Defiance: Ein Experiment im Test

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Was für ein Wort würde einem Videospieler die Zornesröte ins Gesicht treiben? Casual Gamer? Nein, der Begriff ist noch zu neu und würde auch nur diejenigen betreffen, die die aktuellen Konsolen spielen. Lizenzspiele? Ja, der Ausdruck löst bei einem Videospieler, egal, für welche Plattform er schwärmt, ungute Gefühle aus. Erinnerungen werden wach: An E.T., an Superman 64 oder an Battleship. Das gängige Klischee lautet, das sobald ein Spiel auf einem anderen Produkt basiert, es nur Mist sein kann. Ausnahmen, wie beispielsweise Batman: Arkham Asylum, bestätigten üblicherweise nur die Regel. Und wie sieht es bei Defiance aus? Ein weiteres, typisches Beispiel, oder ein gelungenes Experiment?

Defiance_11Die Zeiten, in denen man noch MMOs skeptisch beobachtete, sind längst vergangen. Nicht zuletzt dank World of Warcraft sind diese Online-Only-Spiele salonfähig geworden. Das entdeckten auch die Fernsehsender, so dass mit Defiance jetzt ein besonderer Titel erhältlich ist. Denn der Name steht für ein Konzept, dass es in dieser Form noch nie gab. Er steht nicht nur für ein MMO-Produkt, sondern ebenso für eine TV-Serie, die praktisch zeitgleich startete. Am 15. April strahlte der Kabelsender SyFy in den USA die Pilotfolge aus, die nur einen Tag später hier in Deutschland ebenfalls zu sehen war. Angeblich sollen sich Reihe und Spiel handlungstechnisch ergänzen.

Die Story spielt in der nahen Zukunft. 2013 kam es zum Erstkontakt. Eine außerirdische Gemeinschaft, die sich Votans nennt, ist mit ihren Raumschiffen zur Erde gereist, weil ihr Heimatsystem durch eine kosmische Katastrophe zerstört wurde. Und als sie losflogen, dachten sie, dass ihr Ziel unbewohnt sei. Obwohl es zu Spannungen zwischen beiden Seiten kam, war man nahe dran, sich trotzdem friedlich zu einigen. Ein Anschlag eines Alien-Hassers vernichtete diese Hoffnung und es kam zum sogenannten „Pale Wars“, der sieben Jahre lang dauerte und mit der mysteriösen Zerstörung der Archenflotte im Orbit endete. Millionen Votans starben im Schlaf und die Trümmer der Katastrophe regneten auf die Erde herab. Darunter auch Terraformingtechnologie, weshalb der Planet begann, sich stark zu verändern. Im Gebiet des heutigen St. Louis befindet sich zum Handlungszeitpunkt eine neue Stadt, genannt „Defiance“, in der Menschen und Votans friedlich miteinander leben.

Defiance_2Das Spiel beginnt vor den Ereignissen der Pilotfolge. Dein Charakter ist Mitglied einer Gruppe von Archenjägern, die im Auftrag des Industriellen Karl von Bachs in dem Gebiet der San Francisco-Bucht Jagd auf außerirdische Technologie macht. Leider wird das Raumschiff, in dem du dich befindest, abgeschossen, womit das Game für dich anfängt. Deine Hauptmission lautet also zuerst, deinen Chef zu finden, und aufzuklären, wer oder was hinter dem Abschuss steckt.

Du hast bei der Erstellung deines Charakters fast freie Wahl. Du kannst dich zwischen acht verschiedenen Körpertypen entscheiden, je vier sind menschlich und die anderen vier Irathient, eine der Votansspezies. Außerdem hast du die Option, ob du männlich oder weiblich sein möchtest. Der Rest, wie zum Beispiel Narben, Ursprung deiner Figur oder Tattoos liegt in deinem Ermessen. Des Weiteren ist es möglich auch eine Fähigkeit auswählen, die du im Laufe des Spiels verbessern kannst, wenn du entsprechend Erfahrung sammeltest. Der Avatar des Redakteurs hat beispielsweise die Gabe, sich zu tarnen.

