
Was ich aber kaum für möglich gehalten hätte ist, wie man das knallhart durchgezogen hat. Das Herzstück von FIFA 06: RTFWC ist der Road to FIFA World Cup-Modus, in dem ihr eine Nationalmannschaft auf dem Weg durch die Qualifikation zur WM 2006 begleitet. Zur Auswahl stehen euch dabei 72 internationale Mannschaften, von denen über 50 aus Europa stammen. Da liegt dann auch schon das erste Problem des Spiels. Während man mit europäischen Mannschaften die exakten Qualifikationsgruppen wie in der Realität nachspielen kann, ist dies mit asiatischen oder mittelamerikanischen Mannschaften aufgrund der fehlenden rund 60 Mannschaften schlichtweg nicht möglich. Wollt ihr euch mit einem nicht europäischen Team durch die Qualifikation schlagen müsst ihr eigene Gruppen entwerfen. Wenn man schon so dreist ist und sich wirklich das ganze Spiel über nur mit der Qualifikation zu einem Turnier beschäftigt, so hätte man doch mindestens wirklich alle involvierten Teams ins Spiel bringen können.

In den Turnieren legt ihr selber fest, welche Mannschaften dabei sein sollen. Solltet ihr Probleme mit dem Fällen von Entscheidungen haben, könnt ihr jene auch per Zufall generieren lassen. Diese beiden Modi lassen sich mit bis zu vier Spielern an einer Xbox 360 spielen. FIFA 06: RTFWC bietet außerdem einen Xbox Live Modus, der wie fast in allen anderen EA Sports-Titel auch zunächst einmal durch ein richtig antiquiertes und nicht gut funktionierendes Lobbysystem negativ auffällt. Die Verbindung läuft allerdings recht gut, in ein paar Testspielen wurde ich nur durch minimale Lags gestört. Online tretet ihr nur zu ganz normalen Spielen gegeneinander an, eigene Liga- oder Turnier Optionen gibt es online leider nicht.

Grafisch begeistert FIFA 06: RTFWC zunächst total und sorgt für ungläubige Gesichter. Dafür sorgen vor allem die extrem detaillierten Spielermodelle, die ihr zu Beginn einer Partie beim Anstimmen der Nationalhymne schon einmal kurz zu sehen bekommt. Die Gesichter sind dabei wirklich state of the art, jedes noch so kleine Detail hat seinen Platz gefunden (sogar Beckhams Nacken-Tätowierung ist bei günstiger Kameraposition in einer Wiederholung zu erkennen). Trotzdem gibt es einige Dinge, die die Grafik des Spiels herunterdrücken und den Wandel zur neuen Generation im Falle von FIFA daher nicht wirklich großartig erscheinen lassen. Da wären z.B. einige fragwürdige Effekte, die ihr vor allem in Replays bestimmter Situationen zu sehen kriegt. Zum Einen der von mir „Ken-Effekt“ getaufte Plastiklook der Spieler, die alle aussehen als ob sie nach der Partie mit Action Man die Welt retten gehen würden. Zum Anderen die seltsame Lichteraura, die die Spieler und Trainer der Mannschaften umhüllt. Meinte Beckenbauer das damals, als er Matthäus eine Lichtgestalt nannte? Bei den Wiederholungen bricht außerdem die Framerate dramatisch zusammen. Weitere kleine und für mich unverständliche Dinge sind u.a. der Rasen, der dringend mal wieder gemäht werden müsste (teilweise verschwinden die ganzen Füße der Spieler in ihm), in den Wiederholungen auftauchende Clippingfehler, die Tatsache, dass nur eine Hand voll Nationaltrainer nach ihrem realen Vorbild designt wurden, Gelbe Karten die im Spiel beige sind usw.
Beim Sound stellen sich dem langjährigen Fan des virtuellen Fussballs weitere Fragen. Irgendwie stimmt hier nämlich überhaupt nichts. Da wäre zunächst der Kommentator, dessen inhaltliche Qualität nach wie vor auf dem Stand von 1998 ist. Schlimmer als das ist jedoch die Tatsache, dass die Jungs sich anhören, als ob sie in einer Mülltonne sitzen. Ich habe lange überlegt weshalb das so sein könnte, ich komm einfach nicht drauf. Wenn die Partie gerade einmal langweilig ist packen die Kommentatoren dann auch den Fussball Almanach aus und lesen ein wenig daraus vor. Eigentlich ganz nett, aber spätestens wenn ihr zum 25. mal hört, dass die FIFA WM zuletzt 1974 in Deutschland ausgetragen wurde, platzt euch der Kragen. Bei den Soundeffekten im Stadion ist auch irgendetwas schief gelaufen, denn aus mir unerklärlichen Gründen ist im Stadion irgendwie ständig tote Hose. Fangesänge und ähnliches sind auf ein Minimum beschränkt worden, da gab es in den letzten Jahren sehr viel Besseres auf die Ohren. Beim Soundtrack ist EA wie immer ganz oben mit dabei, zahlreiche namhafte Künstler aus den verschiedensten Bereichen sind vertreten.
Für eine UVP von über 60 Euro bekommt ihr also das Spiel zur WM-Qualifikation, welches seinen Untertitel definitiv zu ernst nimmt. Abgesehen von der absolut mangelhaften Masse an Inhalt kann der Titel auch spielerisch und technisch in keinster Weise überzeugen. FIFA 06: Road to FIFA World Cup ist die in Form einer Spiele-DVD gepresste Dreistheit!
Fussball-Liebhaber greifen daher auch mit der Xbox 360 im Regal weiterhin am besten zu Pro Evolution Soccer 5.