Uncharted 2: Among Thieves im Test

PlayStation3

Naughty Dog mag es am letzten Quäntchen Genialität mangeln, wenn es um die Programmierung innovativer Gameplay-Mechanismen geht. Anstatt jedoch ständig das Rad neu zu erfinden, hat der First Party Entwickler ein anderes Talent: Kaum ein Developer vermag es so gekonnt virtuelle Charaktere zu entwickeln, die mit dem PlayStation-Brand identifiziert werden, wie die Jungs aus Santa Monica. Zunächst avancierte Crash Bandicoot zum inoffiziellen Maskottchen der PSone, anschließend folgten zahlreiche Jak and Dexter Episoden für PS2 und schließlich mit Uncharted: Drakes Schicksal DAS Exklusiv-Abenteuer für die dritte PlayStation-Inkarnation.

Uncharted_2_Among_Thieves_11Die PS3 wurde als Hightech-Spielzeug für reifere Zocker und Homecineasten positioniert - und auch der testosterongeschwängerte Nathan Drake wirkt um Einiges cooler und erwachsener als die 32Bit-Beutelratte vergangener Tage. Der Chuck Norris unter den Videospiel-Maskottchen erhält jetzt mit Uncharted 2: Among Thieves einen Nachfolger spendiert, der das erste Grabräuber-Abenteuer in jeder Disziplin übertreffen will. Gelingt das ambitionierte Vorhaben oder mutiert die Schatzsuche zur öden Sandkastenbuddelei?

Schuster bleib bei deinen Leisten - Jonathan Drake wandelt auch in seinem jüngsten Abenteuer auf den Pfaden von Indiana Jones und der vollbusigen Eidos-Konkurrenz. Drehte sich der Vorgänger noch um den legendären Piraten Francis Drake, so bilden diesmal die Expeditionen des Marco Polo den historischen Kontext. Letzterer verbrachte im 13. Jahrhundert mehrere Jahre am Hof des Mongolenherrschers Kublai Khan, für den er das mythische Reich Shangri-La aufspüren sollte. Die heilige buddhistische Tempelstadt beherbergt der Sage nach ein mächtiges Juwel, das jeden Wunsch erfüllen kann.

Uncharted_2_Among_Thieves_30Über seine Odyssee hüllte der Entdecker jedoch einen Mantel des Schweigens, genauso wie über den Verbleib seiner einst stolzen Flotte, von denen einzig ein Schiff die alte Welt erreichen sollte. Gemeinsam mit seiner neuen Flamme Chloe Frazer macht sich Nathan auf die Suche nach dem begehrten Klunker und liefert sich ein mörderisches Wettrennen mit dem zwielichten Warlord Lazaveric.

Spielerisch präsentiert Uncharted 2: Among Thieves die gewohnte Menage au troi: Actiongeladene Ballereinlagen wechseln sich mit Klettereien und sporadischen Rätseln ab. Das Hauptaugenmerk legten die Entwickler jedoch wie schon beim Vorgänger auf ausgefeilte Schusswechsel. Aus klassischer Third-Person-Sicht nehmt ihr feindliche Paramilitärs aufs Korn und übt euch anschließend in Leichenfledderei, um neue Waffen und Munition aufzunehmen. Je einen schweren und einen leichten Ballermann darf Drake mit sich rumschleppen, die Wahl will also wohl überlegt sein. Neben verschiedenen Handfeuerwaffen und Gewehren birgt das Portfolio auch Granaten(-Werfer), Bazooka oder Scharfschützengewehr. Wer jedoch in einem typisch männlichen »Haben will!«-Reflex sein AK47 bereitwillig gegen den verführerisch funkelnden Raketenwerfer eintauscht, könnte schon bald in die Röhre schauen. Denn nach einer Handvoll knalliger Explosionen geht der Munitionsvorrat zur Neige, während munter weiter Feindvolk in eure Richtung strömt. Auch wenn es diesmal leichter von der Hand geht im Lauf ein paar gezielte Schüsse abzugeben, so ist systematisches Deckung-Suchen noch immer essentiell. Automatisch schmiegt sich Nathan an zerklüftete Felsen und Mauerecken, um blitzschnell von einem Unterschlupf zum nächsten zu hechten. Die Kampfsequenzen spielen sich wunderbar intuitiv und dynamisch, wirken zudem eine Spur präziser als in Drakes Schicksal.

Wer eher auf Handkanten-Akrobatik steht, darf sich die Schergen auch im Nahkampf vorknüpfen. Das Wechselspiel aus Angriff, Ausweichen und Counter ist zwar immer noch recht einfach, dafür wurde die Varietät der Manöver deutlich erhöht. Ebenso bindet Nathan in seine Schlagkünste des Öfteren die Umgebung ein, schlägt den Kopf seines Gegenübers gegen eine Mauer oder wirft den Gegner konsequent aus dem Fenster.

Uncharted_2_Among_Thieves_9Ein Schwachpunkt des Erstlings war das einfältige Gegnerdesign. Nach dem Abspann hatte man das beklemmende Gefühl in der Magengegend, soeben die halbe Gesamtbevölkerung Nicaraguas niedergemetzelt zu haben. Statt Latino-Auflauf kredenzt euch Uncharted 2: Among Thieves eine exquisite Auswahl verschiedener Ostblock-Söldner. Neben Standard-Kanonenfutter umfassen die Bataillone versierte Nahkämpfer, gepanzerte Sturmtruppen, Scharfschützen, sowie Kombattanten mit Raketenwerfer und Schutzschild. Die Polygon-Russen agieren taktisch und vorsichtig, decken euch aus der Deckung heraus mit Sperrfeuer ein. Anspruchsvolle und spannende Duelle sind garantiert, dank der vereinzelten Zwischengegner wie Panzer und Helikopter.

Damit Drake nicht vollauf zur ramboesken Einmannarmee mutiert, bekommt ihr häufig einen KI gesteuerten Waffenbruder zur Seite gestellt. Befehle könnt ihr eurem virtuellen Sidekick zwar nicht geben, das ist aber auch nicht nötig. Wunderbar selbstständig nimmt er feindliche Soldateska aufs Korn und hangelt sich gekonnt über tödliche Abgründe.

Uncharted_2_Among_Thieves_20Als spielerische »Neuerung« wurden vereinzelte Stealth-Sequenzen implementiert. Solid Snake äh Nathan Drake pirscht sich lautlos an seine Widersacher heran, um diese ohne viel Aufsehen ins Nirwana zu befördern. Leider geht das Konzept in der Praxis nur bedingt auf. Die Levelabschnitte sind zu linear aufgebaut und durchgescriptet, um ausreichend Freiheiten bei den Schleicheinlagen zu bieten. Meist tötet ihr nur die ersten zwei Störenfriede hinterrücks, um dann doch wieder auf brachiale Waffengewalt umzusatteln.

Spaßiger gestalten sich da schon die Kletterpassagen, die monotones Dauergeballer auflockern. Drake hangelt sich malerische Kulissen entlang, erklimmt verunglückte Eisenbahnwagons ebenso wie Steilwände und osmanische Prachtbauten. Auch wenn sich die Hängepartien nicht mehr so stumpf spielen wie noch im Vorgänger, so sind sie noch weit von jeglichem spielerischen Anspruch entfernt. Semiautomatisch wuchtet sich Nathan perforierte Mauervorsprünge hoch und klettert Lianen entlang - einfach das Gehirn ausschalten und die imposante Optik genießen.

Uncharted_2_Among_Thieves_14Wer die gut 10-12 stündige Kampagne durchzockt, kann weitere vergnügliche Stunden im umfangreichen Online-Part von Uncharted 2: Among Thieves verbringen. Mit bis zu neun weiteren Sofa-Indiana Jones lassen sich Schrot-Ladungen austauschen, das Wechselspiel aus Deckung und Angriff funktioniert auch im Multiplayer hervorragend. Die Spiel-Modi geben sich keine Blöße: das Einmaleins des Genrestandards bestehend aus Team-Deatchmatch, Capture the Flag & Co. findet sich auf der schimmernden Blu-ray. Richtig Fun kommt aber erst in den Koop-Varianten auf. Entweder nehmt ihr hier unzählige Gegnermassen gemeinsam aufs Korn, oder absolviert zu dritt abgewandelte Szenarien der Singleplayer-Kampagne.

Bereits dem ersten Part ist ein Ehrenplatz auf dem konsolenübergreifenden Grafik-Olymp sicher, doch was Uncharted 2 für ein optisches Feuerwerk auf eurem Bildschirm entfesselt, ist schlicht und einfach bombastisch. Schon die Inszenierung und Präsentation steckt so manche ausgewachsene Hollywood-Produktion in Tasche. Drake liefert sich nervenzerfetzende Scharmützel mit einem Helikopter, während er sich einen fahrenden Zug entlang arbeitet, flieht aus einem einstürzenden Gebäude oder versucht einem tonnenschweren Lastwagen auszuweichen. Dieses Kino-Feeling wird durch die häufigen (Echtzeit-) Zwischensequenzen weiter verstärkt, das realistische Minenspiel und die geschmeidigen Animationen, eingebunden in eine spannende Storyline, schaffen eine dichte Atmosphäre.

Uncharted_2_Among_Thieves_41All zu oft ertappt ihr euch dabei, wie ihr kurz innehaltet, die Kamera schwenkt und die famose Grafik genießt. Superbe Texturen paaren sich mit Licht- und Schatteneffekten sowie diversen Filtern zu einem optischen Hochgenuss. Unglaublich viele Details erfreuen das Auge, seien es Wandverzierungen in nepalesischen Dörfern, fotorealistischer Schnee, subtropisches Gestrüpp oder Drakes charismatische Bartstoppeln. Eine Dschungel-Optik mit dem gewissen Wow-Effekt zu programmieren, wie bei Drakes Schicksal geschehen, ist machbar, einfach weil das Szenario viel her macht. Den gleichen Eyecandy-Faktor aber auf eine Eiswüste oder zerfallene Siedlung zu übertragen - das ist wahrhaft meisterlich! Killzone 2 hat in Uncharted 2: Among Thieves seinen Meister gefunden. Was hier über die Mattscheibe flimmert, ist neue konsolenübergreifende Grafik-Referenz.




Kai meint:

Kai

Spielerisch zeigt sich Uncharted 2 eher als pragmatische Evo- statt Revolution. Wer mit Drakes erstem Abenteuer nicht warm wurde, wird auch an Among Thieves wenig Gefallen finden. Dennoch bemühten sich die Entwickler sichtlich, zumindest die gröbsten Schnitzer aus dem Spieldesign zu entfernen. Die Frequenz der Shootouts wurde zugunsten der Kletter- und Knobeleinlagen zurückgeschraubt, dafür geht‘s bei den selteneren Schusswechseln aber um so energischer zur Sache. Die neuen Stealth-Sequenzen sind eher durchwachsen, im Gegensatz zu den ungemein spaßigen Koop-Modi, die die Langezeitmotivation merklich erhöhen. Seine wahren Stärken spielt der Action-Titel bei der imposanten Präsentation aus, die »Naughty Dog Game Engine 2.0« zeigt zu welch audiovisuellen Meisterwerken die PS3, richtig programmiert, fähig ist. Dieser Grafik-Whopper gehört in jede gut sortierte Spiele-Vitrine

Positiv

  • Fantastische Grafik
  • Film-Feeling
  • Koop-Modus

Negativ

  • Sehr linear
  • Spielerisch nichts Neues
Userwertung
8.47778 9 Stimmen
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Forum
  • von Mr.Deadshot:

    Darkshine schrieb: Schlimmer als Ride to Hell Retribution wird's schon nicht sein. Also ich hab beide Spiele nur zugeschaut, aber Ride to Hell wirkt dagegen schon ziemlich AAA ...

  • von Darkshine:

    Schlimmer als Ride to Hell Retribution wird's schon nicht sein.

  • von Slainte:

    Na der Lacher war dir voll und ganz gelungen ...

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Uncharted 2: Among Thieves Daten
Genre Action-Adventure
Spieleranzahl 1 - 10
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 2009-10-16
Vermarkter Sony
Wertung 8.5
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