Nach einer kleinen Einführung, in der man das Talentsystem und das EGO-Implantat, eine Art künstliche Intelligenz die dich begleitet, kennenlernte, kann man loslegen. Das gute ist, dass die San Francisco-Bucht umfangreich ist. Dementsprechend viele Aufgaben warten auf dich. Die erste Staffel, so der Name der Aufgabenübersicht im Menü, umfasst 140 Missionen, die sich jeweils in Unteraufgaben aufteilen.  Hinzu kommen unzählige Nebenmissionen und besondere Herausforderungen, wie beispielsweise die Archfalls. Dies sind Special-Events, in denen ein Trümmerstück aus den Archen auf die Erde fällt, und nicht nur viele Archenjäger, sondern ebenso viele Feinde, wie Hellbugs oder Mutanten anlockt. Wenn man überlebt, winken viele Belohnungen, wie zum Beispiel bessere Waffen oder Schilde.

Defiance_9Doch wie sieht es mit der Symbiose zwischen Game und Fernsehen aus? Was erwartet einen hierbei? Die Antwort lautet unzufrieden stellend, man weiß es noch nicht. Bislang sieht es so aus, dass man zu Beginn des Spiels zwei aus der TV-Serie bekannte Figuren zu Gesicht bekommt, und das war es dann auch lange Zeit mit Gastauftritten. Stattdessen kommt der Flimmerkisten-Reihe die Aufgabe zu, die Hintergrundgeschichte zu erklären. Wer wissen möchte, was genau passierte, wird nicht umhin kommen, einzuschalten und die neusten Abenteuer der Protagonisten Joshua Nolan und seiner Adoptivtocher Irisia Nyria zu gucken. Oder man macht sich im Internet schlau, wo bereits vor Beginn der Erstausstrahlung und des Erstverkaufstermins eine gut gefüllte Wiki zu finden war. Von der gibt es zwar auch eine deutsche Version, doch bietet die längst nicht so viel Inhalt, wie das Originalwiki, die ich hier verlinke).

Reicht dies jedoch aus, um den Wissenshunger des Spielers zu befriedigen? Und wird es weitere Gastauftritte geben? Zumindest die letzte Frage lässt sich eindeutig mit einem „Ja“ beantworten. Denn früher oder später wird der Weg nach Defiance führen, wo man viele bekannte Gesichter zu sehen bekommt. Was den Wissensdurst angeht, kommt es darauf an, worauf es einen ankommt. Wer wirklich alles verstehen möchte, der dürfte enttäuscht sein, da man den SyFy-Kanal hierzulande nicht im Free-TV empfangen kann. Wem es hingegen nur das Gameplay wichtig ist, der wird mit dem Gegebenen zufrieden sein.

Defiance_3Wobei das Spiel selbst nicht vollkommen überzeugt. Es hat seine Mankos, die doch ins Gewicht fallen. So ist zum einen der Schwierigkeitsgrad unausgewogen. Es gibt Missionen, die kann man problemlos solo bewältigen. Und anschließend stößt man auf Aufträge, bei denen sich eine Gruppe erfahrener Gamer die Zähne ausbeißen kann. Wenn mehrere Mutanten von allen Seiten auf einen einprügeln und man wiederholt „extrahiert“, also Wiederbeleben etwas außerhalb der Gefahrenzone, werden muss, kann dies den Frust steigern.

Was auch zum zweiten Manko führt: Der KI. Es gibt Augenblicke, in denen die gegnerische Intelligenz nicht brilliert. Sie ignoriert wiederholt alles, was in ihrem Rücken passiert und konzentriert sich auf ein einziges Ziel. Dies hat zur Folge, dass man sich problemlos in ihre Hinterseite begeben und dabei laut sein kann kann, denn der Gegner scheint taub zu sein. Was ihr also an Klasse fehlt, ersetzt sie durch Masse, was oft genug zu dem oben erwähnten Szenario führt.

Defiance_14Es ist schade, dass diese Fehler vorhanden sind. Denn grundsätzlich macht das Spiel durchaus Spaß, vor allem weil es problemlos ist, zu einer Gruppe zusammenzufinden. Man ist einfach gemeinsam mit anderen Spielern an einem Ort, und schon kann man als Gemeinschaft kämpfen. Freunde von PvP brauchen übrigens nicht enttäuscht zu sein. Es gibt spezielle Gegenden auf der Karte, wo auch das möglich ist.

Für sich allein genommen ist Defiance kein gelungenes Spiel. Wenn einem nach Online-Action ist, ist man beispielsweise mit Borderlands 2 besser aufgehoben. Was den Titel einzigartig macht, ist die Verknüpfung mit der TV-Reihe. Und hier muss man abwarten, wie sich dies weiterentwickelt.  Denn es bleiben Fragen offen. Was ist, wenn die Serie vorzeitig beendet wird? Oder umgekehrt, was ist, falls das Game floppt? Was geschieht dann mit dem jeweils anderen Format?




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