Das Mega CD zählt nicht zu den kommerziell erfolgreichsten SEGA Konsolen. Dennoch kann es einige hochkarätige Spieleperlen aufweisen, für die sich die Anschaffung des CD-Laufwerks lohnt. Sonic CD ist eine davon. Es ist nicht nur eines der besten Mega CD Spiele aller Zeiten, sondern bis dato der besten Sonic Spiele. Doch warum? Was macht den Titel so besonders und lässt Fans bis heute mit glänzenden Augen daran zurückdenken?
Zum einen liegt dies an der unbestrittenen Qualität. Zum anderen daran, dass sich Sonic CD zu einem regelrechten Mythos entwickelte, da es im Gegensatz zu anderen 16Bit Episoden nie in einer der Sonic-Compilations auftauchte. Jedenfalls nicht bis zur Sonic Gems Collection im Jahr 2005. Doch die Version in der Sonic Gems Collection ist umstritten. Später mehr dazu. Der geneigte Fan kommt bis zum heutigen Tage eigentlich nicht um das Original auf dem Mega CD herum.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Story: Es gilt Dr. Robotnik, selbsternanntes Genie und Oberbösewicht der Reihe, das Handwerk zu legen. Doch dieses Mal verwandelt er keine unschuldigen Tiere in Roboter und baut auch kein riesiges Raumschiff. Er interessiert sich nicht einmal für die Chaos Emeralds. Dieses Mal hat er einen anderen Plan. Er will den „kleinen Planeten“ unter seine Kontrolle bringen. Dieser Himmelskörper taucht im letzten Monat des Jahres für kurze Zeit über dem Nimmerleins-See auf, bevor er wieder in einem Dimensions-Strudel verschwindet. Das Besondere an diesem Planeten: Er beherbergt die sieben Time Stones, mit deren Hilfe man die Zeit kontrollieren kann. Als Sonic am Nimmerleins-See ankommt, ist Dr. Robotnik dabei, den Kleinen Planeten in eine lebensfeindliche, metallene Festung zu verwandeln. Dazu schickt Robotnik seine neueste Geheimwaffe Metal-Sonic, aus, um Sonics Möchtegern-Freundin Amy Rose zu kidnappen. Richtig! Metal Sonic und Amy feierten hier ihre Premiere. Sonic macht sich auf, Amy, den kleinen Planeten und die gesamte Welt zu retten.
Spielerisch bietet Sonic CD in erster Linie gewohnte Kost. Sonic CD blieb den meisten wohl gerade deshalb positiv in Erinnerung, weil SEGA keine Experimente wagte und stattdessen lieber das Bewährte verbesserte. Kenner der anderen 16Bit Teile fühlen sich sofort heimisch. Sonic rennt, rollt und springt, zerstört Robotniks Roboter, saust durch schwindelerregende Loopings und sammelt unzählige goldene Ringe ein. Wie wir das gewohnt sind. Das Leveldesign ist exzellent und bietet eine gelungene Mischung aus High-Speed und langsameren Abschnitten, in denen es auf präzise getimte Sprünge ankommt.
Sonic CD erschien im Oktober 1993 zwischen Sonic the Hedgehog 2 und Sonic 3. Grafisch war es ein kleiner Rückschritt zum „Vorgänger“ Sonic 2. Dies liegt darin begründet, dass es kein direkter Nachfolger ist, sondern von einem anderen Team parallel zu Sonic 2 entwickelt wurde. So erklärt sich, dass Sonic 2 ein neues Design aufweist, während sich Sonic CD noch vieler Sprites und Elemente aus dem ersten Teil bedient. Dadurch ist das Spielgefühl noch einen Tick klassischer als bei Sonic 2. Dennoch wurden wichtige Features aus dem zweiten Teil auch in Sonic CD implementiert. Beispielsweise die Spin Dash Attacke, mit der Sonic aus dem Stand heraus auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt.
Was Sonic CD aber besonders und einzigartig macht ist die Nutzung der enormen Speicherkapazität einer CD. Für offene Münder sorgte damals das fulminante Zeichentrick-Intro, welches Sonics Ankunft am Nimmerleins-See und seinen Aufbruch zum kleinen Planeten zeigt. Die Auflösung des Videos ist zwar gering und wird es von einem breiten Rahmen umgeben, doch das schmälerte seinerzeit nicht die Begeisterung. Die zweite Premiere stellte der glasklare CD-Soundtrack dar. Vorbei waren die Zeiten des (plötzlich alt wirkenden) MIDI-Gedudels. Bis heute begeistert der Soundtrack mit seinen Gesangs-, Rap- und Techno-Einlagen eine Menge Fans.
Zumindest der ursprüngliche Soundtrack, der in der japanischen Version und den PAL-Versionen Verwendung findet. Für die USA wurde nämlich fast der komplette Soundtrack ausgetauscht und durch „verwestliche“ Stücke ersetzt, was bei den Fans nicht gut ankam. Qualitativ ist der US-Soundtrack keinesfalls schlechter, lediglich völlig anders. Spencer Nilsen, Komponist des US-Soundtracks, gab hierzu ein persönliches Statement ab: „They had all been playing the Japanese version for weeks or months before our version hit the streets, so it was like we replaced the music to “Star Wars“ after the movie had been out for a while. From that perspective, I can‘t blame them“. Bei der erwähnten Sonic Gems Collection wurde eben jener US-Soundtrack verwendet.
Hingucker sind einige wenige Pseudo-3D-Effekte und die Special Stages. Diesmal gibt es in den Bonusrunden keine Chaos Emeralds, sondern die sieben Time Stones einzusammeln. Hierzu muss Sonic innerhalb eines Zeitlimits mehrere UFOs zerstören, die ihm nebenbei auch Ringe, Turboschuhe oder einige Sekunden zusätzliche Zeit hinterlassen. Der Clou an der Sache: Das gesamte Spielfeld ist dreidimensional, wobei alle Objekte wie Wände, bumper, Fallen, Wassergräben etc. nur auf den Boden gezeichnet sind. Man kennt diesen Effekt vom Super Nintendo unter dem Namen Mode7. In Spielen wie F-Zero, Chrono Trigger oder Super Mario Kart fand er Verwendung.
Ein neues Feature stellt aber alle anderen in den Schatten: die Zeitreisen! Sonic bekommt auf dem Kleinen Planeten erstmals die Möglichkeit durch die Zeit zu reisen und sogar die Zeitlinie zu verändern. Möglich machen dies spezielle Schilder, die überall in den Stages verteilt stehen. „Future“-Schilder ermöglichen den Sprung in die Zukunft, wohingegen „Past“-Schilder Sonic eine Epoche zurück in die Vergangenheit transportieren. Doch um die Kräfte der Zeit-Schilder nutzen zu können, muss Sonic einige Sekunden lang eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit aufrechterhalten. Schafft er dies, wird eine kurze Zwischensequenz eingeblendet, und Sonic landet anschließend an der gleichen Stelle, nur in einer anderen Zeit. Insgesamt gibt es vier verschiedene Zeiten: Gegenwart, Vergangenheit, schlechte Zukunft und gute Zukunft. Schlechte Zukunft? Was? In der Vergangenheit eines jeden Levels ist eine Roboter produzierende Maschine versteckt. Vernichtet Ihr diese, wird aus der schlechten Zukunft des entsprechenden Levels die gute Zukunft, in der es keine Gegner und weniger Fallen gibt.
Und das ist nicht alles. Neben der umweltschädlichen Maschine ist in der Vergangenheit auch ein Emitter versteckt, der ein Hologramm von Metal Sonic projiziert, welchergerade ein Tier quält. Zerstört man dieses Gerät, werden Gegenwart und Zukunft von Tieren bevölkert. Die einzelnen Zeitepochen eines Levels unterscheiden sich nicht nur durch unterschiedliche Settings, Farbpaletten, Soundtracks und Gegnerzahlen, sondern auch durch einen veränderten Levelaufbau. Bis auf die Bosslevels (welche ausschließlich in der schlechten bzw. guten Zukunft angesiedelt sind) gibt es aufgrund der Zeiten für jeden Level vier verschiedene Versionen. Bedenkt man, dass es sieben Zonen à zwei Level plus einen Bosslevel gibt, kommt man auf die unglaubliche Zahl von exakt 70 verschiedenen Levels! Die sieben Special Stages nicht mitgerechnet. Übrigens: Wer es schafft, in jedem Level eine gute Zukunft zu erschaffen oder alternativ alle sieben Time Stones einzusammeln, wird nicht mit dem normalen Outro-Video abgespeist, sondern bekommt ein erweitertes Ende zu sehen. Beide Endings werden von einem grandiosen Song begleitet.
Und wem das Abenteuer als Herausforderung nicht reicht, darf jeden besuchten Level noch einmal im Time Attack Modus spielen. Dann allerdings ohne Zeitreise-Feature. Dank des internen Speichers des Mega CDs gehen keine Daten verloren, bereits erspielte Levels bleiben permanent verfügbar. Auch der Fortschritt des Abenteuers wird festgehalten, so dass man immer in der Welt weiterspielen kann, in der man zuletzt unterwegs war.
Sonic CD ist ein Muss für jeden Mega CD Besitzer und ebenso ein Pflichttitel für alle Sonic-Fans. Was hier an Umfang, Geschwindigkeit und Spielspaß geboten wird, sucht auf dem Mega CD seinesgleichen. Doch auch vor den anderen Sonic-Titeln muss sich Sonic CD nicht verstecken. Viele Fans bezeichnen es sogar als das beste Sonic überhaupt. Und ich kann verstehen warum, auch wenn mein persönlicher Favorit nach wie vor die Lock-On-Kombination Sonic 3 & Knuckles bleibt. Dennoch: Wer Sonic CD nicht gespielt hat, verpasst eine Sternstunde des 16Bit-Zeitalters! Oder um es mit dem Refrain des Titelsongs zu sagen: “Sonic – You Can Do Anything!”