Operation Winback 2: Project Poseidon im Test

Xbox
Irgendwann trifft es auch den größten Kenner der Videospiel-Szene. Er steht vor einem Regal voller neuer Games und während er die Objekte der Begierde sichtet, denkt der Konsolero plötzlich: “Häh? Was soll das denn sein? Teil 2? Ich kenne ja nicht mal Teil 1!“ Winback 2 – Project Poseidon ist eine dieser Fortsetzungen, die große Lücken im Langzeitgedächtnis aufdecken. Der Vorgänger erschien nämlich nie für Microsofts Konsolenerstling, sondern wurde vor mehr als sechs Jahren in Modulform für das N64 veröffentlicht. Das spaßige Action-Spektakel blieb aber eher ein Geheimtipp und erreichte nie die breite Masse. Umso erstaunlicher ist es, dass nun tatsächlich noch eine neue Episode für die langsam scheidende Xbox erscheint.

Wenn er nicht gerade mit seiner Frisur oder dem Üben von mysteriösen Blicken beschäftigt ist, verteidigt dieser Spezialagent die Welt gegen den Terrorismus.


Ehrlich gesagt ist der Versuch, die Details der Story wiederzugeben, reine Zeitverschwendung, da die meisten Zocker dieses Meisterwerk der originellen Erzähltechnik auch im eigentlichen Spiel nicht beachten werden. Es gibt eine gute Spezialeinheit und es gibt böse Terroristen. Wenn beide Gruppen aufeinander treffen, gibt es meistens Ärger. Das ist auch schon alles, was zu diesem Thema zu sagen ist.

Ein recht umfangreiches Tutorial sorgt dafür, dass sich der Zocker problemlos in der Welt von Winback 2 zurecht findet. Die Fähigkeiten und die Ausrüstung der spielbaren Figuren lassen vermuten, dass sich die Macher lange Zeit bei der näheren Genreverwandtschaft umgesehen haben, um am Ende die Elemente zu übernehmen, die den meisten Spaß versprechen. Natürlich steht der Umgang mit diversen Waffen im Vordergrund. Das Arsenal ist nicht groß, beinhaltet aber die altbewährten Klassiker. Von der kleinkalibrigen Pistole über Granaten bis hin zur durchschlagkräftigen Bazooka hat jede Kategorie der Vernichtungswerkzeuge einen würdigen Vertreter. Anschleichen, Nahkampfattacken und das Nutzen von Deckungen werden vielen Zockern bereits bekannt vorkommen. Im Großen und Ganzen sind die spielerischen Möglichkeiten für ein Game dieser Art ein wenig begrenzt und es mangelt Winback 2 eindeutig an wirklich eigenständigen Features.


Ein Scharfschützengewehr darf natürlich nicht fehlen. Jetzt ist ein schneller Zeigefinger gefragt.


Jedes Action-Adventure braucht mindestens ein originelles Aushängeschild, um sich von der breiten Masse abheben zu können. In Tomb Raider sind es die akrobatischen Fähigkeiten der Protagonistin, Splinter Cell versucht mit Schleichpassagen Spannung aufzubauen und Resident Evil möchte mit Gruselatmosphäre überzeugen. In Winback 2 ist es die äußerst innovative Idee eines kooperativen Einzelspieler-Modus, die das Zockerinteresse wecken soll.

Ganz unter dem Motto: “Im Notfall ist jeder sich selbst der Nächste!“ darf man sich in die Missionen stürzen. Die heiklen Aufträge bedürfen immer einer Teamleistung. Egal ob Geiseln befreit, Bösewichte gekillt oder geheime Dokumente geklaut werden müssen, es werden immer mehrere Helden losgeschickt. Dennoch gibt es keine computergesteuerten Kameraden. Der Spieler steuert alle Protagonisten, denn jede der Missionen wird nacheinander aus zwei Perspektiven gespielt. Nachdem sich ein Mitglied der Spezialeinheit beispielsweise durch diverse Gänge geballert hat, um ein Alarmsystem abzuschalten, wird man einige Minuten in der Zeit zurück versetzt, um anschließend einen zweiten potentiellen Weltenretter auf seinem Weg zu begleiten.


Gleich werden sich die Wege der Helden trennen.


Obwohl die Grundidee durchaus originell klingt und ein Garant für stundenlangen Spielspaß sein sollte, sieht in der Praxis leider alles viel trister aus als in der Theorie. Die Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Handlungssträngen sind nämlich äußerst oberflächlich. Weder sehr gute noch besonders schlechte Leistungen im ersten Durchlauf haben wirklich nennenswerte Auswirkungen auf den zweiten Teil einer Mission. Man muss nicht lange vor einer verschlossenen Tür warten, weil man sich zuvor schwer getan hat, den passenden Schalter zu finden. Die Geschichte läuft immer streng nach Plan weiter und im Endeffekt verpufft die gut gemeinte Maßnahme völlig wirkungslos.

Ein weiteres großes Manko ist das Fehlen einer dynamischen Kamera. Der Zocker muss hier tatsächlich alles selbst machen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Sobald man einen neuen Raum betreten hat, folgt zwangsläufig eine längere Trainingseinheit für den rechten Daumen. Die Tatsache, dass die Perspektive sich nur langsam verstellen lässt, ist ohnehin schon unangenehm, wird aber zur echten Tortur, wenn die eigene Spielfigur unter Beschuss steht. Hier wird wirklich ein grundlegender Fehler der Macher deutlich, denn der Frust ist von der ersten bis zur letzten Mission ein treuer Begleiter des Zockers.


Mit dem richtigen Werkzeug dauert die Arbeit nur halb so lange.


Auch die letzten Chancen, wenigstens in den Bereich der Mittelmäßigkeit vorzudringen, haben die Macher nicht genutzt. Die Multiplayer-Modi, von denen man normalerweise erwarten würde, dass sie ein paar kooperative Missionen beinhalten, entpuppen sich beispielsweise als sehr geradlinige und platte Ballerduelle. Weder das Leveldesign noch die künstliche Intelligenz der Gegner sind ausreichend, um lange zu motivieren. Masse statt Klasse lautet hier das Motto und oft fühlt man sich fast wie ein Cheater, wenn man tatsächlich mal eine der großen Waffen zückt und die förderunterrichtbedürftigen Terroristen in die ewigen Jagdgründe schickt. Die gelegentlichen Bossduelle sind zwar taktisch ein wenig interessanter, reichen aber ganz sicher nicht aus, um das Game zu retten. Das Fehlen eines Xbox Live Modus kann als weiteres Indiz dafür gesehen werden, dass es sich bei Winback 2 um eines dieser lieblos gemachten Spiele handelt, die gegen Ende einer Konsolenära immer auftauchen.

Optisch spielt Winback 2 in der Xbox-Kreisliga. Besonders die vielen sterilen Räume mit den immer gleichen Einrichtungsgegenständen drücken die Stimmung. Dieses Game mit Action-Adventures aus den Kindheitstagen der Xbox zu vergleichen wäre gegenüber den Oldies unfair. Selbst als die Xbox im März 2002 erstmals in den Regalen stand, hätte man Winback 2 bereits für Detailarmut in allen Bereichen tadeln müssen. Minimalistische Effekte und skurril anmutende Bewegungsabläufe, wie man sie hier bewundern darf, sollten eigentlich schon seit einer Ewigkeit nur noch in Videospiel-Museen gezeigt werden.

Auch der Soundtrack hinkt der Zeit hinterher. Schnelle Beats mit immer ähnlichen Synthesizer-Melodien werden von gelegentlichen Gitarren-Riffs unterbrochen. Wer die 90er Jahre in den Spielhallen dieser Welt verbracht hat oder den etwas eigenwilligen Musikgeschmack von Sega-Mastermind Yu Suzuki teilt, wird sich sofort heimisch fühlen. Dem Großteil der Xbox-Besitzer dürfte das unpassende Gedudel aber nach wenigen Sekunden gehörig die Laune versauen. Auch die wenigen Voice-Samples und die sehr zurückhaltenden Effekte, die weder Waffenfeuer noch Explosionen realistisch erscheinen lassen, enttäuschen auf ganzer Linie.


Todesmutig verlässt der Protagonist seine Deckung. Ob dieses Manöver erfolgreich sein wird?

Tim meint:

Tim

Trotz der mittelmäßigen Technik und den eher simplen Missionen hätte es Winback 2 fast geschafft, sich ein wenig von dem Charme früher 3D-Action-Adventures zu bewahren. Doch leider haben sich die Macher durch die Entscheidung, auf eine dynamische Kamera zu verzichten, selbst ein Bein gestellt. In vielen Bereichen hat man das Gefühl, dass mit etwas Zeit und Mühe durchaus ein spaßiges Game aus der Grundidee hätte entstehen können. Das fertige Produkt kann aber leider auch spielerisch kaum Punkte holen.

Negativ

  • Frustrierende Kamera
  • Verschenktes Potential
Userwertung
0 0 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Follow us
Operation Winback 2: Project Poseidon Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 20.06.2006
Vermarkter THQ
Wertung 4.5
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen