In den insgesamt sechs Einsätzen wird dabei unmissverständlich deutlich gemacht, dass Journalisten nicht immer die ganze Wahrheit wiedergeben, sondern lediglich dass, was der Chefredakteur oder Boss eben hören will. Übertragen auf Global Conflicts - Palestine bedeutet dies, dass man als Schreiberling für die Israel News eben eher ein offenes Ohr für die Belange der jüdischen Einwohner, als der arabischen Bewohner hat. Und diese wiederrum empfinden wenig Gefallen an Berichten über tote israelische Kinder nach einem Bombenangriff, sondern wollen lieber über Greueltaten bei Razzien der israelischen Armee lesen. Alternativ lässt sich auch für eine europäische Publikation malochen, die sich um eine ausgewogene und ausgleichende Berichterstattung zwischen beiden Parteien bemüht. (Wärs nur in der Realität genauso...)
Was in der Realität wie ein Relikt aus alten Tagen erscheint, ist bei Global Conflicts - Palestine wieder an der Tagesordnung - statt im gekühlten Redaktionsbüro seid ihr hier selbst unterwegs und am Ort des Geschehens, um die Hintergründe zu euren Stories zu recherchieren. Im aus einer leicht angeschrägten Vogelperspektive präsentierten Nahen Osten manöveriert ihr euren Journalisten dabei per Mausklick durch die Gassen der Altstadt oder unternehmt eine kleine Tour ins Grenz/Siedlungsgebiet. Um euch im Gassengewirr nicht zu verirren, lässt sich zu jeder Zeit eine separate Karte aufrufen, was insbesondere bei der Suche nach bestimmten Personen äußerst nützlich ist.
Es riecht nach Ärger...also nichts wie hin!
Je nachdem wer euer Auftraggeber und/oder Charakter ist, erlebt ihr im Spielverlauf diverse Konfliktsituationen und ermittelt hierzu dann per Multiple Choice Konversation die harten Fakten. Sowohl Englisch als auch Deutsch (und sogar Dänisch!) stehen als Sprachen im Spiel zu Verfügung - Dänisch-Lernende werden das womöglich zu schätzen wissen. Aber auch wer mit dem Englischen gewöhnlich auf Kriegsfuss steht, muss sich hier nicht durchs Spiel quälen.
Das Spiel endet mit einem Telefonat in die Redaktion daheim, nachdem ihr zuvor fünf Aussagen von Angehörigen der unterschiedlichen Lager gesammelt habt. Diese werden dann zu einem Artikel verwurstet, wobei zunächst eine aussagekräftige Headline, ein passendes Photo und mindestens zwei Aussagen gewählt werden. Eine witzige Sache ist hierbei dann die Einstufung eurer Bemühungen, denn statt schnöder High-Scores stellt die Resonanz der Leserschaft eine gewisse Messlatte dar. Klar - bei soviel Mühe möchte man am liebsten direkt auf die erste Seite und den Aufmacher liefern, statt auf Seite 13 hinten links zu verschwinden, was durchaus auch passieren kann.
Global Conflicts - Palestine schafft es dabei wirklich eine gewisse Art von Freiheit bei der Zusammenstellung der Artikel zu vermitteln, wenngleich die hinter den Aussagen stehenden Fraktionen (Pro-Arabisch, Pro-Israel, Neutral-vermittelnd) stets deutlich erkennbar bleiben. So lohnt es sich aber auch eine Mission noch ein zweites oder gar drittes Mal zu spielen, etwa um übersehene Fakten für einen besseren Artikel zu finden oder aber aus einer anderen Sicht die Dinge wiederzugeben.
Ein Leben im ständigen Ausnahmezustand
Kritik gibt es natürlich wie gehabt auch, was vor allem die anspruchslosen "Bring Item A nach Ort B"-Aufträge betrifft, die ihr zwischenzeitlich zur Steigerung eurer Sympathiewerte im einen oder anderen Lager absolviert. Trotz der auch nicht um Gewalt verlegenen Thematik (da wird schon mal ein Attentäter am Checkpoint erschossen) läuft das Spiel insgesamt gemächlich und ohne Zeitdruck ab, was sicherlich nicht jedermanns Sache sein dürfte. Gerade Spieler mit "Actiondaumen" dürften sich aufgrund der recht textlastigen Konversationen eher schon mal etwas langweilen.
Technisch gibt sich das von einem verhältnismäßig kleinen dänischen Team entwickelte Global Conlicts - Palestine natürlich recht bieder. Zwar ist Jerusalem tatsächlich von Menschen bevölkert und auch auf den Straßen treffen sich je nach Ecke diverse Autos zu einem fröhlichen Stau, trotzdem hat man niemals den Eindruck in einer riesigen, belebten und doch bedrohten Metropole zu sein. Wo sind beispielsweise die schwer bewaffneten Wachleute vor den gut besuchten Kaufhäusern oder am Eingang des Marktplatzes? Die tagtägliche Bedrohung für die jüdischen Einwohner in Form von Selbstmordattentätern hätte ruhig atmosphärisch noch etwas schärfer dargestellt werden dürfen. Erfreulich hingegen die Grafiken bei Gesprächen und in Zwischensequenzen, die für ein relativ kleines Entwicklerteam recht lobenswert ausgefallen sind. Wenig Begeisterung empfand ich allerdings bei den Soundeffekten – hier hätte es ruhig noch etwas mehr Abwechslung und Qualität sein dürfen. Aber man kann halt bekanntlich nicht alles haben.
Die Verkaufscharts wird man mit Global Conflicts - Palestine ganz sicher nicht stürmen. Und der Titel hätte auch ruhig noch etwas mehr Feintuning gebrauchen können. Dennoch bleibt Global Conflicts - Palestine eine ebenso neuartige wie interessante Mischung, die deutlich zeigt, in welche Richtung Gaming eben auch gehen kann: Nämlich der Vermittlung komplexer Zusammenhänge in spielerischer Form. Wer sich für den Nahost-Konflikt und den Perspektivwechsel im Spiel interessiert, macht hier mit einer Investition definitiv nichts verkehrt!