Detroit 2027. In gar nicht allzu ferner Zukunft stehen mechanische und biomechanische Implantate hoch im Kurs. Nahezu jede Funktion des menschlichen Körpers kann durch ein Implantat gesteigert werden. Doch nicht jeder kann sich das Teuerste leisten. Dazu kommt die ethische Komponente: Viele Menschen sehen in der Komplettmodifikation ein Problem, was bis zu Hetzkampagnen gegen sogenannte „Optis“ führt.
Adam Jensen – der Protagonist von Deus Ex: Human Revolution - ist so ein Opti. Im Gegensatz zu vielen anderen seiner modifizierten Mitmenschen jedoch nicht aus freien Stücken. Adam ist Sicherheitschef bei Sarif Industries und spezialisiert auf Infiltrationen. Seit er bei einem Überfall schwer verletzt wurde und dabei seine Freundin das Leben verlor, lebt Adam unfreiwillig mit Implantaten und einer Leere in seinem Herzen.
Was ist Deus Ex: Human Revolution eigentlich? Ein Rollenspiel? Ein Shooter? Ein Stealth-Action Game? Die Antwort ist: Von allem etwas. Denn das Spiel gibt dem Spieler nie vor, wie ein Quest zu lösen ist. Nahezu jede Mission kann entweder durch Hackerskills, Stealth-Einlagen oder roher Waffengewalt gelöst werden. Manchmal ist auch Diplomatie gefragt und Adam kann mit Hilfe von Sozialimplantaten auf gesteigerte Kommunikationsfähigkeiten zurückgreifen und Aufgaben durch geschickte Dialoge lösen. Ganz in der Tradition von Rollenspielen gibt jedes Ausschalten von Gegnern Erfahrung, wie auch das Lösen von Quests. Steigt die Erfahrung, erhält Adam Praxispunkte, die man zur Steigerung von Implantat-Fähigkeiten einsetzen kann. Hier kann der Spieler dann entscheiden, welche Fähigkeiten gesteigert werden. Der Stealth-Freund skillt so Unsichtbarkeit, lautloses Schleichen, Sichtfeldinformationen auf dem Radar etc. Wer lieber allerhand Terminals hackt und die KI für sich kämpfen lässt, steigert seine Hacker Skills. Bevorzug ein Spieler die rabiate Tour lassen sich Rüstungen verstärken oder eben die Extremitäten aufbessern.
Besonders gut implementiert ist der Nutzen der Implantats-Verbesserungen. So erschließen sich teils vollkommen neue Wege eine Aufgabe zu lösen, wenn man die Herausforderungen erfüllt hat. Der Hacker knackt eine Tür um ins Gebäude zu kommen, der Stealth-Spieler schleicht durch die Kanalisation und der rabiate Typr haut einfach ein paar riesige Kisten kaputt um eine Abkürzung zu nehmen. Das macht das Spiel nicht nur unglaublich variabel und vermittelt den Eindruck von Freiheit, sondern lädt auch dazu ein mehrere Durchgänge anzugehen, denn je nach Spezialisierung bietet Deus Ex: Human Revolution ein komplett neues Spielerlebnis.
Ebenfalls lobenswert zu erwähnen ist der Umfang. Die ca. 20 Std. Spielzeit führen Adam dabei in allerhand Metropolen auf der ganzen Welt, welche für Fans des Cyberpunk eine Menge fürs Auge bieten. Zwar wird jedes Klischee des Genres bedient, wie verkommene Städte, in denen nie die Sonne scheint, dreckigen Punks in Seitengassen, Hochhäusern und übertriebener Technisierung, aber sind wir mal ehrlich: Erwartet das nicht der Spieler und Fan von Cyberpunk? Da das Genre in den letzten Jahren eh rapide zu kurz gekommen ist, ist Deus Ex: Human Revolution eine gelungene Abwechslung von Elfen, Orks oder Nazideutschland.
Doch ist wirklich alles super an Deus Ex: Human Revolution? Nein, natürlich nicht. Die Möglichkeit, Quests auf unterschiedliche Art zu lösen führt dazu, dass kein Weg wirklich ausgereift ist. Wachen sind beim Schleichen stronzdumm und oft reicht es schon in eine Klokabine zu flüchten, während 10 Mann auf die Kabine schießen. Nach wenigen Minuten „verliert“ die KI die Spur und lässt von euch ab. Genauso bleiben Waffen von niedergestreckten Kameraden liegen und keiner der KI-Patrouillen fragt sich, wo denn der Besitzer der Waffe abgeblieben ist. Der Shooter-Part spielt sich insgesamt ziemlich durchschnittlich, packende Cover-Ballereinlagen gibt es nicht, man sollte also kein Killzone, etc. erwarten. Beim Hacken stört die teils willkürliche Art, wann die KI ein Eindringen ins System entdeckt. Zudem nerven lange, wenn auch seltene, Ladezeiten auf den Konsolen.
Technisch ist Deus Ex: Human Revolution wirklich gut gelungen. Die Optik und die Atmosphäre des Cyberpunks sind klasse eingefangen, die Außenareale bei Nacht sehen großartig aus, wenn sie auch nicht besonders detailliert sind. Der größte technische Schwachpunkt ist jedoch die Asynchronität bei Gesprächen. Selten passen die Lippenbewegungen zum Gesprochenen, zudem fällt die deutsche Synchro mit teils überbetontem Acting auf.
Deus Ex: Human Revolution ist ein Pflichtkauf für Spieler, die keine Lust haben sich ihre Art zu spielen vom Spiel vorschreiben zu lassen. Wer dazu noch ein frisches Setting sucht, ist mit Deus Ex: Human Revolution richtig bedient. Selten war ein Spiel so abwechslungsreich und liebevoll inszeniert. Auch die überall verteilten E-Books mit Hintergrundgeschichten lassen einen schnell in die Welt von Deus Ex eintauchen. Wer jedoch einen Shooter mit Düstersetting sucht, sollte lieber auf The Darkness II warten.