Ihr denkt, die Präsentation von Videospielmusik in symphonischer Form ist eine Erfindung, die im Zuge der „Symphonic“-Veranstaltungen von Games Convention und gamescom ins Leben trat? Dass Nubuo Uematsu mit seinen weltbekannten „Final Fantasy“-Kompositionen der erste war, der das Orchester als epochale Form der Darbietung entdeckte? Weit gefehlt, denn ihr habt die Rechnung ohne die verrückten Japaner gemacht. Die Ursprünge des symphonischen Arrangements japanischer Popkultur reichen bis in das Jahr 1977 zurück, damals noch als Umsetzung des Animes „Space Battleship Yamato“. Die erste videospielbezogene Symphonie kommt der 1986 erschienenen „Dragon Quest Suite“ unter Leitung von Koichi Sugiyama zu. Und so verwundert es auch nicht, dass die erfolgreichsten Serien von SNK in den 1990er Jahren mit einem eigenen symphonischen Arrangement bedacht wurden.
Der hier vorliegende Teil „Garou Densetsu Symphonic Sound Trax“ (den meisten wohl besser als „Fatal Fury“ bekannt) erschien 1995, zur Blütezeit der Serie. Als einziger ernsthafter Konkurrent zu Capcoms „Street Fighter“ konnte sich SNK damals im Fighting Game Genre behaupten - somit ist es umso erfreulicher, dass uns dieser „Fanservice“ letztlich zuteil geworden ist. Vereint auf einem Silberling finden sich Stücke aus „Fatal Fury Special“ und „Fatal Fury 3“ in komplett eigens arrangierter Form unter der Leitung von Fumio Yasuda. Für die Einspielung wurde ein eigenes Orchester zusammengestellt, dass auf den klangvollen Namen Shinsekai Orchestra hört. Ein Wortspiel mit dem Namen der erfolgreichen SNK-Konsole „Neo Geo“ (Shinsekai = Neue Welt = Neo Geo). Die Mitglieder jenes Orchesters wurden dann in die Slowakei verfrachtet, um dort die vorliegenden Lieder in der Slovaic Philharmonic Hall aufzunehmen (damit sich die Reise lohnte, wurde gleich noch der Symphonic Sound Trax zu Samurai Shodown eingespielt).
Eines vorweg: Wenn man sich den Soundtrack anhört, lässt sich auf den ersten Blick nur wenig Assoziation mit „Fatal Fury“ herstellen. Jedenfalls erging es mir so. Insofern haben wir es mit einem sehr eigenständigen Werk zu tun, dass viel Freiraum zur Interpretation bietet. Das mag für den einen oder anderen zunächst verwirrend klingen, aber die Vorstellung die vergleichsweise mickrigen 15 Kanäle des Neo Geos auf ein geschätzt 50 Mann und Frau starkes Orchester zu „übersetzen“ erklärt, warum dieser Freiraum auch notwendig ist. Gleichwohl findet sich doch die ein oder andere Stelle mit Aha-Effekt, spätestens wenn die Flöte das gefühlvoll tragende „Kurikinton“ der Terry Bogard Stage anstimmt (Track 2).
Der Stil der Symphonie bewegt sich zwischen schweren düsteren Stücken, wie beispielsweise der Fatal Fury 3 Titelmusik (Track 1) oder dem Kim Kaphwan Theme (Track 6), und helleren, sehr gefühlsbetonten Melodien, wie sie durch Tung Fu Rues „How has China survived 4000 years?“ (Track 7) repräsentiert werden. Letzteres ist so emotional, dass mir zum Ende des Stückes hin beinahe die Tränen in den Augen stehen. Weiterhin finden sich, orchestertypisch, starke, dynamische Wechsel und so wird aus einem überwiegend ruhigen Teil plötzlich ein bedrohliches Szenario, welches einem (bei ordentlicher Lautstärke) eine gehörige Gänsehaut verpasst. Dieser Effekt ist Fumio Yasuda meiner Meinung nach am besten im Arrangement der Jin Chonshu Stage gelungen ist (Track 11), welches wahrlich Final-Charakter aufweist. Zur Beruhigung der musikalischen Anspannung wird der Hörer mit dem seichten Abspann von Fatal Fury 3 entlohnt (Track 12).
Wenn man versuchen will, den Effekt des "Garou Densetsu Symphonic Sound Trax" in einem Satz zu beschreiben, trifft es der folgende vielleicht am besten: Man nehme die Fatal Fury Musik, spiele diese im Zeitlupentempo ab und verpasse dem ganzen eine gehörige Portion Emotion mittels ausgefeilter Melodien. Positiv hervorzuheben ist, dass solche „obskuren“ Soundtracks sensibel für andere Musikstile machen. Vielleicht seht ihr demnächst Beethoven und Co. in einem anderem Licht – mir ist es jedenfalls so ergangen.
Gesamtwertung: 81%