Die Open Source Gemeinschaft ist stark. Und auch wenn die Nachfrage dort eher gering ist, gibt es viele schöne Spiele. Diese sind das absolute Gegenteil zur heutigen, digitalen Gängelung und hier kann ich sogar direkten Einfluss auf den Quellcode nehmen. Natürlich muss ich dazu sagen, dass vor allem im Spiele-Sektor meist kleine Teams oder Einzelpersonen im Rahmen des Hobbys arbeiten. Dadurch kommen viele Produkte im Experimentalstadium an die Öffentlichkeit. Nicht zuletzt um der Community einen Vorgeschmack zu geben und um Feedback zu sammeln. Doch wurden in diesem Jahr einige vielversprechende Projekte released, die die es im Auge zu behalten gilt. Einige davon möchte ich euch heute vorstellen.
Minetest-c55
Ich gebe ganz offen und ehrlich zu, dass ich die Manie um Minecraft in diesem Jahr nicht nachvollziehen konnte. Ich kann verstehen, dass das Kind im Manne bzw. der Frau die Sandkasten-Idee und vielen fantasievollen Möglichkeiten durchaus ansprechend findet. Doch habe ich mich nie dazu überwinden können den, zugegebenermaßen fairen Preis dafür zu zahlen.
Wem es ebenso geht, der sollte sich Minetest-c55 anschauen. Sicher ist es nicht ganz so umfangreich wie Minecraft und befindet sich noch in einer relativ frühen Entwicklungsphase. Dennoch bietet es das gleiche Sandbox-Spielprinzip und ist für diejenigen, die eine Alternative zum Original suchen, bestimmt einen näheren Blick wert.
Auch als Gamer pflege ich meine sozialen Kontakte. Aber wer hier an Facebook denkt, liegt falsch. Gerne schleppe ich meine Bekannten in Billardkneipen, um dort ganze Abende an Pooltischen zu verbringen. Foobillard war immer schon ein perfektes Trainingsprogramm für mich. Optisch nett anzusehen steht bei diesem Titel doch eine akkurate Simulation im Vordergrund.
Leider stangierte die Entwicklung von Foobillard zusehends und die originale Webseite ist bereits länger nicht mehr erreichbar. 2011 endlich wurde mit Foobillard++ ein Fork (sprich: Abzweigung des Originalprodukts) veröffentlicht und setzt die Arbeit des Originals vorbildlich fort.
Ob ihr eine schnelle Runde in der Mittagspause einlegt, oder mit einem Turnier einen ganzen Abend füllen wollt, Foobillard++ ist dafür eine gute Wahl.
Vertigo
Vertigo ist ein sehr außergewöhnlicher Titel und sicherlich nicht massenkompatibel. Mit einer kugelförmigen Drohne rast bzw. rollt ihr durch einen langen, psychedelischen Tunnel. Dabei werdet ihr gleichermaßen mit unzähligen Feuer- und Eis-Drohnen bombardiert. Gegen diese besitzt ihr auch Schutzschilde, wobei jedoch nur eines zur Zeit aktivieren könnt - der Rest liegt an euren Reflexen.
Definitiv einen Blick Wert!
Ein weiteres außergewöhnliches Stück Software. Hier wird euch eine Struktur aus aneinandergereihten Vierecken präsentiert. Diese lassen sich an den jeweiligen Ecken „zusammenfalten“. Ziel ist es, die gesamte Struktur auf ein einzelnes Viereck zu reduzieren.
Wem das nun zu einfach oder gar merkwürdig abstrakt klingt, sollte dem Spiel definitiv eine Chance geben. Die Level - von denen es massig gibt - werden schnell ziemlich kniffelig und machen den Titel zu einem absoluten Suchtfaktor für jeden, der sich auf das minimalistische Spielprinzip einlässt.
Witzigerweise soll dem Programmierer die Spielidee im Traum eingefallen sein. Oft entschwinden solche genialen Ideen üblicherweise nur Sekunden nach dem Erwachen. Hier bin ich froh, dass dem offensichtlich nicht so war, denn Phlipple ist einer meiner Dauerbrenner 2011 gewesen.
Xonotic
Am 31. Mai 2005 erschien mit Nexuiz ein, auf einer stark modifizierten Quake-Engine basierter, quelloffener Multiplayer Ego Shooter. Ins Leben gerufen von Lee Vermeulen sammelte sich schnell ein motiviertes Team von Entwicklern und erhob den Titel zu einer umfangreichen und technisch soliden Software, welche hunderte von Spielern in seinen Bann zog.
Am 3. März 2010 ließ Vermeulen in der Community die Bombe platzen: Er ließ den Namen vom Entwicklerstudio Illfonic neu lizenzieren und auf Basis der Cryengine 3 sollte Nexuiz auf Konsolen und PC (via Steam) neu erscheinen. Die Webseite, die dem Originalprojekt Platz bot, wurde umgestaltet um das neue, kommerziell ausgerichtete Produkt zu bewerben.
Die Entwickler, welche bis zu diesem Zeitpunkt viel Fleiß und Freizeit in das Projekt investiert hatten und von dieser radikalen Änderung nicht informiert wurden, waren zurecht ein wenig verstimmt - um es milde auszudrücken. Sicher konnte man es Vermeulen nicht verdenken mit einer Idee auch kommerziell Erfolg haben zu wollen. Jedoch wusste die Community um die jahrelange Inaktivität Vermeulens und fand es verstörend, dass ihre Webseite und der Name ihres Projektes „gestohlen“ wurde. Doch war das Spiel selbst - die Engine, sowie der gesamte Spielinhalt - seit jeher durch die GPL geschützt. Dies zu ändern hätte eine Zustimmung aller Programmierer erfordert. So nahmen diese ihre Entwicklung, und zogen von Dannen.
Nach einem Preview im Dezember 2010 war es am 8. September 2011 endlich so weit: Unter dem Namen Xonotic erschien das erste Release des „Forks“ (sprich: Abzweigung des Originals) der nicht müde werdenden Gemeinschaft an Programmierern und treuen Fans. Auch wenn die Wiedergeburt des Titels mit der bescheidenen Versionsnummer 0.5 startet, handelt es sich bereits um ein technisch ausgereiftes Produkt, das von Jahren Entwicklungsarbeit profitiert.
Alle Spieler, welche den Multiplayer Modus der früheren Quake Serie genossen haben, sollten diesem Projekt einen eingehenden Blick gönnen. Xonotic bietet nicht nur massig Spielmodi und Maps, sondern auch eine engagierte und freundliche Community. Mit diesem Titel können Gelegenheitsspieler, sowie Profis gleichermaßen viel Spaß haben.
id-Software ist seit jeher dafür bekannt, der Open Source Gemeinschaft Tribut zu zollen. Viele Spiele portierte id direkt auf GNU/Linux Systeme und beinahe jede Engine gab man früher oder später als Open Source frei. Angefangen mit der ursprünglichen Doom-Engine über Quake 3, erhielt nun auch die Doom 3-Engine ihren Weg in die Öffentlichkeit.
Einfach war es jedoch nicht: Kurz vor dem Release wurde sich id-Software bewusst, dass die Routinen für die Schattenberechnung womöglich Lizenzen verletzen könnte. Nun sind Softwarelizenzen oft der ausschlaggebende (wenn auch nicht der alleinige) Punkt, der Entwickler davon abhält, ihre Arbeit der Öffentlichkeit preiszugeben. Doch schreckte John Carmack vor diesem Hindernis nicht zurück. Stattdessen verzog er sich in sein Büro und schrieb die fraglichen Funktionen und Subroutinen kurzerhand neu. Am 22. November 2011 erschien der Doom 3 Quellcode schließlich, mit leichter Verzögerung, unter der GPL Lizenz.
Obwohl der Spielinhalt natürlich nicht freigegeben wurde und der Quellcode an sich für Spieler erst einmal uninteressant scheint, ist diese Veröffentlichung für die Open Source Gemeinschaft von großer Bedeutung. Es ist zu erwarten, dass in den kommenden Monaten und Jahren viele Entwickler die Engine, oder Teile davon, für ihre eigenen Open Source-Werke nutzen können. Die Programmierung einer Engine ist neben der Schaffung des eigentlichen Spielinhaltes die größte Herausforderung und Programmierer haben jetzt die Möglichkeit auf einer soliden Basis aufzubauen. Ich freue mich auf die Dinge, die da kommen mögen. Danke, id-Software!