein wesentlich überzeugenderes Verkaufsargument gewesen.