Style Boutique im Test

Nintendo DS
Mit Nintendogs hat Nintendo vor einigen Jahren eine gigantische Welle von Spielen ausgelöst, in denen das Pflegen von Tieren aller Arten im Mittelpunkt steht. Außer Stachelschweinen und Stinktieren dürfen in den unzähligen Games so ziemlich alle Kreaturen gestreichelt, gefüttert und gekämmt werden, die diesen Planeten bewohnen. Dennoch konnte kein einziges dieser Module dem Vorreiter in Sachen Charme das Wasser reichen. Nun scheint sich die Geschichte in umgekehrter Reihenfolge zu wiederholen...
In letzter Zeit beschäftigten sich sehr viele DS-Spiele mit den Themen Styling, Make-Up und Shopping. Während sich der Konsolenhersteller selbst vornehm zurückhielt, überschwemmten andere Softwareschmieden die Zimmer kleiner Mädchen geradezu mit, meist äußerst mittelmäßigen, Fashion- und Lifestyle-Simulationen. Nun versucht Nintendo als Verleger von Style Boutique aber doch noch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Ob es dem von der recht unbekannten Firma syn Sophia programmierten Titel ebenso wie Nintendogs gelingt, die Konkurrenz in die Schranken zu verweisen, erfahrt ihr in unserem Testbericht.
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Style Boutique stemmt sich mit aller Kraft gegen den Trend und setzt keinerlei Wert auf political correctness. Bei besonders kritischer Betrachtung muss sich das Game sogar den Vorwurf gefallen lassen, männliche, dicke und ältere Menschen zu diskriminieren. Weit über 90% aller Figuren, die über den Bildschirm hüpfen, sind sehr junge Frauen, die dem in der Modewelt verbreiteten Schönheitsideal voll entsprechen. Es mag ja noch logisch sein, dass der virtuelle Damenmodetempel, um den sich bei Style Boutique alles dreht, nur von weiblichen Geschöpfen aufgesucht wird. Dass es allerdings unmöglich ist, überhaupt einen männlichen Charakter zu erstellen, ist tatsächlich etwas merkwürdig. Irgendwo in unserem Land weint jetzt ein kleiner pummeliger Junge, weil sein großer Traum geplatzt ist und er selbst in der Welt der Videospiele keine Frauenklamotten verkaufen darf.

Das außerhalb Europas als Style Savvy bekannte Spiel kommt nur recht langsam in Fahrt. Besonders in der ersten Stunde steht die Beratung von Kundinnen so stark im Fokus des Geschehens, dass trotz des originellen Grundkonzepts etwas Langeweile aufkommt. Auch der Schwierigkeitsgrad ist recht niedrig angesetzt. Mir persönlich ist schon häufig vorgeworfen worden, dass ich keinen nennenswerten Geschmack besitze wenn es um Kleidung geht. Trotzdem war ich dazu in der Lage, den ersten zehn Interessentinnen so ziemlich jeden Klüngel anzudrehen, der im Laden herumlag.
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Glücklicherweise wurde es anschließend etwas anspruchsvoller. Oft geben die zahlungskräftigen jungen Damen ein paar dezente Hinweise zu ihren Vorlieben und auch ihr Budget ist immer bekannt, so dass es meistens möglich ist, die passende Wahl zu treffen. Wer nicht farbenblind ist und passende Teile kombinieren kann, wird am Ende des Tages fast immer einen guten Gewinn erwirtschaftet haben. Irgendwann ist es dann aber doch so weit und nach drei Vorschlägen verlässt die erste Kundin den Shop, ohne ihre Kreditkarte gezückt zu haben. Da hilft nur noch ein Besuch auf der Modemesse, wo jede Menge Aussteller ihre Waren zum Verkauf anbieten. Neben dem aktuellen Deal des Tages sind hier auch weitere Schnäppchen und Luxus-Artikel zu finden.

Nun ist tatsächlich etwas mehr Gehirnaktivität gefragt, denn sowohl die Lagerkapazitäten als auch die Geldmittel sind begrenzt. Wird einfach nur alles gegrapscht, was gut aussieht, kann es durchaus vorkommen, dass die einzelnen Stücke sich später nicht zu stimmigen Outfits zusammenstellen lassen.

Nüchtern betrachtet handelt es sich bei einem Großteil von Style Boutique um einen aufgepusteten Charakter-Editor, der normalerweise zum Beginn eines Games dafür sorgt, dass individuelle Heldinnen und Helden gebastelt werden können. Doch die Macher haben es geschafft, dass genügend Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um diese eigentlich belanglose Aufgabe vernünftig in Szene zu setzen.
Auch wenn es zu mühsam ist, die auf dem Cover angepriesenen “10.000 Artikel“ nachzuzählen, wissen wir natürlich alle, dass Nintendo niemals lügt. Von eleganten Abendkleidern über jugendliche Hip-Hop-Street-Wear bis hin zu Accessoires wie Sonnenbrillen oder Halsketten, gibt es tatsächlich alles, was das modeverrückte Herz begehrt.
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Nachdem unsere Verkäuferin ihre Qualitäten unter Beweis gestellt hat, gibt es die erste große Belohnung. Mr. Falk, der Besitzer der Ladenkette und eines der seltenen männlichen Wesen im Spiel, ist auf das junge Talent aufmerksam geworden und bietet ihr eine eigene Filiale an. Natürlich wäre es schön dumm, dieses Geschenk abzulehnen, da sich nach der feierlichen Eröffnung neue Optionen zur Verfügung stehen. Endlich ist es beispielsweise möglich, die mühsam zusammen gestellten Kreationen aus mehreren Kleidungsstücken auch über das Internet zu vermarkten.

Die Online-Shop-Idee wurde tatsächlich gut gelöst. Jede junge Style Boutique Besitzerin bekommt eine eigene Ecke in einer der diversen Shoppingcenter zugeteilt, die anschließend von der Community besucht werden kann. Wer regelmäßig die Gewinne abruft und neu eingekleidete Puppen in die Schaufenster stellt, kann sich über lukrative Nebenverdienste freuen. Wie so häufig, hält sich auch dieser Nintendo-Titel vornehm zurück, wenn es um Chat-Funktionen und ähnlich persönliche Interaktionsmöglichkeiten geht, was aber aufgrund der minderjährigen Zielgruppe eine nachvollziehbare Schutzmaßnahme ist.
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Wer das Bedürfnis verspürt, Modefachgespräche zu führen, kann dies in Hörweite zu allen Mitspielerinnen auf dem Schulhof tun. Einen actionreichen Multiplayer-Modus, in dem Jagd auf potentielle Käuferinnen gemacht wird, gibt es zwar nicht, aber die Kauf- und Tauschgeschäfte sind natürlich auch ohne Internet mit ein paar Modulen und DS-Systemen möglich.

Auch die restlichen Bestandteile des Spiels haben für erwachsene DS-Besitzer zu wenig Tiefgang, werden aber sicherlich den ein oder anderen jungen weiblichen Fan finden. Gerade die Tatsache, dass keine Fingerverrenkungen notwendig sind und ohne Zeitdruck durch die vielen Menüs geklickt werden darf, wird Neuzockerinnen erfreuen. Im Laufe der Zeit steigt auch das persönliche Budget, so dass sich die Protagonistin immer neue Kleidungsstücke und anderen netten Schnickschnack kaufen kann.

Auf der Karte werden Friseursalons und Kosmetiktempel verfügbar, die dazu einladen, sich ganz nach dem Vorbild von Madonna ständig selbst neu zu erfinden. Hinzu kommen noch gelegentliche Mode-Wettbwerbe, bei denen es exklusive Preise zu gewinnen gibt. Für Motivation sorgt ein Bewertungssystem, das die Beliebtheit des Shops bei der Kundschaft anzeigt und natürlich lassen sich, neben einer größeren Lagerfläche, auch noch andere Goodies freispielen.
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Trotz der vielen Kombinations- und Einstellungsmöglichkeiten schöpft der Titel sein Potential nicht voll aus. Echte Eigenkreationen sind nämlich nicht möglich. Angesichts der Fähigkeiten der Hardware erscheint es eigentlich selbstverständlich, dass eigene farbenfrohe Kleider, T-Shirts und Hüte gestaltet werden können. Warum keine Stoffe bemalt werden dürfen, wissen wohl nur die Macher selbst. Über das Internet können zwar neue Artikel herunter geladen werden, doch die Auswahl ist momentan verschwindend gering und ehrlich gesagt unterscheiden sich die Produkte auch nicht sonderlich stark von dem, was sowieso auf dem Modul schlummert. Die Nachwuchswirtschaftssimulation gehört zu den seltenen Games, die ausschließlich mit vertikal ausgerichteten Bildschirmen gezockt werden. Diese Wahl entpuppt sich als gelungen, denn sie ermöglicht die komplette Darstellung großer Figuren.
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Auch wenn die Animationen nicht weltbewegend sind, wird in grafischer Hinsicht genug geboten, um die Laune auf einem angemessenen Niveau zu halten. Masse statt Klasse lautet die Devise, was besonders bei den Charakter-Modellen auffällt. Auch mit relativ wenigen Polygonen ist der Wiedererkennungswert hoch, so dass frühere Shop-Besucherinnen keine anonymen Gesichter bleiben sondern sich langsam aber sicher zu gern gesehenen Stammkundinnen entwickeln. Die vielen Kleidungsstücke bieten genug Details, um kritischen Augen auch nach dem Nutzen der Zoom-Funktion standzuhalten.

Die verschiedenen Songs, die als Hintergrundmusik für den eigenen Laden gewählt werden können, sind recht abwechslungsreich. Oft poppig, mal hip-hop-lastig schaffen es die leider etwas kurzen Melodien mit ihren gelegentlichen Voice-Samples die meisten Geschmacksrichtungen gut zu bedienen.

Sebastian meint:

Sebastian

Style Boutique ist wieder mal ein Game, das sich jeder auch nur annährend objektiven Bewertung durch erwachsene männliche Spieler entzieht. Wer mit einem Y-Chromosom ausgestattet ist und ein Abschlusszeugnis sein Eigen nennt, kann sich einfach nicht in die Gedanken- und Gefühlswelt eines Mädchens im Grundschulalter hinein versetzen. Doch auch wenn die unzähligen Wiederholungen, der sehr niedrig angesetzte Schwierigkeitsgrad und das Thema Mode einen großen Teil der Menschheit verschrecken, gibt es innerhalb der Zielgruppe mit Sicherheit ein paar junge Damen, die sich kaum etwas Schöneres vorstellen können, als sich tagelang mit virtuellen Klamotten zu beschäftigen. Die Internet-Tauschfunktionen, die gigantische Artikelauswahl und die vielen weiteren individuellen Gestaltungsmöglichkeiten laden zum ausgiebigen Experimentieren ein und machen Style Boutique zu einem interessanten Spiel für Nachwuchs-Fashion-Queens.

Positiv

  • Netter Einstieg in Wirtschaftssimulationen für kleine Zockerinnen
  • sehr viele Artikel und Einstellungen
  • viel Text (gute Übersetzung)

Negativ

  • absolut ungeeignet für jedes männliche Wesen
  • keine echten Eigenkreationen möglich
  • unendliche Wiederholungen im Gameplay
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Style Boutique Daten
Genre Simulation
Spieleranzahl 1 - 2
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 23. Oktober 2009
Vermarkter Nintendo
Wertung 6.8
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neXGam YouTube Channel
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