
Was zur Hölle ist hier nur los?
Zu diesem Zeitpunkt wißt Ihr noch nicht einmal Euren Namen, geschweige denn warum Ihr diese Kraft in Euch habt. Im Verlauf des Spiels kommen neben diesen Telepathischen Fähigkeiten noch einige hinzu. Verwirrt von allem lernt Ihr erst einmal jede Menge Gegenstände schweben und zu Eurem Nutzen gegen Gegner schießen zu lassen. Kurz darauf lernt Ihr die Kraft der Selbstheilung, welche wohl die häufigst genutzte im Spiel werden wird. Was zur Hölle ist nur geschehen. Um dies herauszufinden erweist es sich als sehr nützlich die herumstehenden Computer zu durchforsten. Hier erfahrt Ihr, daß Euer Name John Vattic ist. Nach einer dezenten Schleichorgie, bei der Ihr Euch auch in Schränken verstecken könnt bzw. solltet, übermannt Euch in einem Fahrstuhl der erste „Flashback“.

Das kennt man sonst nur von David Copperfield
Willkommen bei Zeitsprung Nummer eins, der Euch 6 Monate in die Vergangenheit katapultiert. Ihr erfahrt nun, daß Ihr ein angesehener Professor seit (der zu diesem Zeitpunkt auch noch wesentlich besser aussah) und daß Ihr vom Militär für eine Geheimmission Namens WinterICE im tiefsten Russland rekrutiert wurdet. In der netten Runde begegnet Ihr dann auch zum ersten Mal der jungen Jane Wild, einer zivilen Beraterin des Militärs. Neben der Missionserklärung durchlauft Ihr nun einen militärischen Crashkurs in Sachen Hindernisbewältigung, Vorankommen im Schleichmodus sowie einer Ausbildung im Umgang mit Pistole und Scharfschützengewehr. Ziel Eurer Aufgabe ist es die Machenschaften eines üblen, todgeglaubten Bösewichts aufzuhalten, der nach neuesten Informationen kurz vor seinem Durchbruch steht.
Was Ihr nun erlernt, könnt Ihr ab sofort bei beim Handlungsstrang in der Gegenwart ausüben. Gleiches gilt auch in die umgekehrte Richtung. Sind solche Deja Vue nicht eine feine Sache? Die englische Sprachausgabe des Titels bewegt sich hierbei auf sehr hohem Nivoue. Am unteren Bildschirmrand wird zusätzlich ein deutscher Untertitel angezeigt, welcher aber leider sehr schnell wieder ausgeblendet wird. Dies ist der erste Schwachpunkt des Spiels. Während Eure Aufgaben in den Handlungen der Vergangenheit mehr auf einen Shooter abziehen, bedarf es in der Gegenwart des Öfteren dem Anwenden von Schleicheinlagen. Um hier die Ziele zu erreichen lernt Euer Charakter immer wieder neue Tricks. So könnt ihr Euch im Verlauf des Spiels durch „Verwirrung“ temporär für den Gegner unsichtbar machen. Dies funktioniert zumindest so lange, wie Euch keiner der Gegner berührt. Erfrischend wird die Verwirrtaktik, wenn Ihr Euch in einem Schrank versteckt und dieser von den Wachen geöffnet wird. Nach einem verdutzten Gesicht und einem verwirrten Spruch der Gegner, wird die Türe nämlich einfach wieder geschlossen.

Während der Selbstheilung seit Ihr ein leichtes Ziel
Die Versteck und warte ab bis der Alarm wieder ausgeht Taktik ist zwar ganz klar vom Genrepilot „Metal Gear Solid“ abgeguckt, aber wen stört das schon, wenn es so schön verpackt ist. Weitere Fähigkeiten wie z.B. die der Psi-Stoßangriff erfaßt gleich mehrere Gegner, wenn es mal eng werden sollte. Später könnt Ihr Euch dann auch Projizieren und so durch Laserschranken laufen um diese auf der anderen Seite zu deaktivieren, bzw. temporäre Türen öffnen und mit dem Hauptcharakter durchlaufen. Das ganze steigert sich dann bis zur Übernahme der Gegner. Sämtliche Geschehnisse könnt ihr aus hierbei aus verschiedenen Ansichten miterleben. Voreingestellt ist eine recht gute Verfolgerkamera, welche an Ecken und Nischen aber leichte Schwächen aufweist. Zusätzlich könnt ihr in die Ego-Perspektive schalten, um Euch genauer umzugucken. Nett ist der Bonus mit der fixen „Resi Kamera“, welche Euch die Story im Filmlook miterleben läßt.

