Gray Matter im Test

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Elf Jahre nach dem letzten Kapitel der Gabriel Knight Saga meldet sich Jane Jensen mit einem neuen Mystery Adventure zurück. Kann ihr neustes Werk an alte Glanzzeiten anknüpfen?
Hach, das waren noch Zeiten, damals in den frühen 90ern.  RAM wurde noch in Mega-Bytes gemessen, CD-Roms waren übelster High-Tech und Point-and-Click Adventures die Stars auf dem Spielemarkt. Klare Sache, immerhin wurden damals Kaliber wie Monkey Island, Day of the Tentakle oder Gabriel Knight veröffentlicht, die bis heute zurecht als Meilensteile des Genres gelten.

Mit der Zeit versank das klassische Point-and-Click Abenteuer jedoch immer mehr in dem Sumpf der Bedeutungslosigkeit. Gab das Genre, Ende der 90er, noch vereinzelte Lebenszeichen wie das geniale Monkey Island 3 von sich, war der Patient Anfang des neuen Jahrtausends so gut wie klinisch tot. Adventure Fans stand eine lange Leidenszeit bevor, die sich erst in den letzten Jahren langsam dem Ende zuneigte. Nicht nur die neuen Monkey Island Episoden versprechen neuerdings wieder Knobelspaß und Lachkrämpfe, auch den Freunden ernsterer Adventures wird wieder etwas geboten. Genau in diese Kerbe schlägt nämlich Gray Matter, das neue Machwerk von Jane Jenson, das sich mit düsterer Story an alle wendet, die es gerne etwas mysteriöser mögen. Dann werfen wir doch mal einen Blick hinein...

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In dem aktuellen Abenteuer der Gabriel Knight-Macherin schlüpfen wir in die Rolle von Samantha „Sam“ Everett, einer jungen Amerikanerin, die sich als Straßenzauberin mehr schlecht als recht durch das Leben schlägt. Doch trotz all der Mühsal hat Sam ein großes Ziel. Ihr Traum ist es, den Daedalus Club, einen geheimen Privatclub der größten Illusionisten der Welt, zu finden und dort aufgenommen zu werden. Auf dem Weg nach London, wo sie  den Sitz des Clubs vermutet, geht jedoch alles schief. In tiefster Nacht verfährt sich das arme Mädel nicht nur geringfügig (statt in London, landet sie in Oxford), nein, sogar das Motorrad macht mitten in der Pampa schlapp. Fernab jeglicher Zivilisation und mitten im schönsten englischen Unwetter ist das einzige Haus weit und breit der Landsitz des Neurobiologen Dr. David Styles.  Dort angekommen gibt sich die gute Sam in der Not als die neue Assistentin des Doktors aus, auf die der gute Hirn-Heini schon sehnlichst wartet. Eine folgenschwere Entscheidung, wie sich schon bald zeigen wird. Der gute Styles ist nämlich alles andere als ein normaler Arzt und seine Forschungen sind auch nicht gerade Kindergartenkrams.

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Nach und nach entwickelt sich nun eine düstere Geschichte rund um parapsychologische Phänomene, Illusion, Verzweiflung und den Tod, die durchaus fesseln kann. Einen großen Anteil an der dichten Atmosphäre haben dabei vor allen Dingen die großteils sehr guten Sprecher, die das Spiel auch in deutsch exzellent vertonen. Eine so gute Synchronisation ist leider auch heute noch nicht Gang und Gebe. Daumen hoch an dieser Stelle, so muss das sein!

Gut, eine ordentliche Story hätten wir schon einmal, wie sieht es aber mit der Steuerung aus? Hier stellt sich ja gerade auf Konsolen die Problematik, wie sich eine Spielmechanik, die eigentlich für den PC und insbesondere dessen Maus erfunden wurde, halbwegs komfortabel auf ein Gamepad ummünzen lässt. Die Designer von Gray Matter haben sich in diesem Punkt, an dem meiner Meinung nach sinnvollsten Konzept orientiert: Dem Kreismenü.

In jedem Raum, in dem wir uns befinden, können wir demnach mittels eines Drucks auf einen Schulter-Trigger ein Kreismenü aufrufen, dass alle Gegenstände auflistet, mit denen auf irgendeine Art interagiert werden kann. Das mühsame Abgrasen des Bildschirmes mit dem (Maus-)Zeiger entfällt damit, stattdessen sucht man sich einfach per Menü das Ding seiner Wahl aus und stellt etwas damit an. Klingt zumindest in der Theorie höchst komfortabel. Leider sieht das Ganze in der Praxis jedoch ganz anders aus. Falls nämlich der (sehr häufige) Fall eintritt, dass sich mehr als 10 relevante Gegenstände in einem Raum befinden, werden trotzdem nur die 10 nächsten Objekte im Menü angezeigt. Um auch in den Genuss der restlichen Sehenswürdigkeiten zu gelangen, muss man nun quer durch den Raum latschen, in der Hoffnung, dass sich die Distanz zu den Sachen dermaßen ändert, dass jetzt die fehlenden Objekte angezeigt werden. Stellenweise ein ärgerliches Geduldsspiel, aber noch keine Vollkatastrophe.

