Ultracore ist ein 2D-Action-Plattformer, jedoch weniger nach typischem Contra-Vorbild, sondern eher im europäischen Turrican-Stil. Also mit stets in alle Richtungen scrollenden, großen und mit allerlei Geheimnissen gespickten Welten, ohne aber, wie beim Metroid-Genre, komplett verbunden zu sein. Geballert werden darf übrigens in viele verschiedene Winkel, weshalb Ultracore auf den modernen Konsolen recht passend eine Twinstick-Steuerung spendiert bekommen hat, die euer Überleben ein ganzes Stück leichter macht. Sehr modern und flexibel wirkt auch, dass ohne eigene Taste eine Schussrichtung beim Laufen gehalten, sowie im Stehen fast stufenlos in alle Richtungen geschossen werden kann. Dazu gibt es ein paar recht ähnlicher Spezialwaffen und Bildschirm reinigende Bomben.
Technisch merkt man Ultracore an, dass es zum Ende der 16 Bit-Ära entstanden ist. Zwar wurde auf die zu dieser Zeit angesagte Render-Grafik oder dezente Polygon-Spielereien verzichtet. Doch liegt hier in jeder Hinsicht hochwertiges Mega Drive-Material vor. Auch wenn die Farbgebung und die Hintergrunddetails vielleicht ein bisschen altbacken gewirkt haben könnten. Möglicherweise sieht man hier, dass Ultracore ebenfalls auf dem grafisch etwas eingeschränkteren Amiga Heimcomputer erscheinen sollte.
Die detailreichen Sprites sind weich animiert und Blitze durchschießen die metallenen Feinde, während das Maschinengewehrfeuer auf sie einschlägt und in ihre Einzelteile zerbersten, die effektvoll an Boden und Wand abprallen. Technisch konnte man DICE also bereits damals nicht viel vormachen. Ohne gleich zur Konsolenreferenz zu werden, gehört es gut und gerne zu den schöneren Mega Drive-Spielen. Ruckler und Spriteflackern sucht ihr fast selbstverständlich, dank des kräftigen Motorola 68000 Prozessors und etwas Programmiergeschick, vergeblich. Nur selten bei großen Gegnern und Explosionen schleichen sich kleinere Grafikfehler ein.
Negativ fällt hingegen auf, dass Ultracore nicht allzu viel optische Abwechslung zu bieten hat. Ein paar mehr weniger karge Außengebiete und ausufernde Gänge in Stahlblau und dunkelgrün. Es bedarf natürlich nicht in jedem Spiel ein Lava- und ein Eis-Level, aber selbst trostlose Planeten und auch künstliche Korridore hätte man lebendiger und aufregender darstellen können. Ähnliches gilt ebenso für die Gegner, deren Vielfalt zwar noch in Ordnung geht, gestalterisch allerdings doch etwas zu monoton daherkommen.
Leider muss sich Ultracore gefallen lassen, als Beispiel für das negative Klischee europäischer Actionspiele herangezogen zu werden. Denn häufig ergießen sich einfach nur Massen an Gegnern über euch, ohne dabei besonders ausgeklügelte Strategien zu fordern. Eine Energieleiste, die eine gute Anzahl Treffer toleriert, machts möglich. Hierbei gilt es dann, geschickt den Schusswinkel anzupassen und einen gewissen Abstand zu den oft nahkampforientierten Robotern zu halten. Beides gleichzeitig und schnell auszuführen macht durchaus Spaß, nutzt sich über die Spieldistanz allerdings trotz der cleveren Schussmechanik etwas ab. Außerdem sind Treffer durch Gegner manchmal schlicht nicht zu vermeiden, wenn ihr beispielsweise per Lift in sie hineingefahren werdet. Oder ihr springt in bodenlose Abgründe, die sich nicht immer klar von sicheren Wegen unterscheiden lassen. Dafür verlangt auch Ultracore weniger, das Auswendiglernen der Level, als die meisten japanischen Action Plattformer.
Die diversen Waffen, die meist in alternativen Pfaden versteckt sind und alle aus dem selben Munitionsvorrat gespeist werden, ändern wenig an den Schusswechseln und erhöhen lediglich eure Schlagkraft etwas. Abgesehen davon ist bei den Bosskämpfen aber auch die Standardwaffe mit unendlicher Munition durchaus ausreichend.
Am meisten fallen allerdings eine gute Handvoll Sprungpassagen auf, die plötzlich vollste Konzentration und Präzision verlangen und jedes Mal wie absolute Fremdkörper wirken. Nicht selten werden Extraleben bis ins Zweistellige angehäuft, nur um sie an einer einzigen Stelle restlos zu verpulvern. Um fair zu sein - so schwer oder unfair sind sie nicht und spielt man sie ein paar Mal, sind sie mit etwas Disziplin auch zu meistern. Sie wollen allerdings nicht so recht zu einem ansonsten eher lockeren und unkomplizierten Spiel passen, dass Ultracore die restliche Zeit über sein will. Bis zum besonders langen fünften Level mit seinem ausgedehnten Bosskampf, sind diese Momente die mit Abstand schwersten und können euch schnell zwingen, erneut vom letzten Passwort, also Levelanfang, zu starten, inklusive 16-stelligem Eingabespaß. Schockierenderweise übrigens ebenfalls auf den modernen Konsolen. Solche Designentscheidungen treffen wohl bei den wenigsten auf Gegenliebe, auch wenn Extraleben großzügig in den Stahlhöhlen versteckt sind.
Zum Glück gibt es eine ganze Menge Bosse in den fünf Leveln, die zumindest nach den ersten zwei drei Versuchen allesamt fair und beherrschbar zu handhaben sind. Vor allem aber erfordern sie durchweg unterschiedliche Strategien und machen auch Spaß, wenn sie einmal durchschaut sind. Das konnte Turrican seinerzeit nicht so gut.
Die originale Musikuntermalung klingt, als hätte man bewusst Retro sein wollen und lassen vermuten, sie sei eher im letzten Jahrzehnt, denn in den 90ern entstanden. Doch ist sie wirklich damals komponiert worden und weckt wohlige Erinnerungen an deutsche C64- und Amiga-Melodien, ohne unoriginell zu wirken. Das steht Ultracore nicht schlecht, allerdings lässt es trotz der harten Klangeffekte etwas Adrenalin und Atmosphäre vermissen.
Auf den modernen Konsolen gibt es neben der Twinsticksteuerung noch ein weiteres Schmankerl. Optional kann auf einen 90 Minuten langen Soundtrack des recht jungen Synthwave-Genres gewechselt werden. 12 Künstler bzw. Bands des stilreinen Labels FiXT liefern derart gut passende Titel ab, wie man sie nicht erwarten würde, wenn Spiel und Musik ohne jede Verbindung zueinander entstanden sind. Dazu gehören natürlich Scandroid, dessen einziges Mitglied sowohl hinter FiXT, als ebenfalls hinter der bekannten Elektrorockband Celldweller steht. Aber auch Fury Weekend, Red Marker, Vectorwolf Mega Drive oder 3Force komponierten erstklassigen Vorzeige-Synthwave, der ungeahnte Qualitäten aus dem eigentlich damals vollendeten Ultracore erweckt. Tatsächlich gehört diese Sammlung für mich zu einem der besten Videospielsoundtracks der letzten Jahre.
Mit modernen Bässen und Liedstrukturen zelebriert Synthwave eine elektronisch idealisierte Form von typischen Klängen der 80er und dessen Popkulturideen von Maschinenherrschaft und Transhumanismus. Nicht nur also perfekt passend in die heutige Zeit, sondern auch zu gerade diesem Spiel. Trotz des offensichtlichen Fehlens pinker und türkiser Farbelemente.
So entsteht ein ganz eigener Reiz, mit dem, vor allem auf den Standbildern, ziemlich cool aussehenden Waffen-Lord, auf herrlich 80er-mäßige Maschinenjagd zu gehen. Leider sind dessen lange Haare auch nur dort und kaum beim spielbaren Sprite zu bewundern. Im Spiel sieht er deutlich uninteressanter aus. Wer gar in den Optionen die Effekte ausstellt, wähnt sich beinahe in einem von Fans gebastelten Musikvideo oder perfekt inszeniertem Trailer zu Ehren klassischer 2D-Shooter und düsterem Cyberpunk.
Und hier noch ein kleiner Komplettdurchlauf ohne Continues des Autors: