Zumindest vorerst, denn wie selten dauerhafte Exklusivität heutzutage ist, davon kann jeder Zocker ein Liedchen singen. Zum Zeitpunkt dieses Tests ist der Titel von Cellar Door Games nach dem Release für Windows, Linux und Mac vergangenes Jahr jedenfalls mit geballter Kraft auf Sonys Maschinen eingeschlagen. PS3, PS4 und Vita werden bedient, dank großzügig geschnürtem Crossbuy-Paket mit Cross-Save-Funktion ein verlockendes Angebot quer über alle Plattformen . Seit Ende Mai 2015 dürfen dann auch Xbox One Besitzer ran.
Und tatsächlich verbirgt sich hinter dem Titel ein genealogischer Abkömmling der Roguelikes. Genealogisch, weil das große Gimmick hier der Umstand ist, dass dem bei Artverwandten üblichen permanenten Tod ein Schnippchen geschlagen wird. Zwar ist das Ableben des Helden ebenso endgültig wie anderswo, jedoch darf der Spieler immer mit einem Nachfahren des Verstorbenen sein Abenteuer fortsetzen. Gold, Ausrüstung und Level gehen dabei nicht verloren und in jeder Generation hat man die Wahl zwischen drei zufällig erstellten Recken. Da der Tod überall lauert, kann man sehr bald auf eine lange Ahnenreihe zurückblicken ... wobei dem Dahingeschiedenen ein seiner Leistung entsprechender Titel verliehen wird. Ja, in »Rouge Legacy« segnet man häufiger das Zeitliche als in From Softwares berüchtigten »Souls«-Eskapaden.
Der Luxus freier Klassenwahl ist dem Spieler dabei verwehrt. Viel mehr widmet sich jeder Charakter auf eigene Faust der bevorzugten Profession. So kann es passieren, dass auf dem taffen Barbaren nur zwei körperlich schwächliche Zauberer und ein Minenarbeiter folgen. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als mit einem der ungeliebten Sprösslinge die Burg zu stürmen. Der Vorteil ergibt sich daraus, dass man auf diese Weise zwangsläufig aus seiner Komfortzone bewegen und auch mal unterschiedliche Spielarten kennenlernen muss. Vielleicht lernt der typische Fan der Melee-Klassen so am Ende noch zauberkundige Charaktere schätzen.
Das Erforschen der Gemäuer stellt sich dabei als Metroidvania-artiger Action-Hüpfer aus der Seitenansicht dar. Wie es sich für Roguelikes gehört, wird das Areal bei erneutem Betreten prozedural generiert. So weiß man nie genau, was vor einem liegt. Anders als bei sonstigen Rogue-inspirierten Spielen läuft aber alles in Echtzeit ab, nicht rundenbasiert. Geschicklichkeitspassagen, Stachelfallen, fies platzierte Gegner ... Fans von Castlevania und den alten Ninja Gaidens fühlen sich hier wohl. Der Charakter steuert sich dabei absolut flüssig und exakt. Spätestens nach Erlernen von Fähigkeiten wie dem Dash oder dem Doppelsprung hat man nie das Gefühl, einer Situation steuerungsbedingt nicht gewachsen zu sein. Es kommt einzig und allein auf die eigene Geschicklichkeit an.
Burg, Wald, Turm und Kerker wollen erkundet werden, und jeder der Schauplätze hat einen fiesen Obermotz zu bieten. Der Eingang zum Erforschen ist immer das Schloss, in welcher Reihenfolge man sich von dort aus aber aufmacht, die anderen Örtlichkeiten zu erkunden, wird dem Spieler nicht diktiert. Einzig und allein die Unterschiede im Schwierigkeitsgrad können einen auf einen bestimmten Weg leiten. Besonders wertvolle Schätze sind oft in Winkeln mit speziellen Herausforderungen verborgen. So muss vielleicht die Truhe erreicht werden, ohne in dem mit Stacheln übersäten Raum Schaden zu nehmen oder Sprünge sind tabu.
Technisch gibt sich die Indie-Perle schlicht, aber sauber. Der aktuellen Mode geschuldet muten Spriteheroen und Pixeldungeons wie dem Jahr 1993 entrissen. Lustige Kopffüßler und ein Sammelsurium cartoonhafter Inkarnationen bekannter Fantasy- und Horrorgestalten bevölkern das Spiel. Nur bei manchen Effekten blitzt die moderne Natur des Games auf, bspw. wenn sich bei einem kurzsichtigen Charakter alles nach ein paar Metern Entfernung in einen milchigen Nebel verwandelt. Die Musik untermalt das Abenteuer dezent und stimmungsvoll, ohne aber dabei besonders einprägsam zu sein.
Ich bin alles andere als ein Fan von künstlich auf Retro getrimmter Grafik. Wer Retro-Look will, der soll seine Spiele bitte auch für Retro-Konsolen entwickeln. Aber Rogue Legacy hat es mir trotzdem angetan. Die Grundidee, Roguelike und Metroidvania zu verschmelzen, ist bereits grandios. Aber der witzige Ansatz mit dem generationenübergreifenden Gameplay und die lustigen Besonderheiten der Nachkommen setzen dem Ganzen die Krone auf. Originell, umfangreich und sehr gut spielbar: das ist Rogue Legacy. Nur eine spannendere Story hätte dem Ganzen nicht geschadet.