
Eigentlich sieht es hier recht friedlch aus. Hinter der nächsten Ecke lauert aber bereits der Feind.
Genau wie im Vorgänger erinnern diesmal sowohl die Story als auch die Atmosphäre des Games sehr stark an die bekannte TV-Mini-Serie Band of Brothers. Nach der Landung in der Normandie beginnt eine Schlacht um die Vorherrschaft in Frankreich, an der auch die Division unseres Protagonisten teilnimmt. Da sich die Macher an tatsächlichen Ereignissen orientiert haben, wirkt die Geschichte von Earned in Blood äußerst realistisch, was aber die Kampfsituationen und Zwischensequenzen keinesfalls weniger dramatisch erscheinen lässt.
Ob ein Taktik-Shooter Spaß macht oder nicht hängt vor allem von einer guten Steuerung ab. Gerade in diesem Bereich ist Earned in Blood dem Großteil seiner näheren Genreverwandtschaft überlegen. Das Anvisieren eines bestimmten Punktes und das Drücken eines einzigen Knopfes reichen aus, um den virtuellen Kameraden die wichtigsten Befehle zu geben. Andere oft benutzte Kommandos wie beispielsweise die Aufforderung zum Folgen sind direkt über die vier Richtungstasten des Steuerkreuzes abrufbar.

Ein Gefecht beginnt. Obwohl es hier nicht so wirkt, bietet Earned in Blood weit mehr als pures Geballer.
Wie schon der Vorgänger zeigte, kann es durchaus interessant sein, wenn die verfügbaren Waffen keine perfekten Vernichtungsinstrumente sind, sondern sich an der Realität orientieren. Vor über 60 Jahren war die Technik nun einmal nicht absolut ausgereift und das merkt man auch während der Missionen immer wieder. Ein Gewehr hüllt beispielsweise nach dem Abfeuern den Bildschirm für einen Sekundenbruchteil in undurchsichtigen Schwarzpulvernebel. Gemeinsam mit der Tarnkleidung der Feinde sorgt diese Maßnahme dafür, dass es nicht gerade leicht ist, mehrere gezielte Schüsse mit schneller Frequenz abzugeben. Auch die Nachladezeiten der meisten Waffen sind hoch bemessen, wodurch es ratsam ist, sehr sparsam mit der Munition umzugehen. Der Zocker wird zum taktischen Denken gezwungen, was die einzelnen Levels sehr spannend macht. Auch wenn man sich in manchen Situationen wünscht, den Master Chief aus Halo auf die Soldaten hetzen zu dürfen, was innerhalb von Sekunden zu einem Massaker führen würde, sind es gerade die Mängel der Ausrüstung und der eigenen Spielfigur, die Earned in Blood zu einem besonderen Erlebnis machen.
Die anfangs sehr interessante Angriffsstrategie der eigenen Truppe wird durch endlose Wiederholungen im Laufe des Games leider ein wenig langweilig. Typischerweise läuft ein Gefecht folgendermaßen ab: man erkennt in weiter Ferne einige feindliche Soldaten, die hinter einem Objekt auf ihre Opfer warten. Nun sucht man nach einem strategisch günstigen Punkt, befiehlt den eigenen Kameraden, dort Stellung zu beziehen und anschließend die Gegner unter Sperrfeuer zu nehmen. Da die Deutschen nun abgelenkt sind, kann man die eigene Spielfigur in eine besonders günstige Position bringen und die Gegner mit ein paar gezielten Schüssen ausschalten. Mit Hilfe einer jederzeit aufrufbaren Vogelperspektive, die den vollen Überblick ermöglicht, lassen sich solche Aktionen besonders gut planen. Was in den ersten Missionen sehr viel Spaß macht, verliert leider innerhalb weniger Stunden viel von seinem Reiz, da Earned in Blood einfach nicht genügend alternative Situationen zu bieten hat. Selbst die Möglichkeit, nach dem erfolgreichen Abschluss der ersten Mission separate Angriffs- und Flankierungsteams zu befehligen, ändert nur wenig an dem altbekannten Schema. Aufgaben wie der Schutz bestimmter Gebäude sind zwar vorhanden, enden aber nach der Abwehr einiger Angriffswellen oft wieder mit dem Ausschalten eingeigelter Gegner aus der Ferne. Nur selten ist es ratsam, den Befehl zur direkten Erstürmung feindlicher Stellungen zu geben. Die Nahkampffähigkeiten der eigenen Spielfigur sind äußerst armselig und es ist fragwürdig, ob ein simpler Frontalangriff von mehr als vier Gegnern, der in den Missionen nie stattfindet, überhaupt zu überleben wäre.

Eine gute Deckung ist der Weg zum Erfolg. Schade, dass diese sehr interessante Grundstrategie äußerst inflationär eingesetzt wird.
Earned in Blood bietet neben dem regulären Story-Modus auch noch eine ganze Reihe einzelner Missionen, die kooperativ oder gegeneinander im Splitscreen oder über Xbox Live gespielt werden dürfen. Dummerweise wird schnell klar, dass die erprobten Taktiken gegen menschliche Gegner nicht viel ausrichten können, da sich diese nicht so einfach von Sperrfeuer einschüchtern lassen. Die Online-Modi sind nichts für Zocker, die sofort Erfolge feiern müssen, um ihre Motivation auf einem angemessenen Niveau zu halten. Anders als in der Einzelspieler-Kampagne werden gegnerische Stellungen nicht direkt markiert, was bedeutet, dass man ein sehr gutes Auge braucht, um Freund und Feind auseinander zu halten. In den ersten Minuten wird fast jeder Zocker mit dieser Aufgabe überfordert sein und aufgrund der vielen computergesteuerten Akteure, die gemeinsam mit ihren menschlichen Befehlshabern den Bildschirm bevölkern, keine Ahnung haben, in welche Richtung geballert werden muss. Dank dem recht großen Waffenarsenal machen die Schlachten zwar Spaß, aber gerade im Multiplayerbereich gibt es bessere Taktikshooter und auch bessere geradlinige Ballerspektakel als den zweiten Teil von Brothers in Arms.
Das größte Manko des Spiels ist die künstliche Intelligenz aller computergesteuerten Akteure. Weder die eigenen Verbündeten noch die feindlichen Truppen scheinen viele Gedanken daran zu verschwenden, eine heikle Situation zu überleben. Immer wieder fällt auf, dass die Deutschen kaum einen ernsthaften Fluchtversuch oder einen taktisch durchdachten Gegenangriff starten. Wenn sie unter Beschuss liegen, bewegen sie sich in der Regel nur wenige Meter, um sich anschließend wieder an einer Stelle zu ducken, die keinerlei Vorteil bietet. Hartsocks Truppenmitglieder machen ebenfalls eine ganze Reihe vermeidbarer Fehler. Manchmal fällt auf, dass einige Soldaten eine gute Deckung nicht erkennen können. Wenn man den Befehl erteilt, sich hinter einer Mauer zu positionieren, kommt es schon mal vor, dass mindestens einer der Kameraden neben dem Objekt in Stellung geht oder ausgerechnet eine Lücke für den sichersten Ort hält. Obwohl solche traurigen Schauspiele auf der Xbox seltener zu bewundern sind als in der anderen Konsolenumsetzung des Spiels, trüben sie den Spielspaß etwas.

Hier wird Realismus groß geschrieben. Schauplätze, wie diese zerstörte Kleinstadt, basieren meistens auf alten Fotos oder anderen Dokumenten des Krieges.
Earned in Blood ist auf der Xbox ein optisch gelungener Shooter. Vor allem im direkten Vergleich mit der PS2-Version fällt auf, dass sich Besitzer der Microsoft-Konsole glücklich schätzen dürfen, da sie eine deutlich überlegene Fassung dieses Spiels bekommen. Zwar kommt es auch hier zu gelegentlichen Rucklern und anderen kleinen Fehlern, aber im Großen und Ganzen läuft das Game wesentlich flüssiger als auf Sonys in die Jahre gekommener Hardware. Schönere Texturen, bessere Effekte, Figuren mit noch mehr Details und sattere Farben sind weitere grafische Vorzüge der Xbox-Version. Das alles wirkt sich auch positiv auf das Gameplay aus, da es wesentlich leichter fällt, den Überblick zu behalten.

Die Figuren glänzen auf Xbox durch noch mehr Details.
In Sachen Sound gibt es kaum etwas zu meckern. Die akustische Kulisse auf den Schlachtfeldern wirkt dank sehr guter Waffengeräusche äußerst realitätsnah. Entferntes Mörserfeuer und viele andere Effekte lassen jede Sekunde bedrohlich und spannend erscheinen. Auch die Sprachausgabe ist gelungen. Obwohl innerhalb der Missionen mehr Abwechslung nicht geschadet hätte, verleihen alle Sprecher ihren Figuren die nötigen Emotionen, ohne übertrieben zu wirken. Erfreulich ist, dass die deutsche Synchronisation diesmal nur geringfügig schwächer ist als der englische O-Ton. Auf Musik muss während der Levels zwar verzichtet werden, aber in den Menüs und Zwischensequenzen werden sowohl orchestrale Melodien als auch militärische Trommelwirbel angeschlagen, was ebenfalls zu der guten Atmosphäre beiträgt.
Taktikshooter-Freunde, die gleichzeitig Besitzer mehrerer Konsolen sind, sollten zur Xbox-Variante von Earned in Blood greifen. Es geschieht heutzutage nur noch selten, dass ein Game, welches für mehrere Systeme erscheint, tatsächlich auf der stärkeren Hardware eindeutig besser ist. Der zweite Teil von Brothers in Arms ist so eine Ausnahme. Obwohl es keine grundlegenden Unterschiede gibt, sorgt allein die schönere Optik schon für eine allgemein angenehmere Spielatmosphäre. Auch eine leichte Erhöhung der künstlichen Intelligenz macht sich positiv bemerkbar, ändert aber nichts daran, dass die ständige Wiederholung immer gleicher Spielsituationen, anfangs für Frust sorgt und später ein wenig Langeweile aufkommen lässt. Der hohe Grad an Realismus macht vor allem den Online-Modus zu einem Erlebnis, das sicherlich nicht den Geschmack jedes Zockers treffen wird. Dennoch ist Earned in Blood ein empfehlenswerter Taktikshooter. Selbst wenn man schon diverse Spiele dieses Genres sein Eigen nennt, bietet die Brothers in Arms-Reihe noch ein paar neue Ideen, die den beiden bisherigen Episoden zu einer originellen und äußerst realistischen Atmosphäre verhelfen.