Miracle Warriors im Test

Master System
Ladies and Gentleman, heute habe ich die besondere Ehre, Ihnen einen ebenso bedeutenden, wie auch ehrwürdigen Testkandidaten vorstellen. Begrüßen sie mit mir niemand geringeren als den ersten Vertreter des Rollenspielgenres auf dem SEGA Master System und somit das erste Rollenspiel auf einer SEGA Konsole überhaupt. Einen dicken Applaus bitte für Miracle Warriors! Wie es bei Erstlingswerken nun mal so ist, stellen sich nun auch gleich die spannenden Fragen: Wie gut ist das Spiel? Oder ist es vielleicht völlig schlecht? Wie groß war sein Einfluss auf seine Nachfolger? Fragen über Fragen, auf die ihr nach meinem Test ein paar Antworten haben werdet.
Historisch betrachtet wurde Miracle Warriors im Jahre 1988 auf dem SEGA Master System veröffentlicht. Es handelt sich also um einen wahrhaftigen Oldie, der hier im Modulschacht meines Master Systems steckt. Weil man anscheinend auch schon vor 21 Jahren der Meinung war, dass Rollenspiele eine gewisse Story beinhalten sollten, wurde natürlich auch Miracle Warriors mit einer solchen versehen. Die Geschichte ist zwar nicht wirklich eine der komplexesten Einer, hat aber dadurch den Vorteil, dass sie relativ schnell zusammengefasst werden kann.



Kurz gesagt begann das Unheil damit, dass die gefürchtete Passage der Pandora geöffnet wurde. Seitdem ergießen sich Horden von schrecklichen Monstern in die einst friedliche Welt der Menschen. Als ob diese Misere nicht schon schlimm genug wäre, plant der dunkle Lord höchstpersönlich, das gesamte Land zu unterjochen und die Menschheit zu versklaven. Nur das Siegel des dunklen Lords kann diese Invasion noch stoppen. Dummerweise ist dieses Siegel aber in den Händen des höchsten Generals des üblen Zeitgenossen, der es natürlich gerne behalten möchte. Die Aufgabe des Spielers ist es nun, zusammen mit drei noch zu findenden Gefährten den General davon zu überzeugen, dass das besagte Siegel bei ihnen viel besser aufgehoben ist.

Soweit so gut. Einen Innovationspreis würde die Story aus heutiger Sicht nicht bekommen, aber die Kernelemente einer klassischen Rollenspielstory: böser Feind, zu findende Gefährten und „Rettet die Welt“ sind durchaus vorhanden. Mir persönlich ist übrigens lediglich eine Büchse der Pandora bekannt - vielleicht war hier jemand aus der Übersetzungsabteilung des Englischen doch nicht so mächtig.

Wie dem auch sei. Nachdem man ein neues Spiel gestartet und seiner Spielfigur einen Namen verpasst hat, findet man sich direkt vor einem Schloss wieder, in dem euch der Schlossinhaber noch einmal eure Aufgabe und die Dringlichkeit derselben nahe bringt. Sobald ihr jedoch die Unterredung hinter euch gebracht habt und von dem gekrönten Haupt in die Natur entlassen wurdet, beginnt auch schon das eigentliche Spiel.



Das erste was sofort auffällt ist die doch sehr ungewohnte Interfaceaufteilung des Spieles. Einen großen Teil des Bildschirms nimmt eine Pseudo-3D Ansicht eurer Spielfigur nebst der umgebenden Landschaft ein. Diese Landschaftsansicht spiegelt eure Bewegungen wieder, die ihr auf einer kleineren Landkarte ausführt, die sich im oberen rechten Bereich des Bildschirmes befindet. Wenn ihr euch also auf der Landkarte durch einen, dort durch grüne Flächen gekennzeichneten, Wald bewegt, wird die Landschaftsansicht eure Figur in einem Wald darstellen. Eure Spielfigur bewegt sich übrigens überhaupt nicht sondern steht einfach steif wie ein Denkmal in der Gegend herum, während sich die Umgebung hübsch ruckelig und wie durch Zauberhand verändert. Rein spielerisch ist diese Landschaftsansicht faktisch völlig unnötig. Weder sieht man nahende Feinde, noch Städte oder sonst etwas von Bedeutung.



