[Buch] Contact - Conflict - Combat: Zur Tradition des Konfliktes in digitalen Spielen

Xbox

Review 1

Auch wenn es von Kritikern gern anders dargestellt wird, können die meisten Fans von Videospielen lesen. Das beweisen nicht nur die Besucherzahlen von neXGam, sondern auch die vielen Bücher, die in den letzten Jahren rund um das Hobby erschienen sind. Von umfangreichen Lösungshilfen für komplexe Games über Romane, die in den altbekannten virtuellen Welten spielen, bis hin zu unterhaltsamen Nachschlagewerken zur Entwicklung des Mediums, gibt es eine Menge zu entdecken. Auch die Wissenschaft behandelt Videospiele längst nicht mehr als gesellschaftliche Randerscheinung, sondern als ernsthaftes Forschungsgebiet. Was macht die Faszination von Games aus? Wie wirkt das ständige Zocken langfristig? Mit der Suche nach Antworten auf diese und weitere Fragen beschäftigen sich viele schlaue Köpfe. Nun ist im Verlag Werner Hülsbusch das Buch “Contact - Conflict - Combat: Zur Tradition des Konfliktes in digitalen Spielen“ aus der Reihe “Game Studies“ erschienen. Wir haben das 274 Seiten starke Werk gelesen und verraten euch in unserem Bericht, ob sich der Kauf lohnt.

Schon nach wenigen Sätzen wird klar, dass es sich bei dem Buch, das für € 29,90 über die Ladentheke gereicht wird, um Fachliteratur handelt und nicht um kurzweilige Unterhaltung der Marke GAMEplan. Das soll keinesfalls bedeuten, dass die insgesamt 14 Beiträge, die in dem Sammelband zusammengefasst sind, für Gelegenheitsleser absolut unzugänglich sind. Allerdings bedienen sich einige der Autorinnen und Autoren einer gehobenen wissenschaftlichen Ausdrucksweise, die durchaus abschreckend wirken kann, wenn die Standard-Bettlektüre aus Spielanleitungen und Comics besteht. Wer das Werk komplett verstehen will, sollte nicht nur ein gutes deutsches Grundvokabular mitbringen, sondern darüber hinaus auch die englische Sprache beherrschen, da zwei der Artikel nicht übersetzt wurden.

25_CoD_Black_Ops_Screenshot_Radiation_Strike_Team.jpg

Jeder von uns kann erklären, was ein Konflikt ist. Zumindest denken wir das, bis uns das Buch eines Besseren belehrt. Es handelt sich eben nicht immer um einen simplen Streit, der mit verbalen Mitteln oder körperlicher Gewalt ausgetragen wird. Alle Artikel wurden einem von insgesamt fünf Themenschwerpunkten zugeordnet, die sich jeweils mit einer bestimmten Dimension des Konfliktes beschäftigen. Das mag sich wissenschaftlich und trocken anhören, liest sich aber häufig sehr interessant. Ein typischer Vielspieler scheucht seine digitalen Stellvertreter gern durch virtuelle Welten, schickt dabei ganze Armeen von Gegnern ins Nirvana und nimmt sich selten die Zeit, wirklich über das Geschehen auf dem Bildschirm nachzudenken. Wer Contact - Conflict - Combat liest, lernt nicht nur viel über die Komplexität von Games, sondern auch über die eigene Persönlichkeit und die motivationssteigernde Wirkung, die von gut in Szene gesetzten Konfliktsituationen ausgeht. Bereits der erste Beitrag, der sich größtenteils der Analyse von Prince of Persia - Warrior Within widmet, zeigt, dass der innere Konflikt des Titelhelden deutlich faszinierender und vielschichtiger ist als seine Kampfkünste.

5.png

Die vielen bunten Bilder, die normalerweise in Büchern zum Thema Videospiele zu finden sind, sucht man in Contact - Conflict - Combat vergeblich. Nur in zwei der Beiträge tauchen ein paar kleine Screenshots auf. Hier wird tatsächlich wenig Platz für optische Leckerbissen geopfert. Glücklicherweise schaffen es einige der Schreiberlinge, die übrigens aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen kommen, auch mit Worten bestens zu unterhalten. Besonders weit vom bierernsten Fachbuchstil entfernt sich Christian Huberts in seinem Artikel “Zwischen 1 und 0 - Der romantische Konflikt zwischen realen und virtuellen Welten“. Sehr persönlich schildert der Autor zunächst die Vorteile, die digitale Lebensräume im Vergleich zur wirklichen Welt zu bieten haben. Die World of Warcraft dient ihm als Zufluchtsort in düsteren Zeiten. Während Herr Huberts krank vorm Bildschirm sitzt, genießt sein untoter Avatar seine Existenz in der Fantasy-Welt Azeroth. Doch genau so schnell wie die Euphorie gekommen ist, weicht sie der bitteren Erkenntnis, dass die sozialen Komponenten des umjubelten Rollspiels klare Grenzen haben. Obwohl der Text stilistisch ungewöhnlich ist, ist er inhaltlich durchaus mit den restlichen Beiträgen vergleichbar. Nur selten werden klare Pro- oder Contra-Positionen bezogen. Jedes der Themen wird aus mehreren Blickwinkeln betrachtet.

Review 2

Natürlich dürfte es potentielle Käufer interessieren, welche Games erwähnt werden. Glücklicherweise eine ganze Menge! Allerdings sind es oft nur wenige Sätze, in denen ein Spiel als Beispiel für eine These oder bestimmte Konfliktsituation herangezogen wird. Neben den bereits genannten Titeln wurden auch so großen Namen wie Call of Duty: Modern Warfare 2, Bioshock 2 und Half-Life 2 komplette Artikel gewidmet. Doch nicht nur die Topseller stehen im Mittelpunkt. Auch Turning Point: Fall of Liberty, das weltweit von den Kritikern zerrissen wurde, wird aufgrund seiner ungewöhnlichen Story analysiert. Oldie-Fans kommen dank Texten wie “Spielen (in) der atomaren Situation - Atomkriegsszenarien im 8- und 16-Bit-Computerspiel“ und vielen weiteren Erwähnungen von Klassikern auf ihre Kosten.

RS2_Screenshots_NYC_05_640x360.jpg




tim_meint.png

Ist Contact - Conflict - Combat ein weiterer Grund, ein Bücherregal neben die Videospielvitrine zu stellen? Diese Frage lässt sich leider nicht einfach beantworten. Es handelt sich nicht um ein typisches Buch zum Hobby, in dem man ein paar Minuten blättert und dabei einige unterhaltsame Fakten aufschnappen kann. Hier sind Durchhaltevermögen und Selbstreflexion gefragt, denn die Artikel sind größtenteils zu vielschichtig, um nebenbei vorm Fernseher gelesen zu werden. Wer sich allerdings die Zeit nimmt und sich mit dem Inhalt auseinandersetzt, gewinnt eine Menge Wissen über die Wechselwirkung zwischen virtuellen, persönlichen und gesellschaftlichen Konflikten. Das kann sich tatsächlich lohnen, denn die oft unsachliche Diskussion braucht Menschen, die etwas zu sagen haben. Wer sich beruflich oder im Rahmen eines Studiums mit interaktivem Entertainment beschäftigt, kann ohne Bedenken zugreifen.

Übersicht: [Buch] Contact - Conflict - Combat: Zur Tradition des Konfliktes in digitalen Spielen

Userwertung
0 0 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Follow us
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen