Battle Kid: Fortress of Peril im Test

NES
Wir schreiben das Jahr 2010. Nach 15 Jahren erblickt ein neues Jump'n'Run Titel für das NES das Licht der Welt. "Das NES?", werdet ihr euch jetzt fragen. Ja, es stimmt. Battle Kid: Fortress of Peril heisst das Spiel; entwickelt von Sivak Games und veröffentlicht durch Retrozone, lässt es euch abermals euer getreues Nintendo Entertainment System entstauben und lädt zu Button- und D-Pad-Akrobatik ein. Und natürlich haben wir von neXGam diesen Homebrew-Titel ausführlich für euch getestet.
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte um Battle Kid ist die mystische und gefährliche Festung Il'Akab, gelegen auf einer einsamen Insel. Diese wurde einst von mächtigen Zauberern bewohnt, welche dort schreckliche Taten verübten. Jedoch schien die Festung verlassen, bis Dr. Tina Byers von DitchCorp eine grauenerregende Funknachricht abfing. Diese kündete vom Bau eines mächtigen Mechanoiden, welcher das Ende der Welt heraufbeschwören könnte.

Um dieses Schicksal zu verhindern, schickt Dr. Byers nun ihren jungen Assistenten Timmy los. Ausgerüstet mit einem experimentellen Kampfanzug, basierend auf modernster Technik und Magie, um die Lage in der Festung zu erkunden und den Mechanoiden zu vernichten. Nun, zumindest in Sachen Story macht Battle Kid hier alles richtig: Sie ist kurz, bringt das Spiel in Bewegung und wird - vollkommen typisch für die gute, alte NES-Zeiten - in einigen wenigen Bildern mit etwas Text darunter erzählt.
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Nach der kurzen Einleitung werdet ihr auch gleich mit dem eigentlichen Spiel konfrontiert. Nun ist es die Aufgabe des Autors, euch werten Lesern ein Bild von Selbigem zu vermitteln. Oft wird Battle Kid in einem Atemzug mit "I wanna by the guy" genannt, einem Freeware Jump'n'Run Spiel für Windows. Dieses ist als Hommage an viele alte Klassiker entstanden und strikt an Veteranen des Genres gerichtet. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf einem sadistischen Schwierigkeitsgrad und vielen, unvorhersehbaren Fallen, welche das Spielerlebnis zu reinem Trial & Error (Versuchs-und-Irrtums-Methode; sprich: systematisches Ausprobieren) machen und eindeutig gewollter Frustration führt. Battle Kid geht durchaus in eine ähnliche Richtung, ist jedoch nicht ganz so sadistisch und unvorhersehbar. Doch dies sollte nicht falsch verstanden werden: Battle Kid ist - Verzeihung - sauschwer!
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Der Schwierigkeitsgrad äußert sich beispielsweise darin, dass Timmy, trotz seines High-Tech Anzuges, bei jedem Feindkontakt stirbt. Es gibt keine Energieanzeige, keine "Herzleiste", keine Extraleben. Ihr könnt euer Schicksal lediglich mit den fünf unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen zu Beginn des Spiels erleichtern:

EASY gibt euch unendliche Continues, sowie Zugriff auf das Passwortsystem. Gegenüber NORMAL seid ihr hier jedoch auch gleichzeitig bereits mit einer Anzug-Erweiterung ausgestattet, welche euren Gegnern den doppelten Schaden zufügen wird. Da diese Erweiterung eigentlich erst im Laufe des Spiels erkämpft werden muss, straft man euch mit einer pinken statt giftgrünen Rüstung ab. Wer nicht gerade auf "Hello Kitty" steht, wird wohl aus Gründen der Männlichkeit/Fraulichkeit zu NORMAL greifen. Weitere Schwierigkeitsgrade sind HARD, VERY HARD und UNFAIR, welche euch KEINE Passwörter erlauben und euch mit lediglich 50, 20 bzw. KEINEN Continues auf die Reise schicken. UNFAIR heisst also: "Einen Treffer und zurück zum Start!" Wer diesen Modus besteht, darf sich mit Sicherheit zu den Besten der Besten im Videospiel-Olymp gesellen.
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Habt ihr euren Schwierigkeitsgrad gewählt, macht ihr euch auf den Weg in die große Spielwelt. "Groß" ist hierbei ausschlaggebend: Über 500 Räume, gefüllt mit über 30 unterschedlichen Gegnertypen erwarten es, von euch bezwungen zu werden. In Anbetracht des Schwierigkeitsgrades, werdet ihr hier eine lange Zeit Beschäftigung finden. Vom Gameplay-Standpunkt ist bezugnehmend auf den Begriff "Räume" zu erwähnen, dass jeder Spielbildschirm separat gehalten wird. Erreicht ihr also das Ende eines Bildschirms, erreicht ihr übergangslos den nächsten angrenzenden Raum. Ein stufenloses Scrollen über mehrere Bildschirme ist hier leider nicht gegeben.