Unterhalb der Landschaftsansicht befinden sich zwei Balken, die die Erfahrungspunkte und Lebensenergie eurer Figur darstellen. Nach und nach werden dort auch die Balken eurer Gefährten hinzukommen, sobald sich diese euch angeschlossen haben. In der rechten unteren Ecke befindet sich schließlich ein Kasten mit Informationen über euren Barvermögen, die Anzahl an Heilkräutern und Reißzähnen, die ihr besitzt, sowie eure Charakterpunkte.

Besagte Reißzähne stellen übrigens ein alternatives Zahlungsmittel dar. Manche Gegenstände können sogar nur im Tausch gegen diese Zähne erworben werden, die ihr nach dem Sieg über manche Monster aufsammeln könnt.



Auf Knopfruck lässt sich weiterhin ein Menü öffnen, in dem euch allgemeine Handlungsmöglichkeiten wie das Heilen von Charakteren, das Öffnen des Inventories oder das Benutzen von magischen Gegenständen offen stehen. Außerdem kann hier das Spiel auf fünf verschiedenen Speicherplätzen jederzeit gesichert werden. Für einen so frühen Vertreter der Rollenspielzunft ist das Luxus pur und gehört somit gebührend gelobt.

Leider muss ich aber auch direkt etwas kritisieren: die Interfaceaufteilung und vor allen Dingen die Proportionierung ist nämlich bestenfalls unglücklich. Anstatt der für die Spielsteuerung zentralen Landkarte, nimmt die völlig belanglose und uninteressante Landschaftsansicht den meisten Platz ein. Gerade bei der Landkarte wünscht man sich aber geradezu händeringend eine größere Darstellung, weil die Übersicht auf einer 5 mal 5 Felder großen Karte naturgemäß schrecklich begrenzt ist. Dieser Designfehler hätte wirklich vermieden werden können und eigentlich auch müssen!
&
,,,So, jetzt jedoch genug des Zornes und wieder zurück zum eigentlichen Spiel. Vor euch liegt nun eine ziemlich große Spielwelt, die auf eure Erkundung wartet. Freundlicherweise haben die Entwickler eine Karte beigelegt, welche die Orientierung erheblich erleichtert. Nachdem ihr euch etwas umgesehen habt, werdet ihr auch schnell auf das erste Dorf mit dem Namen Garia stoßen, welches eine Weile eure Basis sein wird, bis ihr ein gutes Stück stärker geworden seid.

Hier läuft nun wieder alles in den bekannten Rollenspielbahnen. Um stärker zu werden, muss man einen Level aufsteigen und um einen Level aufzusteigen benötigt man Erfahrungspunkte. 'Business as usual' also. Die Quelle der Erfahrungspunkte sind dann, auch mindestens genauso klassisch, die bösen Monster, die euch in Zufallskämpfen fast schon alle drei bis vier Schritte begegnen und nebenbei bemerkt den Spielfluss unglaublich stören. Entspanntes Erforschen ist unmöglich, weil permanent und unvorhersehbar alle paar Schritte ein Monster aus dem Busch hopst und den dicken Otto markiert. Dadurch spielt sich das ganze ungefähr genauso flüssig wie Panzerstahl.



Sollte ein besagtes Monster dann mal wieder genauso unvermeidlich auftauchen, wie Backsteine es eben nicht tun, schaltet das Interface in den Kampfmodus. Die Landkarte verschwindet und der gesamte obere Teil des Bildschirmes wird von einem Abbild des Feindes und einem Balken für seine Lebensenergie eingenommen. Ganz rechts erscheint das Kampfmenü, dass euch nun verschiedene Möglichkeiten eröffnet.



So könnt ihr den Gegner angreifen, versuchen euch zurückzuziehen oder ausprobieren, ob das Monster für ein Schwätzchen zu haben ist, was logischerweise so gut wie nie der Fall ist. Welches anständige Monster will auch schon stundenlange Diskussionen mit seinem Opfer abhalten. Weiterhin könnt ihr magische Gegenstände benutzen oder einen Zauber aussprechen, wobei es aber anscheinend keinerlei Zauber gibt, die im Kampf angewendet werden können - also ebenfalls eine etwas hirnrissige Option.

Weil der Abenteurer von Welt natürlich niemals an Rückzug denkt, drückt man folglich
fröhlich auf „Angreifen“. Die Folge davon ist, dass das Bild kurz flackert und, falls ihr getroffen habt, die Lebensenergie des Monsters reduziert wird. Danach wird euch ebenso das selbe Schicksal ereilen, weil nun das Monster mit dem Angreifen am Zuge ist und in der Regel dem angreifenden Charakter Schaden zufügt. So geht es nun streng bürokratisch und rundenbasierend weiter bis, bis eine Seite komplett die Radieschen von unten betrachtet.



Ihr könnt übrigens im Fall von mehren Monstern, die euch gleichzeitig angreifen, nicht auswählen, welches Monster das Ziel eurer Attacken sein soll. Auch ist es nicht möglich, während des Kampfes einen eurer Charaktere zu heilen oder sonst etwas taktisch Sinnvolles anzustellen. Eure Eingriffsmöglichkeiten beschränken sich stattdessen darauf, zu bestimmen, welcher eurer Recken, solltet ihr denn noch ein paar andere gefunden haben, den Angriff ausführen und somit einem Gegenangriff ausgesetzt sein soll.
&
,,,Eine ganz kleine Variationsmöglichkeit gibt es jedoch. So können magische Gegenstände wie 'Heilige Nüsse' oder 'Stäbe des Erdbebens' eingesetzt werden. Sie fügen dem Monster Schaden zu, ohne dass es zurückschlagen kann. Eine wirkliche Abwechslung wird dadurch jedoch leider nicht geboten.

Ihr seht schon, Anspruch und Spannung sind gleich Null. Kämpfe arten praktisch immer in stupides Knöpfchendrücken aus, was in etwa so interessant ist, wie das Ausfüllen einer Steuererklärung. Ganz abgesehen von der unfassbaren Spannung ist vielleicht noch interessant, dass das grundsätzliche Kampfsystem von Miracle Warriors auch in dem hochgelobten Phantasy Star übernommen wurde. Allerdings wurde es dort erheblich verbessert und modifiziert, die Gene sind aber unverkennbar. Das aber nur am Rande.



Nachdem ihr also das Monster endlich besiegt habt, winken euch als Belohnung Gold, Reißzähne und die heiß ersehnten Erfahrungspunkte. Zu Beginn werdet ihr übrigens relativ schnell in den Leveln aufsteigen. Ungefähr ab der Mitte des Spieles ist aber leider schon fast stundenlanges, hirnloses Monstergeschnetzel angesagt, bis der nächste Level erreicht ist. Dies ist insofern dramatisch, als dass fast alle besonderen Waffen und wichtigen Gegenstände von wirklich unverhältnismäßig starken Gegnern bewacht werden. Die Tatsache, dass euch in einem Kampf praktisch keinerlei Möglichkeiten offen stehen, um durch kluge Strategie einen Kräftenachteil wett zu machen, zwingt euch dazu, stundenlang aufzuleveln bis ihr den Gegner endlich besiegen könnt und in der Story des Spieles vorankommt.



Weil sich eure Gefährten, nachdem ihr sie gefunden und zum Mitmachen überredet habt, leider immer als etwas schwächlich auf der Brust erweisen und die Erfahrungspunkte nur an den Charakter gehen, der den tödlichen Angriff auf das Monster ausgeführt hat, blüht euch für jeden Charakter übrigens separat noch einmal die ganze Chose. Kurzum: Schnarcherei total!

Ein Rollenspiel besteht aber zum Glück nicht nur aus Kämpfen, sondern sollte auch einen spannenden, roten Handlungsfaden besitzen. Die berühmte Story...



