Beim Lesen der umfangreichen Dialoge wird auch klar, warum Tales of Phantasia eine Veröffentlichung in den prüden Staaten verwehrt blieb – Die Konversationen rangieren des öfteren unterhalb der Gürtellinie. So werdet ihr mehrfach Zeuge wie Elfenmädel Arche wichtigen NPCs für gewisse Gefälligkeiten Beischlaf anbietet oder Magier Klarth eure Widersacher mit einem Pornomagazin verprügelt ,,,)
"Die "Tales of"-Saga steht für ein Action-betontes Kampfsystem"
Die Legende Phantasias beginnt recht beschaulich im mittelalterlichen Dörfchen Totus. Cless und sein Kumpel Chester gehen auf die Jagd in den Wald. Hier erscheint den beiden ein Naturgeist, der ihnen von der Zerstörung ihrer Heimat berichtet, schnell nach Totus rennend müssen die beiden feststellen, dass sämtliche Einwohner niedergemetzelt wurden. Sofort macht sich das Duo auf den Tod ihrer Familien zu rächen.
Was wie eine typische 08/15-Gut gegen Böse-Story beginnt, entpuppt sich bald als tiefgründige Mär! Im Laufe eurer Odyssey bekommt ihr Unterstützung von Heilerin Mint, Beschwörer Klarth und Halbelfe Arche, die das Abenteuer mit ihren glaubhaften Persönlichkeiten bereichern. Es folgt eine Reise in Vergangenheit und Zukunft um den Übeltäter des Massakers, Dhaos, letztlich zu stellen.
"Die Weltkarte präsentiert sich in Pseudo 3D"
Was die „Tales of“-Reihe seit ihrem Erstling Phantasia so erfrischend anders macht, ist vor allem das Kampfsystem! Ähnlich eines Beat´em Ups, blickt ihr seitlich auf eure Party und lenkt Cless in Echtzeit übers Spielfeld. Eure drei Mitstreiter agieren in der Zwischenzeit selbstständig und lassen Aufrufzauber oder auch mal einen zünftigen Meteorregen auf die Feinde los. Komplett entzieht sich das Trio eurem Einfluss allerdings nicht: im Optionsmenü könnt ihr verschiedene Verhaltensweisen festlegen (Immer feste druff oder doch lieber MP sparen?) und die Formation eurer Party bestimmen.
"Die epische Story wartet nur mit wenigen Wendungen auf, wird aber liebevoll erzählt"
Zudem lässt sich der Kampf jederzeit unterbrechen um gezielt bestimmte Magien zu entfesseln. Während eure Kameraden also eher mit Bogen und Zauberstab auf Fernkampf setzen, greift Cless mutig zum Schwert und schlägt Dhaos Schergen aus nächster Nähe zu Brei. Neben dem klassischen Schwertschlag steht euch hierfür auch ein umfangreiches Sortiment an Specialmoves zur Verfügung, die ihr im Laufe des Abenteuers bei verschiedenen Meistern erlernt.
Besonders spaßig wird das Ganze mit dem Combo-Item, das ihr leider erst ganz am Ende des Games erstehen dürft. Jetzt lässt sich jeder Move per Tastenkombination entfesseln, was für brachiales Street Fighter-Feeling sorgt. Warum diese Bereicherung des Gameplays nicht von Beginn an im Kampfsystem verankert wurde, ist mir schleierhaft…
"Die Städte laden zum lauschigen Smalltalk"
Ansonsten bietet Phantasia den üblichen Genrestandard: Erholt euch in beschaulichen Dörfern und kolossalen Großstädten, powert eure Mannen im benachbarten Wald auf und metzelt euch anschließend durch den nächsten Dungeon – Alles verbunden durch eine stylishe Mode7-Weltkarte. Besonderes Lob verdient hier das Dungeon-Design:
"Die anspruchsvollen Endbosse sind nur mit der richtigen Taktik zu knacken"
Diese sind mit üppigen Bitmaps ansehnlich modelliert, teils extrem umfangreich und mit abwechslungsreichen, wenn auch nicht übermäßig schweren Rätseln gepflastert. So will erst feuerfeste Kleidung angelegt werden, eh ihr einen Magmatempel gefahrlos betreten könnt, oder eine Relais-Station per Blitz-Zauber überredet werden, die nächste Tür zu öffnen.
Für lang anhaltenden Spielspaß sorgen auch die unzähligen Sidequests,,, in den Weiten Phantasias gibt es eine Menge zu entdecken. Mal wollen zwei Liebende verkuppelt, oder ein Junge im Wettrennen besiegt werden, dann warten geheime Dungeons und eine knüppelharte Kampfarena auf euren Besuch. Als Lohn winken geheime Zauber und neue Waffen, die euren Argumenten mehr Schlagkraft verleihen.
Die bunte und detaillierte Grafik rangiert knapp unter Final Fantasy VI-Niveau. Beeindruckend sind vor allem die Zufallskämpfe ausgefallen, die mit extrem schnellen Animationen und Parallax-Scrolling punkten – frei von Slowdowns! Dem legendären Sony-Soundchip des Super Famicoms wird neben prächtigen Melodien sogar vereinzelte Sprachausgabe, samt einem gesungenen Titelsong entlockt.
"Bis ihr diesen Screen erblickt, werden einige Spielstunden ins Land ziehen..."
Namco hat mit Tales of Phantasia eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass die Japaner nicht nur temporeiche Renn- und Kampfspiele kreieren können. Was dem Spieler hier an Gameplay, Umfang und Story aufgetischt wird, erreicht locker Squaresoft-Niveau! Wer Lust auf mehr bekommen hat, darf auch zu den ähnlich gestrickten Nachfolgern Tales of Destiny (2), sowie Tales of Symphonia greifen, auch wenn die Genialität des Erstlings nicht ganz erreicht wird. Dieser feierte unlängst auf PSone und GBA sein Revival – mit üppigen Extras.