Rise of Nightmares im Test

Xbox 360

Trotz des großen kommerziellen Erfolges von Kinect dürfte inzwischen auch der Chefetage von Microsoft klar geworden sein, dass viele Xbox-Besitzer allergisch auf den Bewegungssensor reagieren. Die Gemeinde der Core-Gamer, die der Konsole immer treu gewesen ist, wird langsam sauer über die vielen familiengerechten Spiele mit simpler Steuerung, die plötzlich für ihre Ego-Shooter-Maschinen erscheinen. Kinect braucht also mehr Games, die dazu in der Lage sind, anspruchsvolle Menschen mit langen Zockerkarrieren zu faszinieren. Die meisten Entwicklerteams, die sich bisher an dieser Aufgabe versucht haben, sind hoffnungslos gescheitert. Nun wollen es aber die Programmierer von SEGAs hauseigenem Studio AM1 wissen und bringen beste Referenzen mit. Serien mit bekannten Namen wie The House of the Dead, Shinobi und Phantasy Star gehen auf das Konto der Japaner, die sich zeitweise auch SEGA Wow nennen. Mit Rise of Nightmares wollen die Experten jetzt beweisen, dass Kinect noch deutlich mehr kann, als chronische Nicht-Zocker dazu zu bringen, sich vor dem Fernseher sportlich zu betätigen

 

Rise_Of_Nightmares_1Die Story von Rise of Nightmares erinnert an ein typisches Horror-B-Movie vom Wühltisch. Ein junges Paar, das sich auf einer gemeinsamen Reise durch Osteuropa befindet, wird durch ein furchtbares Zugunglück voneinander getrennt. Nachdem eine mysteriöse Kreatur die Angebetete verschleppt, macht sich der Protagonist umgehend auf die Suche. Wenig später stellen er und die weiteren Überlebenden der Katastrophe fest, dass sie in einer Region gelandet sind, in der es vor Zombies, verrückten Wissenschaftlern und weiteren Fieslingen nur so wimmelt. So wird aus der geplanten Rettungsaktion schnell ein Kampf ums eigene Überleben. Gruselstimmung kommt bei den billigen Schockeffekten nur selten auf. Genrefans, die Horrorgeschichten nicht allzu ernst nehmen, können sich über die vielen Klischees, die hier bedient werden, aber durchaus amüsieren.

 

Rise_Of_Nightmares_3Rise of Nightmares wird komplett in der Ego-Perspektive präsentiert, was bei einem Action-Game dieser Art auch sinnvoll ist. Obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, wie ein weiterer Shooter der The House of the Dead-Reihe, ist der neue Kinect-Titel keine reinrassige Ballerorgie. Bei den meisten der verfügbaren Waffen handelt es sich um Klingen oder Schlagwerkzeuge. Viele Objekte können zwar auch geworfen werden, aber der Kampf gegen die Zombies ist meistens sehr persönlich. Sobald die Arme gehoben werden, geht unser Held in Kampfhaltung. Anschließend können die anstürmenden Zombiehorden nach Herzenslust verprügelt oder zerhackt werden. Das klappt erstaunlich gut, wird aber leider sehr schnell langweilig. Die Gegner sind unglaublich doof und die Kämpfe sind dementsprechend simpel. Es ist relativ egal, welche der zahlreichen Waffen gerade zur Verfügung steht, es werden, bis auf sehr wenige Ausnahmen, immer wieder die gleichen Bewegungen ausgeführt. Sehr frustrierend ist, dass kein Arsenal aufgebaut werden kann. Wer ein neues Objekt der Begierde aufhebt, lässt automatisch seine bisherige Zombiekiller-Ausrüstung fallen. Außerdem nutzen sich die Messer, Eisenstangen, Schlagringe und alle die anderen schönen Dinge erschreckend schnell ab und werden nach wenigen Duellen nutzlos. Es nervt extrem, wenn man sich gerade mit einer schicken Kettensäge angefreundet hat und das Gerät innerhalb von drei Minuten zerbröselt. Die SEGA-Entwickler haben anscheinend vergessen, dass es wichtig ist, den Jagd- und Sammeltrieb ihrer Kundschaft zu befriedigen.

 

Das Game dreht sich nicht ausschließlich um das Niedermetzeln von gruseligen Gestalten. Kleinere Geschicklichkeitstests und Mini-Rätsel sind ebenfalls mit von der Partie. Oft wird der Mensch vor dem Bildschirm lediglich dazu aufgefordert, eine realitätsnahe Bewegung auszuführen, um mit der virtuellen Umgebung zu interagieren. Es ist zwar anfangs lustig, dass Türen aufgestoßen werden müssen und zum Überwinden einer Leiter die Arme zum Einsatz kommen, doch solche Aktionen bringen im Grunde keinerlei spielerischen Mehrwert. Die Rätsel sind extrem simpel und beschränken sich meistens auf das Aufspüren von Schlüsseln und Schaltern, um verschlossene Türen zu öffnen. Viel zu selten wird man mit größeren Herausforderungen, wie einem kurzen Sprint oder einem Balanceakt überrascht.

 

Rise_Of_Nightmares_4Das größte Problem von Rise of Nightmares ist die Bewegungsfreiheit. Mit Spielen wie Child of Eden oder The Gunstringer wurde bereits bewiesen, dass Kinect sich durchaus eignet, um Rail Shooter, in denen ein fester Weg vorgegeben ist, gut in Szene zu setzen. Doch SEGA will mehr. Der Spieler kann sich in jede Richtung zu drehen, und sobald ein Fuß nach vorn gestellt wird, setzt sich der Protagonist in Bewegung. In der Theorie hört sich das toll an, in der Praxis entpuppt sich die ambitionierte Steuerung aber als mittelschwere Katastrophe. Auch wenn wir es uns sicherlich alle wünschen, ist Kinect nicht in der Lage, jede Regung des menschlichen Körpers exakt in die virtuelle Welt zu übertragen. Was passiert, wenn man sich beim Zocken umdreht? Richtig! Man sieht den Fernseher nicht mehr, was ziemlich störend sein kann. Darum muss in Rise of Nightmares auch nur eine halbe Drehung in der Realität gezeigt werden, um den Videospiel-Stellvertreter rotieren zu lassen. Das ist umständlich und erfordert ein sehr exaktes Timing, was dazu führt, dass der Spielfluss empfindlich gestört wird. Soll der Freundinnen-Retter und Monster-Zerhacker gleichzeitig auch noch gehen, wird die Sache zur Tortur. Wenn die Positionierung des Helden in einem Action-Spektakel mehr Zeit in Anspruch nimmt als das Bekämpfen der Gegner, kann etwas nicht stimmen. Tragisch ist, dass die Programmierer den Microsoft-Sensor grundsätzlich gut im Griff haben. Leider sind weder Maschine noch Mensch dazu in der Lage, die Tricks vorzuführen, die SEGA von ihnen erwartet.

 

Irgendwann haben auch ausdauernde Kinect-Fans genug und verwenden die Hilfsgeste. Durch das Heben des rechten Arms wird die Spielfigur automatisch in die korrekte Richtung gelenkt. So verkommt Rise of Nightmares endgültig zu einer stumpfen Mosterprügelorgie. Daran ändern auch diverse Schwierigkeitsgrade und versteckte Bonus-Objekte, die einen tieferen Einblick in die Story erlauben, wenig.

 

Rise_Of_Nightmares_6Auch wenn es darum geht, die Grafik zu beschreiben, muss The House of the Dead erwähnt werden, denn das neue Kinect-Spiel sieht so aus wie eine aktuelle Version der legendären Lightgun-Ballersaga. Sowohl die Modelle der Gegner als auch die der Verbündeten machen einen etwas billigen Eindruck und zeigen erneut, dass viele japanische Entwicklerteams langsam aber sicher den Anschluss zum Rest der Welt verlieren, wenn es darum geht die aktuellen Konsolen zu technischen Höchstleistungen zu bewegen (Für den Satz werdet ihr mich im neXGam-Forum wüst beschimpfen, aber ich kann es ertragen). Obwohl auch die Kulissen häufig mit verwaschenen Texturen überzogen sind und bestimmte Objekte zu oft verwendet werden, ist das Game optisch gesehen abwechslungsreich genug, um Freunde von Horror-Abenteuern bei Laune zu halten. Es soll ja Menschen geben, für die Brutalität in Videospielen ein Qualitätsmerkmal ist. Diese Zeitgenossen dürfen sich über bildschirmfüllende Blutfontänen und übel zugerichtete Untote freuen.

 

Wie die meisten Gruselfilme setzt auch AM1 bei der akustischen Untermalung eher auf vereinzelte verstörende Töne als auf aufwendig komponierte Melodien. Diese Strategie geht auf, denn wenn das Foltern eines Streichinstruments von Zombiegeheul begleitet wird, kommt die richtige Stimmung auf. Wie nicht anders zu erwarten, wurden äußerst mittelmäßige englischsprachige Schauspieler engagiert, um den Figuren Leben einzuhauchen. Oft schießen die Akteure über das Ziel heraus und wirken unfreiwillig komisch. Aber dumme Sprüche sind inzwischen fester Bestandteil der Videospielkultur und es ist durchaus möglich, sich darüber köstlich zu amüsieren (Suffer like G. Did?).




Tim meint:

Tim

Rise of Nightmares ist ein weiteres gescheitertes Kinect-Experiment. SEGA wollte uns mit einem anspruchsvollen Action-Game überraschen, das mehr aus der Hardware herauskitzelt als andere Genrevertreter. Das Ergebnis ist ein äußerst mittelmäßiges Horror-Abenteuer mit einer Steuerung die so umständlich ist, dass der Spaß auf der Strecke bleibt. Leider sind auch Zombies heutzutage kein Allheilmittel mehr. Die Untoten haben sich längst vom coolen Subkultur-Phänomen zur Mainstream-Plage entwickelt und können nicht über die vielen Macken im Gameplay hinwegtäuschen.

Positiv

  • Trash-Charme
  • Eines der wenigen Kinect-Games für Erwachsene

Negativ

  • Simple Kämpfe
  • Umständliche Steuerung
  • Mittelmäßige Optik
Userwertung
7.43333 9 Stimmen
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Forum
  • von khaos:

    Kenne ich. gefühlt 90% des Spiels habe ich die zu-nah-am-Bildschirm-Warnung gesehen und mir die Fersen an der Couch wund gescheuert ...

  • von Retro:

    Hier kann ich die Wertung nicht so ganz nachvollziehen... Ja, die Grafik ist eher mittelmäßig, und ja, manchmal ist es auch etwas umständlich zu steuern- aber immer noch im Rahmen und besser als manch anderes Kinect-Game. Aber im großen und ganzen hat Rise of Nightmares durchaus Spaß gemacht,...

  • von khaos:

    Na es wäre dann ein sehr unterdurchschnittliches Spiel irgendwo zwischen Resident Evil und House of the Dead gewesen. Wäre wohl zu recht vollkommen in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. SO wie es jetzt ist, ist es ein absolut einmaliges Spiel, was einem ein Anderes Spielgefühl vermitteln kann,...

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Rise of Nightmares Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz 1080p
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 2011-10-09
Vermarkter SEGA
Wertung 5.3
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neXGam YouTube Channel
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