Was die Story dieses Spieles anbelangt, ist es aber leider auch ziemlich Asche. Erst einmal sind alle Texte auf Englisch, was ja zunächst für viele kein großes Problem darstellt. Wirklich übel kommt aber, dass oft ein altertümliches Englisch verwendet wird, bei dem mit normalem Schulenglisch wirklich stellenweise nur geraten werden kann, welche Bedeutung einige Wörter haben. Weiterhin sind Hinweise dazu, wo wichtige Gegenstände oder Charaktere zu finden sind ziemlich selten und meistens dazu noch außerordentlich kryptisch. Ein paar mal müsst ihr Handlungen ausführen, auf die ihr, nur mit den Hinweisen des Spieles, nur sehr schwer kommen werdet.

Generell hat man leider nie das Gefühl, dass man in einem geschlossenen Handlungsstrang unterwegs ist. Dazu sind Gespräche viel zu selten und beschränken sich meistens ohnehin nur auf Einkäufe von neuen Waffen oder Heilkräutern. Die Atmosphäre ist also gleich Null.

Abseits des Hauptstranges gibt es leider auch keine wirklichen Nebenquests oder ähnliches, die die Story noch retten könnten. Die grundsätzliche Handlung wiederholt sich stattdessen immer nach dem gleichen Schema: neuen Gefährten finden, passende Spezialwaffe, Rüstung und Schild finden, nächsten Gefährten finden usw... Natürlich immer wieder aufgelockert von stundenlangem, heiteren Aufleveln.

Nachdem schließlich für jeden Gefährten die passenden Waffen gefunden sind, kann man die Suche nach dem Siegel ins Auge fassen. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber das Spiel konfrontiert den Spieler, bevor man den Dungeon des Endgegners betreten kann, mit einem Rätsel, das einfach verdammt unfair ist. Die Hinweise auf die Lösung sind mal wieder ziemlich kryptisch, weil sie wie übliches, sinnloses Gefasel von NPC‘s (NonPlayerCharaktere) klingen, die nichts wirklich Bedeutsames zu sagen haben. Hier hätten vielleicht etwas mehr bzw. deutlichere Hinweise einigen Frust ersparen können.



So langsam nähere ich mich nun dem Ende meines Tests. Vor dem großen Bewertungsfinale bleibt aber noch die technische Einschätzung des Spieles abzuarbeiten. Von dieser Seite betrachtet ist Miracle Warriors ein eher schwaches Master System Spiel. Animationen sucht man in dem gesamten Spiel meines Wissens nach vergeblich, die Pseudo-3D Grafik der Landschaftsansicht ist zwar ganz nett, verändert sich aber auch nur höchst ruckelig. Lediglich die Monster sind schön gezeichnet und sehen gut aus. Der Sound schneidet da um Einiges besser ab. Die Hintergrundmusik ist zwar stellenweise etwas arg piepsig, gefällt dafür auf der anderen Seite aber auch mit schönen Melodien. Hier gibt es also eher weniger zu meckern.

Andreas meint:

Andreas

Miracle Warriors ist unverkennbar eine Art Prototyp. Vieles ist ungeschliffen, vieles ist unnötig kompliziert, übertrieben langweilig oder schlichtweg überflüssig. Auf der anderen Seite sind in diesem Spiel aber auch jede Menge gute Ideen vorhanden, die wie die Geschichte gezeigt hat, in späteren Spielen konsequent weiterentwickelt und sehr erfolgreich wurden. Wer mal in die Rollenspielhistorie hineinschnuppern möchte, dem kann Miracle Warriors durchaus empfohlen werden. Für alle anderen gibt es aber wesentlich bessere Titel auf dem Master System. 

Positiv

  • Viele gute Ansätze
  • Ordentlicher Sound

Negativ

  • Aber fast alles vermurkst oder unausgereift
  • Grafik bestenfalls mittelmäßig
  • Ewig langes Aufleveln erforderlich
Userwertung
6.6 1 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Follow us
Miracle Warriors Daten
Genre -
Spieleranzahl 1
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 1988 (PAL/US) / 1987 (JP)
Vermarkter SEGA
Wertung 5.4
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen