Avatar Legends (Indie Game + Entwicklerinterview) im Test

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Avatar Legends gehört zweifellos zu den ambitioniertesten Indie-Games, die bislang das Licht der Welt erblickt haben. Das Mini-Team Barkers Crest verspricht uns ein Action-Rollenspiel mit zehnstündiger Einzelspieler-Kampagne, einem Online-Multiplayer-Modus und einem leistungsstarken Level-Editor. All diese schönen Dinge soll es für einen Einführungspreis von gerade mal 240 MS Points geben. Das klingt tatsächlich fast zu schön um wahr zu sein. Ob die Geschichte einen Haken hat, erfahrt ihr im neXGam-Review.

Dass die hellen Köpfe des Mini-Teams Barkers Crest dazu in der Lage sind, mit begrenzten Mitteln ganz erstaunliche Ergebnisse zu erzielen, haben Sie bereits mit Avatar Golf eindrucksvoll bewiesen. Mit der aktuellen Kreation will das Studio nicht nur den eigenen Klassiker in den Schatten stellen, sondern der gesamten Independent-Szene eine Lektion in Demut erteilen. Wer das Produkt kauft, wird natürlich zuerst den Story-Modus ausprobieren. Wie in so vielen Indie-Games wird auch hier der Xbox 360 Avatar kurzerhand zum Hauptdarsteller befördert. In einer großen Fanatsy-Welt darf der virtuelle Stellvertreter nun an seiner neue Karriere als Held arbeiten, indem er den Bewohnern der unterschiedlichen Dörfer hilft und unzähligen Monstern das Lebenslicht auspustet. Statt einer epischen Geschichte werden viele Mini-Missionen geboten, die lose miteinander verknüpft sind. Typischerweise schickt ein Auftraggeber den Protagonisten auf eine kurze Reise, um Gegenstände aufzuspüren oder mit weiteren Personen zu reden. Das wäre natürlich viel zu einfach, wenn nicht Skelette, Orks und allerlei anderes Gesindel am Wegesrand lauern würde.

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Das Gameplay ist simpel und erinnert an frühe Vertreter des Action-RPG-Genres. Mit einem Knopf werden Nahkampfattacken ausgeführt, mit einem anderen lassen sich Zaubersprüche entfesseln, die auch weiter entfernte Gegner erwischen. Die invertierte Steuerung fühlt sich zunächst unangenehm an, lässt sich aber in den Menüs umkehren. Wirklich schnell ist unser Held nicht unterwegs und auch seine Wendigkeit ist verbesserungswürdig. Da sich die diversen Monster aber ebenfalls gemächlich fortbewegen und nicht sonderlich intelligent agieren, bleibt dennoch immer genug Zeit, um zu flüchten oder die richtige Angriffsposition einzunehmen. Fingerspitzengefühl und taktisches Geschick sind also keine Voraussetzungen für den Erfolg. Wer in der Welt von Avatar Legends vorankommen will, benötigt eher Durchhaltevermögen. Ja, die Kämpfe sind simpel und oberflächlich, aber das Abschlachten endloser Monsterhorden kann trotzdem Spaß machen, wenn die eigene Grundeinstellung stimmt. Für das Mindestmaß an Abwechslung sorgen aufgeladene Attacken, die deutlich mehr Schaden anrichten, sich aber negativ auf die eigene Lebensenergie auswirken.

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Was die Gegner an Klasse vermissen lassen, machen sie locker durch Masse und Widerstandsfähigkeit wieder wett. Gerade zu Beginn des Spiels, wo nur ein Holzschwert als Werkzeug zur Verfügung steht und noch keine der diversen Fähigkeiten weiterentwickelt wurden, sind die Kämpfe ein hartes Stück Arbeit. Meistens können nur ein paar Schläge angesetzt werden, bevor sich weitere Fieslinge von den Seiten nähern. Da hilft nur die gute alte Hauen-Weglaufen-Hauen-Taktik. Glücklicherweise gibt es diverse Läden, die neue Waffen, Schilde und Zaubersprüche verkaufen. Die Fieslinge rüsten zwar ebenfalls auf und auch mit Bossen wird nicht gegeizt, aber sobald dank der Macht der Magie mehrere der Monster gleichzeitig unter Beschuss genommen werden können, werden die Kämpfe deutlich angenehmer.

Es wird schnell klar, dass Avatar Legends kein Spiel ist, das mit einem großen Budget entwickelt wurde. So gibt es beispielsweise keine Möglichkeit, die diversen Gebäude zu betreten. Alle Bürger der Dörfer stehen vor ihren Häusern, um Konversation zu betreiben oder Waren anzubieten. Auch die Anzahl der unterschiedlichen Monster ist deutlich kleiner als es in regulären Veröffentlichungen heutzutage der Fall ist. Dennoch haben es die Macher geschafft, die Stimmung langfristig auf einem hohen Niveau zu halten. Auch wenn sich die Gegner im späteren Spielverlauf rein äußerlich nicht von ihren früher besiegten Verwandten unterscheiden, verursachen sie beispielsweise deutlich mehr Schaden und sind besser gepanzert. Auch das überschaubare Angebot der Waffenhändler fällt kaum negativ auf. Schwerter, Äxte, magische Formeln und alles weitere Abenteurerzubehör sind recht teuer und werden nicht im Minutentakt gewechselt, wie es in vergleichbaren Games oft der Fall ist.

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In einigen Bereichen überrascht das Indie-RPG mit erstaunlich fortschrittlichen Features. Zum Beispiel gibt es ein Wettersystem sowie einen klar erkennbaren Wechsel zwischen Tag und Nacht. Auch der Aufstieg ins nächste Charakter-Level ist sehr professionell umgesetzt. Die hart erkämpften Fähigkeitspunkte werden nach eigenem Gusto auf sechs verschiedene Attribute verteilt. Während echte Krieger in Stärke und Regenerationsgeschwindigkeit investieren können, dürfen tiefsinnigere Abenteuer an ihren kommunikativen Tricks feilen, um in Dialogen mehr Auswahlmöglichkeiten zu erhalten.

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Wer den Story-Modus abgeschlossen hat, wird mit einiger Bestürzung feststellen, dass die harte Arbeit keinerlei Auswirkungen auf die Online-Welt hat. Der eben noch strahlende Held mit all seinen mühsam gesammelten Spielzeugen steht plötzlich wieder am Anfang seiner Arbeit, sobald die erste Multiplayer-Runde gestartet wird. Im Gegensatz zum Solo-Abanteuer gibt es keinerlei Story-Elemente und die Action steht eindeutig im Vordergrund des Geschehens. Sechs Spieler gleichzeitig dürfen gemeinsam auf Monstermetzeltour gehen. In jedem der Levels greifen die Fieslinge in vier Wellen an. Am Ende muss noch ein besonders harter Brocken gekillt werden, bevor eine Auswertung auf dem Bildschirm zu sehen ist. Nun werden die Heldentaten mit Gold und Erfahrungspunkten belohnt. Beides darf in neue Ausrüstungsgegenstände bzw. in die Verbesserung der eigenen Fähigkeiten investiert werden, dann beginnt der Wettstreit um Ruhm und virtuelle Reichtümer erneut. Dank diverser Schwierigkeitsgrade und einer großen Auswahl an Levels bleibt der Multiplayer-Modus, der übrigens auch per System-Link funktioniert, trotz seiner simplen Grundstruktur lange interessant. Besonders Neulinge, die auf Veteranen mit beeindruckenden Waffen und fortgeschrittenen magischen Fähigkeiten treffen, werden durch den Neidfaktor motiviert.

Der Editor, mit dem sich eigene Levels kreieren lassen, muss einfach lobend erwähnt werden. Bereits in Avatar Golf war es möglich, neue Plätze zu basteln und es ist offensichtlich, dass die Programmierer von Barkers Crest seit der Veröffentlichung ihrer Sportsimulation weitere Tricks gelernt haben. Alles was benötigt wird, um die virtuelle Welt um ein Dorf, eine Wüste oder weitere Landschaften zu erweitern, ist ein wenig Fantasie. Das System ist auf Anhieb verständlich und beinhaltet trotzdem eine große Werkzeugsammlung. Berge, Pflanzen, Gebäude und Gegner sind innerhalb von Minuten auf der Karte verteilt. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass der kreative Prozess schnell beendet ist. Wer sich dafür entscheidet, eine richtige Story samt Dialogen und Missionen zu integrieren, wird natürlich deutlich mehr Zeit benötigen als jemand, der nur schnell ein neues Multiplayer-Level für seine Online-Freunde erstellen möchte. Es ist absolut vorbildlich, dass Barkers Crest diverse Video-Tutorials auf Youtube veröffentlicht hat, um angehende Weltenbastler zu unterstützen. Zwei der Clips sind auch in der Trailer-Sektion dieses Berichtes zu finden.

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Leider ist Avatar Legends nicht frei von Bugs. Besonders der Online-Modus ist von den kleinen Macken betroffen. Nicht selten werden Runden vor Ablauf der Zeit beendet und alle Akteure finden sich in der Lobby wieder, ohne den Lohn für ihre Taten zu bekommen. Ich bekam auch einmal die Meldung, dass mich der Host aus dem Spiel gekickt hat. Auf mein empörtes “Alter, was soll das?“ schwor mein Kumpel mit einer Hand auf einer Halo Reach Limited Edition, dass er nichts dergleichen getan hatte.


Die Grafik hat einige Schwächen, kann sich aber dennoch sehen lassen. Es sind vor allem die abwechslungsreichen Landschaften, die davon ablenken, dass sich die Duelle und die Quests oft wiederholen. Schicke Texturen, eine große Anzahl unterschiedlicher Objekte und natürlich die bereits erwähnten Wettereffekte erwecken die Kulissen zum Leben. Die Wechsel der Perspektive, die stattfinden, wenn Monster auftauchen, sind nicht immer hilfreich, doch glücklicherweise darf jederzeit von Hand nachjustiert werden. Etwas missraten sind die Animationen. Während die nicht spielbaren Bewohner der Fantasy-Welt genau die gleichen Bewegungsabläufe zum Besten geben, die auch in den Konsolenmenüs zu bewundern sind, wirken die Kampfhandlungen oft grob und roboterhaft.

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Die Soundeffekte sind qualitativ auf einem ordentlichen Niveau, hätten aber abwechslungsreicher ausfallen dürfen. Deutlich besser gelungen ist der Soundtrack, der es mit einer guten Mischung aus ruhigen und schnellen Stücken schafft, sowohl die Reisen zwischen den Dörfern als auch die actionreicheren Spielabschnitte bestens zu untermalen.

Tim meint:

Tim

Avatar Legends hat ein paar eindeutige Schwächen und hätte in seiner jetzigen Form wahrscheinlich keine Chance darauf, jemals über den regulären XBLA-Service veröffentlicht zu werden. In der Welt ist der Indie-Games ist das Rollenspiel trotzdem ein Highlight, das eine Menge Features bietet, an die sich die kleinen Teams der Szene normalerweise nicht herantrauen. Allein der fortschrittliche Editor ist den Kaufpreis wert und der Online-Multiplayer-Modus lädt trotz einiger Bugs zu nächtelangen Schlachten mit ein paar Verbündeten ein. Es lohnt sich sofort zuzuschlagen, denn der Preis für den Download wird in Kürze wahrscheinlich auf 400 MS-Points erhöht.

Positiv

  • Genialer Editor
  • Online-Monster-Massaker!
  • Hohe Langzeitmotivation

Negativ

  • Einige Bugs (die hoffentlich bald behoben werden)
  • Unschöne Kampfanimationen
Userwertung
10 2 Stimmen
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Avatar Legends (Indie Game + Entwicklerinterview) Daten
Genre -
Spieleranzahl 1-6 (online)
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 26.05.2011
Vermarkter -
Wertung 8
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