Schon in den ersten Minuten, werdet ihr starke Parallelen zur klassischen Mega Man-Serie feststellen. Ganz klassisch feuert ihr mit "A" eure Handwaffe ab, hüpft mit "B" über Abgründe und Hindernisse, erklimmt Leitern und gar die plötzlich auftauchenden und verschwindenden Blöcke, über welche ihr gefährliche Abgründe oder Spikes überquert, sind vorhanden. Die Ähnlichkeit ist jedoch maximal als Hommage, denn Kopie zu verstehen; Battle Kid hat sein eigenes Wesen, ein eigenes Konzept und es spielt sich auch so.
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So ist beispielsweise die Sprung-Steuerung mit der von Mega Man und ähnlicher Titel oder Serien kaum zu vergleichen. Der kleine Timmy springt hoch und weit und die Bewegungen sind schnell. Es mag der Eindruck entstehen, dass eine genaue Kontrolle über den Charakter kaum zu meistern ist. Doch wird man hier schnell eines Besseren belehrt: Die Resonanz auf die Eingaben des Spielers sind schnell und akkurat.

Es gibt hier eine steile und doch zu meisternde Lernkurve und in kürzester Zeit kommt ihr mit der Mehrzahl an Gegnern gut zurecht und meistert wahrlich unmöglich anmutende Sprünge mit perfektem Timing. Dies kommt dem fordernden Gameplay zugute und es wird ersichtlich, dass Sivak Games hier hart gearbeitet hat, um eine gute und funktionierende Steuerung als Kontrapunkt für das fordernde Gameplay zu entwickeln. Und es funktioniert!
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Leider sind die Gegner manchmal etwas zu vorhersehbar in ihrem Verhalten. Sie feuern entweder in genauen Intervallen oder bei Sichtkontakt und auch ihre Bewegungen sind oft auf eine einzelne Plattform, in eine gewisse Richtung oder ähnliches beschränkt. Eine Form der Variation hätte für mehr Abwechslung gesorgt, den Schwierigkeitsgrad dabei aber wahrscheinlich erneut um einige Stufen in den Himmel gefeuert.

Wacker kämpft ihr euch nun also von Continue-Marker zu Continue-Marker. Diese finden sich meist in regelmäßigen Abständen über die ganze Insel verteilt und erlauben es euch, nach eurem Ableben, von dort mit eurem Abenteuer fortzufahren. So nimmt das Gameplay einen Etappen-artigen Aufbau an. Ohne starke Nerven mag dies durchaus, zusammen mit der Vorhersehbarkeit eurer Gegner, zu einer gewissen Monotonie verkommen. Durch den Frust-geschwängerten Schwierigkeitsgrad besteht hier möglicherweise auch erhöhte Gefahr für den eingesetzten Controller.

Doch gleichermaßen weiß der Titel es bei jedem neuen Continue-Marker erneut zu motivieren, denn der Spieler kann sich sicher sein: "Ich habe etwas geschafft!" So besteht hier durchaus ein Gegengewicht, welches eine empfindliche Balance zur Härte des Titels darstellt. Nicht jeder Spieler wird hier genügend Ausdauer aufbieten können und eine solche als vorausgesetzt zu betrachten ist nicht wirklich realistisch. Hartnäckige werden sich jedoch ständig mit neuen und interessanten Aufgaben konfrontiert sehen.
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Oft werdet ihr dann doch das Zeitliche segnen und irgendwann die Konsole abschalten müssen - sei es aus Frust, oder weil ihr in zwei Stunden am Arbeitsplatz oder in der Schule sein müsst. Doch seid unbesorgt: Das Passwortsystem hilft euch hier. Nach jedem Ableben wird euch das Spiel ein Passwort anzeigen, welches euch nach der Eingabe wieder bequem vom letzten Continue-Punkt starten lässt. Mit ganzen sieben Lettern ist das Passwort auch recht kurz gehalten, was die Eingabe an sich nicht zu einem zeitraubendem Projekt werden lässt. Auch kommen hier nur Großbuchstaben, sowie Zahlen zum Einsatz, was die Möglichkeit von Fehlern beim aufschreiben bzw. eingeben minimiert.

In Sachen Abwechslung glänzt die Spielwelt eindeutig. So bewegt ihr euch im freien über Stock und Stein, in tiefen Höhlen, über den Wolken, unter Wasser und ebenso in der Festung selbst. All diese Bereiche sind in sich stimmig gestaltet und farbenfroh. Die Grafiken erinnern nostalgisch an klassische Titel des Systems, sind detailliert und erzeugen typische NES-Atmosphäre. Von der Komplexität der Grafiken kann man hier abermals die Mega Man-Serie als Vergleichsbild nehmen. Nur selten passt eine Textur nicht perfekt zu ihrem Nachbar oder zeigt unschöne Übergänge. Animationen sind jedoch schön und Sprite-flackern sucht man vergebens!
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Eure Reise läuft dabei auch nicht vollkommen linear ab: Wie in Metroid trefft ihr öfter auf Abzweigungen, welche zum Erkunden einladen. Dabei hinkt der Vergleich jedoch ein wenig, da die Spielwelt von Battle Kid nicht ganz so komplex wie Planet Zebes strukturiert ist. Auf der anderen Seite fühlt man sich glücklicherweise nicht wie die Maus im Labyrinth, verläuft sich und verbringt lange Zeit damit, verlorene Wege wiederzufinden. Nicht zuletzt trägt hier der Aufbau der Welt dazu bei, in welchem jeder Raum individuell gestaltet ist und von hohem Wiedererkennungswert zeugt.
Dem Vergleich zu Metroid weiter folgend findet auch Timmy auf seinen Reisen diverse Erweiterungen für seinen treusten und einzigen Freund, dem Anzug. Einige lassen euch höher hüpfen, durch die Lüfte gleiten oder unter Wasser atmen. Auch der bereits angesprochene Verstärker für eure Waffe lässt sich im Laufe eures Abenteuers ergattern. Zudem findet ihr eine Reihe unterschiedlicher Schlüssel, welche euch Zugang zu neuen Bereichen gewähren und nicht zuletzt zu den sechs Endgegnern des Spiels führen.
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Diese Gegner sind nicht selten bildschirmfüllend und schreien geradezu heraus, dass ihr nun eine neue Herausforderung vor euch habt, die es zu meistern gilt. Jeder dieser Gegner hat meist mehrere, augenscheinlich unüberwindbare Angriffe und das Fehlen einer Energieleiste lässt einen Kampf anfänglich aussichtslos und einschüchternd erscheinen. Doch hat ein jeder Gegner gleichermaßen auch seine fest definierte Schwäche und mit Durchhaltevermögen wird klar, dass der Spieler hier durch Können und nicht purem Zufall punkten und siegen kann. Auch vom visuellen Standpunkt gibt es hier nichts zu meckern. Die großen Obermotze sind detailliert und schön animiert. Dies gilt natürlich für die Verhältnisse der kleinen, grauen Konsole, was aber durchaus positiv ist, denn auch hier kommt typischer NES-Flair auf.

Doch wo der Autor hier nun grafisch wahrlich genügend Lobeshymnen ausgesprochen hat, sollte auch über die Behandlung der Ohren nicht geschwiegen werden. Wie schon erwähnt sind die Abschnitte der gefährlichen Festung thematisch unterteilt. Musikalisch zieht Battle Kid hier mit und wartet für einen jeden großen neuen Abschnitt mit einem neuen Musikstück auf. Diese bestehen erwartungsgemäß aus typischer 8Bit-Kost. Wo man sich über Musikgeschmack jedoch sicherlich streiten kann, ist hier aber sehr wohl gegeben, dass die Musiktitel sehr passend sind und der Spielatmosphäre durchaus zugute kommen.
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Auch hat man sich bei der Ausarbeitung der Soundeffekte Mühe gegeben. Vom Abfeuern von Timmys Waffe, bis hin zum markieren eines neuen Continue-Punktes wurde alles mit typischen 8Bit-Klängen unterlegt, welche ebenso in das Spiel passen, wie die Musikuntermalung an sich.

Schlussendlich ist Battle Kid: Fortress of Peril ein wirklich schönes und forderndes Spiel. Technik und Design sind solide und lassen kaum Wünsche offen. Lediglich das Gameplay und der Schwierigkeitsgrad mag Spieler vielleicht abschrecken. Und hier sei nochmals gesagt, dass sich der Titel ganz eindeutig an Plattform-Veteranen richtet, welche in Spielen wie Mega Man oder der japanischen Version von Super Mario Bros 2 (hierzulande: The Lost Levels) ihre Erfüllung finden. Der Titel bietet hier mehr als genügend Herausforderungen, welche für eine lange Spieldauer und - in Verbindung mit höheren Schwierigkeitsgraden - Wiederspielwert sorgen.
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Battle Kid: Fortress of Peril ist bei Retrozone (retrousb.com) für einen Preis von 30$ erhältlich.


Eine abschließende Anmerkungen, welche interessierten Spielern hoffentlich einige Fragen beantworten werden:

"Kann ich das Spiel auf meinem Gerät spielen? Ich habe nur ein [BELIEBIGE NORM]-Gerät!"
Battle Kid sollte auf jeder Konsole laufen, unabhängig von der Norm (PAL, NTSC). Das Modul verfügt über einen "Ciclone multi region lockout chip". Ihr schiebt das Modul also einfach ein und startet die Konsole. Blinkt die Power-LED nur, oder euer Fernseher zeigt ein graues Bild, so drückt RESET. Mit jedem Druck schaltet das Spiel auf eine andere Region um und spätestens beim achten Male, sollte der Spielbildschirm erscheinen. Dieser Vorgang ist nur einmal erforderlich: Das Modul merkt sich die Region-Einstellung.

"Gibt es auf PAL-Geräten einen langsameren Spielverlauf?"
Während des Tests des Spiels konnte ein Geschwindigkeitsunterschied zwischen den PAL- und NTSC-Geräten nicht festgestellt werden.

"Wie ist der Lieferumfang? Bekomme ich auch eine Pappverpackung?"
Das Spiel kommt leider nicht in einer Umverpackung. Ihr erhaltet das Modul (grün-transparent) mit Cover, einen schwarzen Schuber und ein englisches Handbuch.
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Christian meint:

Christian

Als Fan der klassischen Mega Man-Serie und 8Bit-Wunderwerken an sich, war der Kauf von Battle Kid: Fortress of Peril für mich bereits vor dem Release beschlossene Sache. Und bereut habe ich es nicht.
Sicherlich ist das Spiel sehr schwer und auch mich hat es das ein oder andere Mal zur Weißglut getrieben. Doch schafft es der Titel immer wieder aufs neue zu motivieren, die Zähne zusammen zu beissen und sich jeden Schritt vorwärts zu erkämpfen. Die Erfüllung, die man dann am nächsten Continue-Punkt oder nach dem Besiegen eines Bosses erhält, macht dann auch alles wieder wett.
Battle Kid: Fortress of Peril ist einfach ein Erlebnis und erfüllt die Erwartungen, die man 2010 an ein NES-Spiel haben kann. Ein durchaus solider Titel, der lediglich unbedarfte Spieler abschrecken könnte. Für alle anderen gilt Kaufempfehlung.

Positiv

  • Abwechslungsreiche, nicht lineare Spielwelt
  • Akkurate und reaktionsnahe Steuerung
  • Grafisch fast perfekt inszeniert

Negativ

  • Hoher Schwierigkeitsgrad kann zu Frust führen
  • Gegner leicht vorhersehbar
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Battle Kid: Fortress of Peril Daten
Genre -
Spieleranzahl 1
Regionalcode -
Auflösung / Hertz 50 / 60 Hz
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 22.02.2010
Vermarkter -
Wertung 8.4
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