NFL Tour im Test

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Trotz großer Anstrengungen scheint es inzwischen relativ unwahrscheinlich, dass sich American Football in Europa jemals als erfolgreiche Sportart etablieren lassen wird. Nur eingefleischte Fans verstehen hierzulande überhaupt die Regeln und für die meisten deutschen Zuschauer sieht ein Match eher aus wie eine Massenprügelei. Natürlich wirkt sich die Berührungsangst mit der amerikanischsten aller Sportarten auch auf die Videospielverkäufe aus. Während in den Vereinigten Staaten jeder neue Teil der Madden-Reihe an die Spitze der Charts stürmt, lassen die hochkarätigen Simulationen die heimischen Konsolenbesitzer kalt. NFL Tour, das neueste Football-Spektakel aus dem Hause EA, soll die Globalisierung vorantreiben. Mit vereinfachtem Regelwerk und Arcade-Gameplay ohne viel Schnickschnack will der inoffizielle NFL Street-Nachfolger Football-Muffel bekehren.
Schon im Intro wird klar, dass die Namensänderung mehr als gerechtfertigt ist. Im Gegensatz zum Vorgänger wird im aktuellen Game nicht mehr auf Hinterhöfen gespielt sondern in opulenten Arenen. Die harten Jungs der NFL treten auch diesmal ohne Helm oder dicke Polsterung gegeneinander an und es geht nicht so taktisch zu, wie in einem regulären Football-Match.


In weniger als einer Sekunde wird er sich wünschen doch einen Helm aufgesetzt zu haben...


Der kürzeste Weg zum brutalen Kampf um das ovale Leder führt über den Menüpunkt “Jetzt Spielen“. Hier hat man die freie Wahl zwischen den altbekannten Teams und kann sich direkt ins Getümmel stürzen. Absolute Neulinge werden zwar zu Beginn immer noch etwas verwirrt sein, aber im Vergleich zu einer Partie Madden fällt der Einsteig extrem leicht. Sobald verstanden wurde, dass der Ball in die Endzone der gegnerischen Mannschaft gebracht werden muss, ist es nur noch ein kurzer Weg zum ersten Touchdown.

Wie es sich für Spiele aus der EA Sports Big-Reihe gehört, ist die Steuerung simpel. Vor jedem Spielzug darf man aus dem Playbook die Strategie für den nächsten Angriff oder die anstehende Verteidigung wählen. Das aus Linien, Punkten und Zonen bestehende Schaubild zu deuten ist auch schon die größte Herausforderung an das Zockerhirn. Während sich Madden-Fans darüber aufregen werden, dass hier eine recht überschaubare Anzahl an Taktiken geboten wird, dürften sich footballfremde Menschen über die Auswahl freuen. Während des eigentlichen Spiels gibt es nur wenig zu tun. Es wird gerannt, gepasst und versucht die Attacken der Gegner samt Ball unbeschadet zu überstehen, beziehungsweise die Konkurrenten zu Fall zu bringen, wenn man in der Defensive ist. Gelegentliche Spezialmanöver, wie das Ausweichen mit Hilfe der Mauer, die das gesamte Spielfeld umgibt, sorgen für das notwendige Minimum an Abwechslung.


Diese Männer wissen wie man feiert! Auf der NHL Tour dauern die Punkte-Parties oft länger als die voran gegangenen Spielzüge.


Schnell wird das größte Problem von NFL Tour überdeutlich. Obwohl die Steuerung gut von der Hand geht und kurzweiligen Spaß bietet, ist das Gameplay einfach nicht tiefgängig genug. Wer einen Teil der NFL Street- oder NBA Street-Serie gespielt hat, wird die Spezialmanöver, die mit Punkten belohnt werden, schmerzlich vermissen. EAs neuester Football-Streich wurde tatsächlich so stark simplifiziert, dass kaum noch etwas Nennenswertes übrig geblieben ist. Egal welcher Schwierigkeitsgrad eingestellt wurde, im Endeffekt führen immer die gleichen Aktionen zum Erfolg. Selbst die Möglichkeit durch Kicks mehr Unterhaltung in den tristen Sportleralltag zu bringen wurde verschenkt. Nach einem Touchdown gibt es zwar eine zusätzliche Chance auf Punkte, doch auch dieser Bonus-Angriff läuft nach dem bekannten Muster ab.

Für lang anhaltenden Spielspaß soll der Tour-Modus sorgen. Mit Hilfe eines sehr eingeschränkten Editors wird hier zunächst ein eigener Sportler gebastelt, der dann im ausgewählten Team zum Einsatz kommt. Natürlich folgt eine umfangreiche Saison an deren Ende das Finale samt Ruhm und Geld wartet. Schade nur, dass der selbst kreierte Sportler keinerlei Entwicklung durchmacht. Der junge Mann bleibt was seine Fähigkeiten betrifft genau so gut oder schlecht, wie er vor dem ersten Spiel war. Auch sonst fehlt dem Tour Modus jegliches Gefühl des Vorankommens, was der Langzeitmotivation neben dem simplen Spielprinzip einen weiterer Dämpfer versetzt. Lediglich kleinere Zusatz-Missionen, die in manchen Partien erfüllt werden müssen, liefern dem Controllerhalter einen Grund zum Weiterspielen.


Ist der Touchdown noch aufzuhalten?


Mit Smash & Dash und Redzone Rush schlummern noch zwei spezielle Spielvarianten auf der Disc. Beide Modi können aber auch nur für kurze Zeit die Aufmerksamkeit fesseln, da sie lediglich mit eigenen Aufgabenstellungen daherkommen, aber sich nicht wirklich anders spielen als die regulären Matches. Ehrlich gesagt wird hier nur jeweils ein Bestandteil der Sportart in den Vordergrund gestellt, wodurch die Spezial-Modi noch platter ausfallen als der Rest des Games. Was bleibt sind die Multiplayer-Möglichkeiten und wie so oft macht auch NFL-Tour am meisten Spaß, wenn ein paar menschliche Kontrahenten oder Mitstreiter teilnehmen. Ob man nun einen befreundeten Zocker zum Duell fordern möchte oder kooperativ mit vier Sofabesetzern auf Tuchfühlung mit einem computergesteuerten Team gehen will, hier darf man sich austoben. Natürlich handelt es sich bei NFL-Tour um einen Xbox-Live-Titel. Dank Ranglisten und Einteilung der Online-Gemeinde nach Fähigkeiten findet sich immer der passende Gegner.

Wie das Gameplay fällt auch die Optik übertrieben aus. Grelle Farben machen die Arenen auf den ersten Blick zu echten Hinguckern. Allerdings hat man sich schnell satt gesehen, sobald klar wird, dass die Stadien allesamt ähnlich konstruiert wurden und viele Details vermissen lassen. Auch die soliden Lichteffekte samt Feuerwerken, mit denen jeder Touchdown untermalt wird, verlieren nach kurzer Zeit ihren Reiz. Alle Bewegungsabläufe machen einen flüssigen Eindruck und besonders die Tackles, bei denen sich häufig gleich mehrere Sportler aufeinander stürzen, wissen zu gefallen. Doch selbst hier wird nicht genug Abwechslung geboten. Wo andere Sportspiele viel Wert auf individuelle Spieleranimationen setzen, wurde bei NFL Tour die Sparflamme eingeschaltet. So wird man schon innerhalb weniger Minuten zum wiederholten Mal Zeuge des gleichen Freudentanzes nach einem Raumgewinn. Abgerundet wird der mäßige Gesamteindruck durch Spielermodelle die irgendwo zwischen “okay“ und “grausam“ rangieren. Der Wiedererkennungswert der Profis schwankt deutlich und einige der virtuellen Rasenschachspieler sehen eher aus wie entfernte Verwandet ihrer realen Vorbilder.


Die grellen Stadien lassen sich fast ausschließlich an der Bemalung des Spielfeldes unterscheiden.


Der NFL Tour Soundtrack ist deutlich gitarrenlastiger als man es von EA-Titeln gewohnt ist und tatsächlich wirkt sich diese Wahl positiv auf die Atmosphäre aus. Während in den Menüs häufig Songs erklingen, die Richtung Hip Hop tendieren, sorgt während der Spiele Rockmusik für Stimmung. Traurigerweise scheinen die virtuellen Fans nicht sonderlich viel Rhythmus im Blut zu haben, denn selten war ein Publikum in einem aktuellen Videospiel so zurückhaltend mit Beifall und Jubel. Auch die englischsprachigen Kommentatoren sind nicht mitreißend und wiederholen sich zu häufig. Ein paar witzige Sprüche gibt es zwar zu hören, doch verglichen mit ähnlichen Games, ist die akustische Untermalung unterdurchschnittlich.

Tim meint:

Tim

Das Ziel war klar: NFL Tour sollte ein Football-Game werden, das es wirklich jedem Zocker dank simpler Steuerung ermöglicht, die Sportart kennen und lieben zu lernen. Leider sind die Macher über das Ziel hinausgeschossen. Zu viel wurde wegrationalisiert und was am Ende übrig geblieben ist, besitzt nicht mehr genug Tiefgang, um auf Dauer zu überzeugen. Auch wenn es zu Beginn Spaß macht, die Gegner unsanft vom Ball zu trennen und mit vollem virtuellen Körpereinsatz zu Boden zu werfen, werden nur wenige 360-Besitzer das Durchhaltevermögen aufbringen können, um sich langfristig im Tour-Modus auszutoben. Für gelegentliche Multiplayer-Duelle eignet sich das Sportspiel zwar trotz aller Kritik, aber auch in diesem Bereich gibt es spaßigere Alternativen für Football-Freunde. Da selbst NFL Street, der eigene Vorgänger deutlich mehr zu bieten hat, gibt es keinen vernünftigen Grund, sich EAs neuestes Werk zum Vollpreis zu kaufen.

Positiv

  • einfacher Einstieg

Negativ

  • zu simples Gameplay
  • kaum Langzeitmotivation
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NFL Tour Daten
Genre Funsport
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 30. Januar 2008
Vermarkter ElectronicArts
Wertung 5.8
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