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Diese lässt dann aber leider auch nicht lange auf sich warten. So praktisch das Kreismenü nämlich bei Dingen ist, die sich räumlich wirklich in einem Kreis um die Bildschirmmitte angeordnet befinden, so sehr versagt es in dem Fall, indem sich zwei Gegenstände hintereinander auf einer geraden Linie mit Endpunkt Bildschirmmitte befinden. Zur Veranschaulichung vielleicht ein kleines Beispiel. Wenn ich in einen Raum hineinkomme, indem im Süden eine Vase und im Osten ein Klavier steht, ist die Zuordnung im Kreismenü einfach: Stick nach unten wählt die Vase an, Stick nach rechts das Klavier. Steht nun aber die die Vase Hinter dem Klavier, oder noch schlimmer darauf, dann wirds schwierig, eine zweite Reihe existiert im Kreismenü nämlich nicht.

Ergebnis davon ist, dass das Spiel jeden Gegenstand wahllos irgendeiner Kreisposition zuordnet. So ist es an der Tagesordnung, dass das Bild, welches links von mir an der Wand hängt, irgendwo im rechten unteren Drittel des Kreismenüs geparkt wurde. Frustrierendes Herumgesuche ist die Folge.

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Auch das Befehlssystem des Spieles ist etwas gewöhnungsbedüftig. Eine Auswahlmöglichkeit verschiedener Aktionen, wie man es z.b von den Lucas Arts Adventures kennt, sucht man vergeblich. Stattdessen haben wir es mit einem kontextsensitiven Interface zu tun, das Spiel entscheidet also für mich, was ich mit einem Gegenstand zu tun oder zu lassen habe. Besonders ärgerlich dabei ist, dass anscheinend, bevor mit einem Gegenstand interagiert werden kann, dieser zuerst betrachtet werden muss. Es ist also auf gut deutsch erforderlich, erst den Aktionsknopf zu drücken, die Beschreibung über sich ergehen zu lassen, danach noch einmal den Aktionsknopf zu drücken und das alles nur, um endlich die gewünschte Aktion ausführt zu bekommen.

Diese Tatsache hat mich, was das Gameplay anbelangt, leider zu einigen Verwirrungen und Nervenverlusten verdammt, doch eins nach dem anderen. Grundsätzlich sind die Rätsel in Gray Matter nämlich alle fair und nicht allzu schwer. Es mangelt zwar etwas an Ideen-Reichtum, gute Hausmannskost wird aber auf jeden Fall geboten.  Umso ärgerlicher sind dann einige Ungereimtheiten, die einem den Tag so richtig versauen können.
  So ist es stellenweise der Fall, dass bestimmte Aktionen erst möglich werden, wenn vorher ein bestimmtes Gespräch getätigt, oder eine bestimmte andere Aktion ausgeführt wurde. Klingt an sich ja ziemlich normal, doch jetzt stellt euch folgenden Fall vor (aus Spoilergründen leicht abgewandelt): An einer Wand hängt eine Postkarte, die an euch adressiert ist. Sie ist dort mit Klebestreifen festgemacht und wäre sehr nützlich um im Spiel voran zu kommen. Was würde man in jedem Adventure erwarten? Klare Sache! Man benutzt den irgendwie gearteten Befehl „nimm/benutze/entferne/oder was auch immer“ und hat das Ding ganz easy in der Hand.

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Aber nicht in Gray Matter. Um die Karte zu bekommen muss man nämlich erst einmal in den Keller latschen, wo man gefälligst zu versuchen hat sein Moped zu starten. (Die Kellertür öffnet sich übrigens wie oben beschrieben erst, nachdem man  zweimal darauf geklickt hat... Wer das nicht weiß, hat ein Problem) Dann gilt es in das Haupthaus zurücktappen, um sich vom Hausbutler überfallen und zum Abendessen nötigen zu lassen. Wer das Abendessen dann aber nur schnell reinschlabbert und sich jeglicher Konversation enthält wird immer noch keinen Erfolg haben. Der Cursor weigert sich weiterhin beharrlich, etwas anderes als ein Betrachte-Symbol anzuzeigen. Erst nachdem man den Butler komplett über alles ausgequetscht hat, was im Dialogmenü angeboten wird, hat das Ding ein Einsehen und verwandelt sich in den ersehnten „Nimm“ Befehl. Diese total unlogische Handlungskette hat mich (u.a. auch wegen des blöden Doppelgeklicke s.o) fast eine ganze Stunde gekostet. Solche dämlichen Handlungsketten haben in einem hochklassige Adventure einfach nichts zu suchen. Ich will mir den Kopf über tolle und spannenden Rätsel zerbrechen und nicht darüber, was ich noch alles tun könnte um einen Tesafilm von der Wand zu bekommen.

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Naja, zur Ehrenrettung von Gray Matter muss zugegebenermaßen auch gesagt werden, dass solche Klöpse natürlich nicht permanent an der Tagesordnung sind (was aber nichts an der Tatsache ändert, dass ich mich tierisch darüber geärgert habe.) Deshalb jetzt genug mit Beschimpfungen meinerseits und weiter mit dem eigentlichen Spiel.

Es gibt da nämlich durchaus noch ein Feature, dass wirklich interessant sein könnte. Ihr erinnert euch doch noch, dass unsere gute Sam eine Straßenzauberin ist? Als Illusionistin hat sie natürlich auch eine handvoll Zaubertricks auf Lager, die in der ein oder anderen Situation ganz nützlich sein können. So ist es z.B ein leichtes zwei Gegenstände miteinander zu vertauschen, Telefone auf Kommando klingeln zu lassen ect... An sich also eine ganz lustige Spielidee, die viel Kreativität zugelassen hätte. Leider erinnert das tatsächliche Spielerlebnis mehr an ein Formblatt der örtlichen Behörden, als an großen Spielspaß. Alle Zaubertricks sind in Sams Zauberbuch, ganz ähnlich wie in einem Kochbuch, aufgelistet. Doch einfach loszaubern ist nicht. Zuerst müssen einmal die erforderlichen Requisiten besorgt werden. Wenn man nach einigen Verrenkungen dann alle Krach-Macher, Handys und sonstigen Teile am Start hat, fängt die Ödnis erst richtig an.
  Der guten Sam muss nämlich im Zaubereimenü, haarklein jeder Schritt vorgegeben werden, der zur Durchführung des Tricks erforderlich ist. Wir sind also damit beschäftigt, solche banalen Dinge wie :

1. Nimm Gegenstand A in die linke Hand
2. Verstecke Gegenstand B im rechten Ärmel
3. Lenke den Gegenüber ab
4. Lass Gegenstand B in rechte Hand gleiten
5. Bewege Gegenstand B über Gegenstand A
6. Lass Gegenstand A im Ärmel Verschwinden
7. Zeige Gegenstand B

einzuprogrammieren. Welch Wonne! Null Kreativität sondern einfach Kochrezept aus dem Zauberbuch anschaun und hier Wort für Wort eingeben, das wars schon. Wirklich schade, dass diese eigentlich verdammt gute Idee vergeben wurde.

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Ähnlich zwiespältig sieht es dann auch im Grafikbereich aus. Das Spiel zeigt sich in einer verfremdeten, halbrealistischen Optik. Alle Umgebungen wirken seltsam verpixelt, als hätten wir es mit einem uralten Spiel in einer groben Auflösung zu tun. Es gibt wahrscheinlich durchaus Leute, denen solch ein Look gefällt, ich selbst werde aber definitv kein großer Fan mehr. Die Charaktere dagegen sind klassisch aus Polygonen zusammengebastelt. Durchaus ordentliche Qualität muss man sagen, wenn auch weit von dem Standart eines Mass Effects entfernt. Schade ist übrigens, dass die Animationen stellenweise seltsam hölzern aussehen. So hat unsere gute Sam z. B. einen höchst reizvollen Hüftschwung am Leib, stakst gleichzeitig aber stellenweise arg storchverdächtig durch die Landschaft. Hier haben die Entwickler die Prioritäten wohl etwas falsch gesetzt. Alles in allem also ein ziemlich durchwachsenes Ergebnis.

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Zum Glück kann der Sound aber wieder einiges herausreißen. Gerade die beiden Hauptcharakter wurden sehr gut synchronisiert und überzeugen mit angenehmen Stimmen. Auch weniger bedeutende Charaktere wie die Haushälterin können hier punkten, wenngleich es auch mal leichte Ausrutscher nach unten gibt. Die Hintergrundmusik ist ebenfalls in Ordnung und untermalt das Spielgeschehen auf angenehm atmosphärische Art, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Gute Sache!

Käufer der Special Edition kommen übrigens noch in den Genuss einer CD mit dem kompletten Soundtrack des Spieles nebst einiger Tracks der Band „The Scarlet Furies“. Außerdem gibt es ein wirklich schön gemachtes Kartendeck mit Gray Matter Motiven, sowie 5 Postkarten und ein Poster. Fans werden also bestens bedient!
 

Andreas meint:

Andreas

Tja, das war also Gray Matter. Ich muss ehrlich sagen, dass mich das Spiel nicht vom Hocker gehauen hat. Es ist sicherlich ein ordentliches Adventure mit guter Story und solidem Aufbau, genau das ist aber auch seine Schwäche. Zu durchschnittlich sind die Rätsel und zu normal ist der Spielablauf. Hinzu kommen noch einige logische und spielerische Schwächen sowie eine hakelige Bedienung. Zuviel kleine Macken also um noch der erhoffte Meilenstein im Point&Click Universum zu sein. Unter dem Strich bleibt aber immer noch ein ordentliches Adventure, dass niemanden entäuschen wird.

Positiv

  • Solides Adventure
  • Guter Sound

Negativ

  • Hakelige Steuerung
  • Stellenweise etwas uninspiriert
  • Langweilige Zaubertricks
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Gray Matter Daten
Genre Adventure
Spieleranzahl 1
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 2010
Vermarkter dtp
Wertung 7.1
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