Rocky Balboa im Test

PSP
Als die ersten Gerüchte über Rocky Balboa, den sechsten Teil von Sylvester Stallones Boxersaga, im Internet auftauchten, war das Gelächter groß. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass der Actionstar vergangener Tage tatsächlich noch einmal an alte Erfolge anknüpfen würde. Doch alles kam anders als erwartet. Rocky Balboa ist nicht nur ein kommerzieller Erfolg sondern ein würdiger Abschluss einer legendären Filmreihe. Kaum ein Fan kam bisher unzufrieden aus den Kinosälen dieses Planeten. Da ist es natürlich klar, dass ein Videospiel folgen muss. Auf der PSP dürfen Anhänger sportlicher Schlägereien den italienischen Hengst und seine Gegner aufeinander hetzen. Ob die Versoftung ebensoviel Spaß macht wie die Vorlage, erfahrt ihr in den folgenden Absätzen.


Über die Story, die sich inzwischen über drei Jahrzehnte und sechs Filme erstreckt, müssen wohl kaum viele Worte verloren werden. Rocky ist ein erfolgloser Boxer aus Philadelphia, der durch einen glücklichen Zufall die Chance erhält, um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht zu kämpfen. Der Hauptmodus des Games, in dem man historische Kämpfe austragen muss, folgt der Chronologie der Filme äußerst genau. Arm gegen reich, gut gegen böse, USA gegen Russland und zu guter Letzt Wille gegen Alter,,, alle wichtigen Prügeleien sind enthalten. Auch das legendäre Duell zwischen Apollo Creed und Ivan Drago kann nachgespielt werden und sobald man Mason Dixon auf die Bretter geschickt hat, besteht die Möglichkeit, die Kämpfe noch einmal aus der Sicht von Rockys Gegnern zu bestreiten.

Bei der Atmosphäre sind den Machern keine Fehler unterlaufen. Die Einmärsche und kurzen Monologe des Ringsprechers wurden aus den Kinostreifen übernommen und stimmen perfekt auf den Schlagabtausch ein.

Die erste echte Überraschung erwartet den Zocker, sobald er die Fäuste fliegen lässt. Obwohl Ubisoft im Gegensatz zu Rocky und Rocky Legends diesmal nicht nur als Publisher auftritt, sondern außerdem die Entwicklungsarbeit geleistet hat, ist wohl fast jeder davon ausgegangen, dass uns mit Rocky Balboa eine konsequente Weiterentwicklung der bekannten Vorgänger für Xbox, PS2 und Gamecube erwartet. Doch weit gefehlt! Das neue Spiel hat ein eigenes Gameplay und einen neuen Look. Selbstverständlich wird hier keine komplexe Simulation des Sports geboten und das ist auch gut so. Schnelle spektakuläre Schläge und wenig Deckung haben die Filme zu kurzweiligen Actionkrachern gemacht und diese Formel funktioniert auch auf der PSP bestens. Geraden, Haken und Uppercuts lassen sich problemlos auslösen und durch einfache Analogstick-Manöver und Tastenkombinationen in der Höhe und Stärke variieren. Ein Minimum an taktischem Geschick ist aber dennoch gefordert. Neben dem obligatorischen Energiebalken gibt es eine weitere Leiste, die der Ausdauer gewidmet ist. Prügelt man lang genug ins Leere oder auf die Deckung des Gegners, ohne sich Pausen zu gönnen, wird man nicht nur extrem langsam, sondern kann sich auch durch eine einzelne Konterattacke schnell in einer besonders heiklen Situation wiederfinden. Sowohl die jeweilige Spielfigur als auch ihre Kontrahenten besitzen die Fähigkeit, sich in einen wahren Schlagrausch zu boxen, wenn mehrere Attacken nacheinander erfolgen oder die Ausdauer des Gegenübers völlig verbraucht ist.


Was genau mit den offiziellen Screenshots passiert ist, bleibt wohl das Geheimnis von Ubisoft. Jedenfalls glänzen weder Mr. T. noch Sly im fertigen Spiel so extrem.

Wie schaut man als treuer Rocky-Anhänger die Filme? Richtig, man spult vor bis zum Training und spult dann vor bis zum Kampf. Gewichte stemmen, Liegestütze machen und Sparring sind fester Bestandteil der Legende. Leider sucht man solche Übungen zur Köperertüchtigung im Spiel vergeblich. Ein paar Minigames, mit deren Hilfe sich Schlagkraft, Geschwindigkeit und Ausdauer verbessern lassen, hätten diesem Produkt zu deutlich mehr Spieltiefe verholfen. Zum Glück sorgen die insgesamt 28 freispielbaren Boxer, unter denen natürlich alle Versionen der Hauptfigur zu finden sind, trotzdem für ein wenig Langzeitmotivation.


Neben den historischen Kämpfen darf man natürlich auch einzelne Gefechte gegen computergesteuerte oder menschliche Gegner bestreiten, was dank der drei verfügbaren Schwierigkeitsgrade durchaus spaßig ist. Ein absolut unnützer Modus versteckt sich allerdings hinter dem Menüpunkt Schnellkämpfe. Hier muss innerhalb von einer Minute ein Niederschlag geschafft oder ein ähnlich lächerliches Ziel erreicht werden. Unter diesen Umständen fallen die langen Ladezeiten besonders stark auf. 50 Sekunden lang ein Standbild von Rockys erstem Trainer Mickey anzustarren, um danach bei guter Leistung gerade mal 13 Sekunden zu spielen ist eine äußerst langweilige Angelegenheit.

Kann man aus einem guten Boxspektakel mit nur einem Flüchtigkeitsfehler ein mittelmäßiges Game machen? Die traurige Antwort lautet leider ja, denn Ubisoft hat es tatsächlich geschafft, den Spaß in letzter Sekunde deutlich zu dämpfen. Sobald der eigene Boxer zum ersten Mal auf dem Ringboden landet, stellt man erschüttert fest, dass es unglaublich schwer ist, wieder aufzustehen. Ich halte mich selbst (ohne überheblich erscheinen zu wollen) für einen überdurchschnittlich begabten Controllerartisten. Dennoch gelingt es mir nur bei jedem dritten Niederschlag tatsächlich, das unangenehme und schwammige System zu überlisten, das über Sieg und Niederlage entscheidet. Während die computergesteuerten Gegner keinerlei Probleme haben, auch nach dem fünften Volltreffer innerhalb von Sekunden wieder kampfbereit auf den Beinen zu stehen, wird der Zocker in solchen Situationen mit einer unausgereiften Geschicklichkeitsprüfung gequält. Mit Hilfe des Analogsticks muss die richtige Balance gefunden werden, um weiterkämpfen zu dürfen. Schade nur, dass diese Aufgabe keinen festen Regeln zu folgen scheint. Mal fliegt der kleine rote Punkt, der in der Mitte einer Skala platziert werden muss, geradezu über den Bildschirm und im nächsten Augenblick bewegt sich das gleiche Objekt unsagbar langsam, obwohl man den Analogstick so fest in die gewünschte Richtung drückt, dass die PSP bedrohlich knackt.



Grafisch macht das Game in vielen Bereichen eine ausgezeichnete Figur und schafft es tatsächlich, die Atmosphäre der Filmvorlagen noch besser einzufangen, als es die beiden Vorgänger für stationäre Konsolen vermochten. Sobald man sich an die neue Perspektive gewöhnt hat, die das Geschehen meistens aus einem leicht schrägen Winkel über der Schulter des jeweiligen Protagonisten einfängt, fällt auf, dass die Animationen äußerst vielfältig und passend sind. Apollo tänzelt genau so schnell und überheblich durch den Ring, wie man es in den Filmen gesehen hat und Ivan Drago, die russische Zerstörungsmaschine aus Rocky IV, schlägt fast roboterhaft auf seine Gegner ein. Von dem ein oder anderen merkwürdigen Gesicht abgesehen sind die Modelle gelungen und haben einen sehr hohen Wiedererkennungswert. Leider können die Schäden, die durch Schläge auf Gesicht und Körper des Kontrahenten hinterlassen werden, nicht mit dem mithalten, was man in älteren Rocky-Games zu sehen bekam. Auch in der Ringecke geht es etwas steril zu, da das gesamte Team offensichtlich in der virtuellen Kabine geblieben ist und den Boxer allein gelassen hat.

Der altbekannte Song “Gonna fly now“ ertönt schon früh aus den Mini-Lautsprechern und begleitet den Spieler durch die diversen Menüs. Ein paar weitere Stücke sorgen am Ende eines Kampfes für Stimmung, aber während der eigentlichen Schlachten hält sich die Musik vornehm zurück. Stattdessen erklingt ein guter englischsprachiger Kommentar, in dem viele Sätze fallen, die den Kennern der Filme bekannt vorkommen dürften. Die Soundeffekte zeichnen sich vor allem durch Übertreibung aus, was sehr passend wirkt und die Dramatik steigert. Ein guter Haken klingt beispielsweise eher wie ein Auffahrunfall als wie ein Schlag, aber gerade in solchen Momenten kann man sich ein Grinsen kaum verkneifen.

Tim meint:

Tim

Dieses Spiel bricht jedem echten Rocky-Enthusiasten das Herz. Die Atmosphäre ist genial, das Gameplay gelungen und technisch gibt es kaum etwas zu meckern. Doch kurz bevor man das UMD-Laufwerk mit Sekundenkleber versiegelt, um zu gewährleisten, dass man nie wieder versehentlich ein anderes Game in die PSP packt, folgt der anfänglichen Begeisterung die herbe Ernüchterung. Selten zuvor hat ein einzelner Schnitzer sich so negativ ausgewirkt wie das unangenehme Minispiel, mit dem man sich nach einem Niederschlag konfrontiert sieht. Auch das Fehlen von Trainingseinheiten macht sich negativ bemerkbar und schmälert den Spaß ein weiteres Mal. Was bleibt ist ein kurzweiliges Game, bei dem man ständig das Gefühl hat, dass es weit mehr hätte sein können als ein Lizenz-Schnellschuss, wenn man sich nur mehr Zeit bei der Entwicklung gelassen hätte.

Positiv

  • Gelungenes und schnelles Gameplay
  • Viele Boxer
  • Gute Atmosphäre

Negativ

  • Unglaublich lange Ladezeiten
  • Keine Trainingseinheiten
  • Unnötig kniffliges Minigame nach Niederschlägen
Userwertung
10 1 Stimmen
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Rocky Balboa Daten
Genre -
Spieleranzahl 1 - 2
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 23. Januar 2007
Vermarkter Ubisoft
Wertung 7.1
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neXGam YouTube Channel
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