Beim Snipern verfehlt Ihr kein Ziel
Im Spielverlauf müßt Ihr aber nicht nur mit Euch selbst wieder ins Reine kommen, sondern ab und an auch auf Jane aufpassen. Geht Ihre Lebensenergie z u Ende, ist auch Euer Spiel vorbei. In raffinierter Art und Weise müßt Ihr diese später z.B. im sehr verwirrten Zustand aus einer Anstallt führen. Hierbei reagiert sie dann auf Eure suggerierten Befehle. Zum Lösen der Aufgaben, müßt Ihr dann ab und an auch an Paßwörter oder andere Informationen kommen. Hierbei gibt es meist dann mehrere Wege um die Informationen zu erhalten, wobei eine nette Fragestunde im Würgegriff doch niemand übel nehmen kann, oder? Bei diesen Situationen bekommt man dann auch immer mehr mit, wie tiefgründig die Entwickler das ganze Spiel programmiert haben. Versucht Ihr z.B. einen PC ohne das Paßwort zu aktivieren, tipp John auf gut Glück einfach Worte wie „Keine Ahnung, Geheim, Affe, Skalpell“ o.ä. ein. Auch die Gegner haben für jede Eurer ja nicht vorhersehbaren Aktionen immer den passenden Spruch bzw. eine andere Reaktion parat.
Sehr belustigend ist es z.B. einen Bewohner der Irrenanstalt in den Würgegriff zu nehmen, um von ihm dann aufgegeilt zu hören, was für einen schönen festen Druck Ihr doch habt. Durch Eure Telekinetischen Eigenschaften lassen sich Wachen auch sehr gut ablenken, indem Ihr entfernte Dinge umkippen oder schweben laßt. Solltet ihr einen Gegner durch die Luft gleiten lassen, müßt Ihr ein wenig acht geben, da diese hierbei immer noch um sich schießen. Als Lösung bietet sich hier das erscheißen während des Schwebens oder auf Dächern das Positionieren über einem Abgrund mit freundlichem „Auf wiedersehen“ Gruß.

Zwei auf einen ist eigentlich unfair
Die Steuerung des Titels ist hierbei recht gut gelöst. Per Digitalkreuz schaltet Ihr Euch waagerecht durch die Psi-Fähigkeiten und senkrecht durch die Waffen. Mit den analogen Sticks steuert Ihr John durchs Abenteuer. Die linke Schultertaste nimmt Gegner ins Autovisier, mit rechts feuert Ihr ab. Leider haben es die Entwickler hier nicht für nötig gehalten, die vertikale Achse des rechten analogen Sticks auf Wunsch zu invertieren. Dies bereitete mir und meinem Testpartner die größte Schwierigkeit. Habt Ihr alle Fähigkeiten erlangt, wird es dann auch etwas überladen. Auf dem Bildschirm bekommt Ihr oben Links Eure körperliche und gleich darunter Eure Psi-Energie angezeigt, wobei zweit genannte sich von selber langsam wieder auflädt.
Second Sight wird Euch in einer sehr schönen Comicartigen Grafik mit viel Liebe zum Detail gerade in den Außenlevel der Vergangenheitsbewältigung präsentiert. Die skurrile Umgebung der Kliniken läßt die Qualen der Insassen sowie Eure eigenen Ängste in Eurem Zimmer fühlbar werden. Zwar gibt es ab und an kleine Probleme mit der Verfolgerkamera, aber dies trübt den Spielablauf nur sehr gering. Auch die Wettereinflüsse wie Regen oder Schnee unterstützen die mitreißende, sich öfter plötzlich drehende Handlung sehr gut. Selbst anscheinende Kleinigkeiten, wie die wechselnde Gangart mit Blutverlust von John nach einigen Treffern sind nicht nur so im Spiel. Wendet ihr nämlich die „Verwirrtaktik“ an und hinterlaßt auf Eurem Weg blutige Fußabdrücke, werdet Ihr von den Gegnern erneut ins Visier genommen. Auch gibt es bei der Xbox Version im Gegensatz zu den andern Konsolenversionen keine „Ruckler“ mehr zu vermelden.

Fühlt Ihr Euch auch manchmal beobachtet?
Dies alles wird durch eine hochkarätige Sounduntermalung begleitet. Die englische Sprachausgabe wird hierbei in Kinoreifer Art perfekt wiedergegeben. Man kann die John´s innere Angst, seine Zweifel und seine Verwirrtheit schon fast spüren. Auch die Restlichen Akteure wie z.B. der farbige Col. Starke oder der Waffenspezialist Carlos Verdes, kurz „JC“ genannt, können voll überzeugen. Die zum im Hintergrund laufenden Sound sind dann das i-Tüpfelchen im Spiel. Hier gibt es klar die Bestnote.

Die grafischen Effekte untermauern die Atmosphäre des Spiels
Second Sight ist für mich der Überraschungshit schlechthin. Nicht unbedingt ein Titel, der aus den Regalen der Händler gerissen wird, was aber mehr aus Unwissenheit der Käufer passieren dürfte. Die komplexe, sich häufiger wendende Story, die Grafik und vor allem die fantastische Synchronisation und der Sound machen aus Second Sight eine versteckte Perle auf dem überfüllten Markt. Erst ab der Mitte des Spiels flacht der Titel ein klein wenig ab. Voll Überzeugen kann auch die KI Euer an die Hand gegebenen Mitstreiter, welche neben exzellenten Schußqualitäten auch im richtigen Moment in Deckung zu gehen wissen.
Ok, im Prinzip geht es wieder einmal darum Schalter zu finden und zu betätigen oder Informationen zu bekommen. Auch hätte man die Möglichkeiten der Psi-Kräfte noch etwas ausfeilschen können, was dem Titel eine noch höhere Wertung eingebracht hätte. Aber Schlußendlich bleiben die kleinen Kameraprobleme, der schnelle deutsche Untertitel, sowie die nicht verstellbare Steuerung die größten Kritikpunkte an Second Sight. Ob nun Rambo oder Spliter Cell Fan – hier führen wird alles gefordert, was viele Zocker ansprechen wird. Wer hier keinen Blick riskiert, verpaßt vielleicht einen Titel, nach dem er schon lange gesucht hat. Unbewußt verrichtete Sessions über die normale Länge des Abends sollten schon einmal eingeplant werden!