Darf ich vorstellen: Garrett, der Meisterdieb
In Deadly Shadows schlüpft ihr abermals in die Haut von Garrett, dem meisterhaften Dieb. Einst wurde er von den Hütern, einer Organisation, die über die Stadt wacht, ausgebildet und mit seinen Fähigkeiten vertraut gemacht. Viele Jahre später, kontaktieren die Hüter Garrett erneut und bitten ihn um Hilfe: eine Prophezeihung kündigt das Zeitalter der Finsternis an und eben Garrett spielt eine zentrale Rolle in dieser. Nun liegt es an euch, der Prophezeihung auf den Grund zu gehen und eine unfassbare Verschwörung aufzudecken. Die Story ist dabei spannend, verstrickt und glänzt gerade gegen Ende mit vielen Wendungen. Alte Dark Project-Fans freuen sich ausserdem über ein Wiedersehen mit alten Bekannten, die fanatischen Hammeriten und naturverbundenen Heiden sind nämlich ebenso präsent wie die Hüter.
Einem offenen Gefecht solltet ihr aus dem Weg gehen
Das Hauptaugenmerk des Gameplays liegt natürlich auf Schleichen, wobei euer bester Freund der Schatten ist. Euer wichtigstes Utensil stellt der Lichtkristall am unteren Bildschirmrand dar, der euch mit seiner Färbung verrät, ob ihr für eure Gegner sichtbar seid oder die Dunkelheit euch tarnt. Mit der X-Taste begebt ihr euch in den Stealth-Modus, in dem sich der Meisterdieb in bester Sam Fisher-Manier lautlos und langsam bewegt (laute Laufgeräusche können euch natürlich auffliegen lassen). Nun gilt es, die Laufwege der Wachen genau zu studieren und den richtigen Augenblick für einen Angriff abzuwarten.
Dieser Angriff startet im Idealfall durch das Heranpirschen von hinten, seid ihr dann nah genug an den Gegner herangekommen, könnt ihr ihn mit dem Knüppel lautlos erledigen oder einen Stealth-Kill mit Garrets Dolch ausführen, was jedoch wesentlich lauter und blutiger vonstatten geht. Der bewusstlose Körper sollte dann allerdings im Schatten versteckt werden, da nachfolgende Wachposten sonst Alarm schlagen. Apropos Alarm: wurdet ihr erst einmal entdeckt, begeben sich alle Wachen in der Umgebung auf die Suche nach euch und durchkämmen das Gebiet mit gezogener Waffe. Sollten sie euch nach einiger Zeit jedoch immer noch nicht gefunden haben, kehren sie auf ihren Wachposten zurück und löschen den Eindringling quasi aus ihrem Gedächtnis.
Diese Wache bekommt bald Garretts Dolch zu spüren
Wer jedoch glaubt, dass der Meisterdieb ohne das Überraschungsmoment harmlos ist, hat die Rechnung ohne seine Ausrüstung gemacht. Neben dem erwähnten Dolch und Knüppel könnt ihr nämlich ebenfalls auf euren Bogen zurückgreifen, den ihr in der Ego-Perspektive mit unterschiedlichen Pfeilen spannen und auf Gegner abfeuern könnt. Der Standard-Pfeil ist für Angriffe aus dem Hinterhalt geplant, oftmals könnt ihr einen Wächter mit einem gezielten Schuss ausschalten. Eine wichtige Rolle kommt dem Wasserpfeil zu, da ihr mit ihm Fackeln löschen könnt. Der Moospfeil solte bevorzugt auf Metall-Böden geschossen werden, da die sich ausbreitende Mooschicht eure Schrittgeräusche dämpft. Schließlich wären da noch der Lärmpfeil (für Ablenkungsmanöver), der Gaspfeil und der Feuerpfeil, der gegen stärkere Gegner Wunder wirkt. Wie ihr seht ist der Bogen universell einsetzbar, doch es gibt noch weitere hilfreiche Gadgets.
Der Bogen ist für eure Abenteuer unerlässlich
In jeder Mission könnt ihr wertvolle Gegenstände mitgehen lassen und sie dann beim Hehler verkaufen, danach könnt ihr für das erworbene Geld neue Ausrüstung kaufen z.B. Blitzbomben, die eure Gegner für kurze Zeit blenden und euch Zeit zur Flucht verleihen, Spezial-Handschuhe, mit denen ihr bestimmte Wände hochklettern könnt, oder Ölflaschen, auf deren Inhalt die Wächter ausrutschen können. Das Herumprobieren mit den Gadgets macht absolut Spaß, so kann man ausgekipptes Öl mit einem Feuerpfeil entzünden und eine Flammenbarriere errichten oder Blutspuren mit einem Wasserpfeil löschen. Trotz all dieser Möglichkeiten solltet ihr einer direkten Konfrontation mit einem Feind trotzdem aus dem Weg gehen, da ihr im offenen Kampf selbst mit Heiltränken schnell zu Grunde geht.
Durch euer Inventar könnt ihr euch übrigens mit der schwarzen bzw. weißen Taste des Pads schalten, was jedoch gerade während eines Kampfes recht unkomfortabel ist.
Eine bedeutende Neuerung im Vergleich zu den Vorgängern ist die Third Person-Perspektive. Während ihr Garrets bisherige Abenteuer ausschließlich aus der Ego-Perspektive erlebt habt, könnt ihr in Thief: Deadly Shadows alternativ auch die drehbare Third Person-Kamera anwählen. Gerade für das unverzichtbare Schleichen ist diese Perspektive einfach geeigneter, da ihr einen deutlich besseren Überblick habt. Dafür sorgt auch das Move-Repertoire: mit dem Steuerkreuz könnt ihr euch in eine Richtung lehnen, um Ecken spähen und das mechanische Auge (Zoom-Funktion) einsetzen, mit B presst ihr euch an eine Wand und mit Y springt ihr und erklimmt Wände.
Durch spezielle Gadgets könnt ihr z.B. an Wänden hochklettern
Ebenfalls neuartig ist die Möglichkeit, die namenlose Stadt frei zu erkunden. Zwischen den 9 Missionen, die euch unter anderem in eine Hammeriten-Kathedrale und ein prächtiges Strandhaus führen, könnt ihr die verschiedenen Stadtviertel frei begehen und Geheimnisse entdecken, in Häuser einsteigen oder neue Ausrüstung kaufen. Zudem könnt ihr das neue Gruppen-Feature austesten: die Hammeriten und Heiden stellen euch nämlich bestimmte Aufgaben, bei deren Erfüllung euer Ansehen in der Fraktion steigt. Das kann dazu führen, dass euch die Mitglieder einer Gruppe nicht mehr angreifen. Das offenere Spielprinzip ist auf jeden Fall erfrischend, da es in der Stadt einiges zu entdecken gibt und ihr die hübsch designten mittelalterlichen Straßen und Bauten genauestens inspizieren könnt.
Die Hammeriten sind religiöse Fanatiker, die über großes Wissen in Sachen Technik verfügen
Die Interaktion mit der Umgebung kommt nicht zu kurz: so könnt ihr Kisten oder Flaschen aufheben und durch die Gegend werfen, um die Wachen abzulenken. Die bekannte Havok Physik-Engine sorgt dabei für physikalisch korrekte Flugbahnen und Bewegungen. Die Engine lässt die Levels lebendig wirken und zeigt sich realistischer als noch in Deus Ex 2 (ebenfalls von Ion Storm entwickelt), wo das Masseverhältnis sehr merkwürdig wirkte.
Optisch zeigt sich Thief: Deadly Shadows von seiner besten Seite. Die Licht- und Schatteneffekte sehen umwerfend aus, die Charaktermodelle sind detailreich und die Texturen glänzen mit Normal Mapping. Zudem ist die Level-Architektur absolut überzeugend und wartet mit vielen unterschiedlichen Lösungswegen auf. Leider fordert diese Grafik-Pracht ihre Opfer: wie schon in Deus Ex 2, das die selbe Engine wie Thief III benutzt, ist die Framerate oftmals holprig und kommt selten über 30fps hinaus, bei hohem Feindaufkommen kann das Ruckeln sehr störend sein. Auch die Ladezeiten zwischen den Abschnitten sind nicht ohne, wobei hier ein kleiner Fortschritt im Vergleich zu DX2 auszumachen ist.
Die Licht- und Schatteneffekte sind oftmals beeindruckend
Der Sound des Spiels trägt enorm zur fantastischen Atmosphäre bei. Die englische Sprachausgabe überzeugt auf ganzer Linie und wurde mit deutschen Untertiteln übersetzt: Zivilisten rennen schreiend davon wenn sie euch sehen, die Wachen fluchen bei der Suche nach euch und Garrett spricht mit seiner gewohnt lässigen Stimme zum Rat der Hüter. Musik setzt so gut wie nie ein, stattdessen haben die Entwickler auf eine stimmungsvolle Klangkulisse gesetzt, die sich je nach Umgebung ändert und perfekt die Atmosphäre des jeweiligen Levels einfängt... zu erwähnen wäre hier der Level "Die Wiege", in dem euch wirklich ein kalter Schauer über den Rücken laufen kann.
Das Knacken von Schlössern wird nett inszeniert
Mit Thief: Deadly Shadows liefert Ion Storm ein großartiges Schleich-Spiel ab, das durch seine brilliante Atmosphäre, die tolle Story und das variantenreiche Gameplay fast nahtlos überzeugen kann. Zu den wenigen Schwächen gehören das umständliche Inventar und die instabile Framerate. Wer auf Mittelalter-Settings und eine mysteriöse Geschichte steht und sich auch nur ein kleines bisschen für Stealth-Games interessiert, kann hier rein gar nichts falsch machen!