4. Akt und Ende – Die Protagonisten

4. Akt und Ende – Die Protagonisten

Stefan Eriksson


The-Gizmondo-Story-3Die wohl schillerndste Persönlichkeit der Gizmondo-Elite dürfte Stefan Eriksson gewesen sein. Der am 14.12.1961 in Uppsala, Schweden, geborene Eriksson startete seine kriminelle Karriere bereits in den frühen 80er Jahren, nachdem er für einige beherzte Griffe in die Kasse seines Arbeitgebers für drei Monate hinter Gitter wanderte. Dass dies nicht sein letzter Aufenthalt sein würde, sollte sich bald darauf herausstellen. Im Jahr 1988 wurde Eriksson nämlich zu drei Jahren Haft wegen Kokain- und Waffengeschäften verurteilt.

Zu Beginn der 90er Jahre, nach seinem Gefängnisaufenthalt, wurde Eriksson Mitglied der Uppsala Mafia, die ihr Geld überwiegend mit krummen Kreditgeschäften verdiente. Nachdem Eriksson und Peter Uf Anfang der 90er versuchten, die schwedische Zentralbank durch Betrug um 22 Millionen Kronen zu erleichtern, wurde Eriksson zu zehn Jahren Haft verurteilt, von denen er jedoch nur die Hälfte verbüßen musste. Interessante Details aus den Gerichtsakten besagen, dass Eriksson beim Geldeintreiben in das Haus seines „Klienten“ eingebrochen sei, den Mann zu Boden geschlagen, ihm ein Messer an den Hals gehalten und damit gedroht habe, ihm die Finger abzuschneiden. Anschließend soll er eine Pistole in dessen Mund gehalten haben.
 

The-Gizmondo-Story-13Was sich wie aus einem Gangsterfilm, aber weniger wie die Geschichte eines Geschäftsmannes anhört, war damit längst nicht beendet. Erikssons kriminelle Energie ließ sich auch durch einen erneuten Gefängnisaufenthalt nicht bremsen. So kam es aufgrund eines geschäftlichen „Missverständnisses“ später dazu, dass er auf Carl Freer traf – jener Mann also, der ihn später zu Gizmondo holen sollte. Nachdem Freer es versäumte, gestohlene Ferraris zu liefern, soll Eriksson ihm einen „geschäftlichen“ Besuch abgestattet haben, was dazu führte, dass die beiden Männer geschäftliche Gemeinsamkeiten erkannten. Dies ist allerdings nur Spekulation.

2004 heuerte Freer schließlich Eriksson als CEO bei Gizmondo an. Das Einstiegsgehalt von knapp 800.000 Dollar wurde bereits nach sechs Monaten verdoppelt. Für Eriksson interessanter waren jedoch die Spesen für Firmenwagen. Jeden Monat wurde ihm ein Fahrzeugbudget von knappen 10.000 Dollar zugestanden. Und so fanden sich binnen kürzester Zeit ein roter und ein schwarzer Enzo Ferrari sowie ein Mercedes SLR in Erikssons Garage. Da Eriksson ein Faible für schnelle Autos hat und Gizmondo nicht vor skurrilen Werbekampagnen zurückschreckt, steuerte er sogar persönlich einen Ferrari 360 Modena im Gizmondo-Look beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Nachdem er in den Jahren 2004 und 2005 als CEO von Gizmondo fürstliche Gehälter bezog und unzählige andere „Einnahmequellen“ nutzte, ließ sich Eriksson im Oktober 2005 von Gizmondo Europe auszahlen. Eine schwedische Zeitung hatte nämlich seine kriminelle Vergangenheit und die Machenschaften bei Gizmondo Europe aufgedeckt, weshalb er die schon nicht mehr zu rettende Firma auf dem schnellsten Wege verließ.

Nachdem sich Eriksson seit dem US-Launch des Gizmondo überwiegend dort aufgehalten hatte, passierte auf dem "Pacific Coast Highway" in Kalifornien sein wohl bekanntestes Meisterstück. Dort wickelte Eriksson – betrunken wie sich später herausstellte – seinen roten Enzo Ferrari um eine Laterne, nachdem er ein Rennen mit über 300km/h gegen einen Mercedes SLR fuhr. Der Wagen erlitt dabei einen Totalschaden, Eriksson kam jedoch mit einer blutigen Lippe davon. Was nicht nur Ferrari-Fans weltweit sauer aufstieß, verärgerte auch die Bank von Schottland. Denn der Enzo Ferrari gehörte nicht Eriksson, sondern jener Bank, die bis dato keinen Cent von Eriksson für das Auto gesehen hatte.

The-Gizmondo-Story-2Interessanterweise fand die vor Ort anwesende Polizei keinen Mercedes SLR vor, sondern nur Eriksson und seinen Bekannten Trevor Karney. Dieser behauptete, nur Beifahrer des Mercedes SLR gewesen zu sein. Eriksson selbst behauptete nicht der Fahrer des Enzo gewesen zu sein, sondern ein gewisser „Dietrich“, der nach dem Unfall Fahrerflucht beging und über die nahegelegenen Hügel entkam. In der Gizmondo-Szene zum geflügelten Wort geworden, dürfte dieser „Dietrich“ genauso wenig wie der angebliche Mercedes SLR existiert haben. Nebenbei erzählte der angetrunkene Eriksson den anwesenden Police Officers übrigens, er sei ein im Dienst befindlicher Geheimagent der Landessicherheit. Während der Debatte auf dem Highway hielt Karney ein vorbeifahrendes Auto an, um sich ein Handy für ein Telefonat zu borgen. Wie sich später herausstellte, deponierte er dabei während des Telefonats im Auto des Unbeteiligten ein Pistolenmagazin unter dem Sitz.


The-Gizmondo-Story-14_190xIm März 2006 wurde Erikssons Verlobte dann mit einem Mercedes SLR angehalten und kontrolliert. Es ergab sich, dass der Wagen in England registriert und dort als gestohlen gemeldet worden war, nachdem die fälligen Leasingraten von Eriksson nicht mehr bezahlt und das Fahrzeug nicht zurückgegeben wurde.

Am 3. November 2006 wurde Eriksson von einem Gericht zu drei Jahren Haft wegen zweifacher Unterschlagung und illegalem Waffenbesitz verurteilt. Er wurde am 21. Januar 2008 entlassen und nach Schweden abgeschoben. Dort ging er weiteren kriminellen Machenschaften nach und wurde wegen gewalttätigen Übergriffen und Erpressung erneut angeklagt.


 
 
Carl Freer

The-Gizmondo-Story-1Weniger in den Medien, aber nicht minder interessant, ist die Geschichte von Carl Freer. Geboren am 09. Mai 1970, Gründer von Gizmondo Europe und auch dessen Direktor bis Oktober 2005. Auch Carl Freer kam bereits früh in den Konflikt mit dem Gesetz. Mit gerade einmal 18 Jahren wurde er das erste Mal verurteilt, weil er die Unterschriften seiner Eltern auf Lohnschecks fälschte. Carl Freer soll auf Eriksson Ende der 80er Jahre getroffen sein, als er (Freer) in Schweden diverse Nachtclubs managte und ihm Autoschieberei nachgesagt wurde. Soweit eine mögliche Theorie. Bis 2005 wurde Freer mehrerer Verbrechen beschuldigt, die ihm bislang aber nie nachgewiesen werden konnten.


Für unsere Geschichte vornehmlich interessant ist aber, wie Freer Tiger Telematics gründete und daraus schließlich Gizmondo Europe entstand. Ende der 90er Jahre führte Freer in Schweden eine Firma, die GPS-Geräte vertrieb, die „Eagle Eye Scandinavian“. Nach einiger Überzeugungsarbeit überredete Freer die Eigentümer der US-Firma „Floor Decor“ dazu, mit „Eagle Eye Scandinavian“ zu fusionieren und das Geschäftsgebiet radikal umzustellen. Wie er das schaffte, ist unbekannt. Da Floor Decor bereits mit eigenen Aktien handelte, hatte Freer nun die Möglichkeit, sich durch Emitierung von weiteren Aktien Kapital auf dem US-Finanzmarkt zu beschaffen. Die Firma wurde in Tiger Telematics umbenannt, welche später als Muttergesellschaft von Gizmondo Europe diente.

2002 wollte Tiger Telematics ein GPS-Gerät entwickeln, das es erlaubte, den Aufenthaltsort von Kindern zu ermitteln und Eltern so Möglichkeiten zur Überwachung geben sollte. Da dieses Gerät verständlicherweise schwer „ans Kind“ zu bringen wäre, kam schnell die Idee auf, das Gerät als tragbare Spielkonsole zu vermarkten. Der „Gametrac“, später „Gizmondo“, war geboren. Freer gründete in England die „Gametrac Europe“, (auch hier später Gizmondo Europe), setzte sich selbst als Geschäftsführer ein und begann, Investoren für den Gizmondo zu gewinnen.

The-Gizmondo-Story-9Da Carl Freer außerordentliches Talent nachgesagt wird, Leute von seinen Ideen zu überzeugen und sie mit seiner Persönlichkeit für sich zu gewinnen, waren erstaunlich viele Investoren bereit, sich an Gizmondo zu beteiligen. Nachdem er seinen alten Bekannten Stefan Eriksson ebenfalls in den Dienst seiner Firma gestellt hatte, konnten beide gemeinsam ihren Hobbys (Schmuck und Luxusautos) frönen. Freer bezog im Jahre 2004 knappe 2,2 Mio. Dollar, obwohl Gizmondo Europe noch nicht einmal Einnahmen zu verzeichnen hatte. Freers Frau wurde ebenfalls in die Dienste von Gizmondo gestellt und bezog für „Beratungs- und sonstige Dienstleistungen“ 174.000 Dollar plus Dienstwagen. In der englischen Management-Szene wurde Freer als erfolgreicher Unternehmer gefeiert und auch 2005 zum Launch des Gizmondos in Großbritannien stand sein Schicksal zunächst unter einem guten Stern.

Als sich kurz vor dem US-Launch des Geräts im Oktober 2005 die Gerüchte über dunkle Machenschaften verdichteten und eine schwedische Zeitung eine kritische Reportage über die Vergangenheit der Gizmondo-Führungsebene veröffentlichte, trat diese geschlossen zurück. Die Aktie von Gizmondo begann sogleich ihre Talfahrt und wurde im November 2005 mit nur noch 7 Dollar notiert, bis Gizmondo schließlich im Januar 2006 Insolvenz anmelden musste.

Im April 2006 stand Freer schließlich ebenfalls vor Gericht. Nicht aber wegen seines desaströsen Managements. Vielmehr beschuldigte man ihn, sich als Polizist ausgegeben zu haben, um eine 44er Magnum kaufen zu können. In seiner Villa und in seiner Yacht wurden später bei Durchsuchungen insgesamt 16 Waffen – 14 Gewehre und 2 Handwaffen – aufgefunden. Da der Sachverhalt nicht eindeutig war und Freer erfolgreich behauptete, der Versuch des Waffenkaufs sei nur ein Missverständnis gewesen (was nicht widerlegt werden konnte) ließ man ihn daraufhin wieder frei.

Im Anschluss betätigte sich der geschäftige Freer schon bei seinem nächsten Projekt – „Xero Mobile“, das zum Teil schon wieder mit ehemaligen Gizmondo-Mitarbeitern besetzt wurde. Xero Mobiles Geschäftsbetrieb ähnelt sehr dem von Gizmondo, denn Xero Mobile arbeitet zufälligerweise an einem System für Werbebotschaften auf GPS Geräten und Handys – ähnlich Freers damaligen Lieblingskind, dem Smart Adds System beim Gizmondo. Bei Xero ist Freer zwar nicht als Direktor, wohl aber als Teilhaber beteiligt.

2008 versuchte Carl Freer sein Gizmondo-Baby wiederzubeleben und kündigte an, man werde Investoren für einen Relaunch suchen. Wir führten im Jahre 2008 ein exklusives Interview mit Carl Freer zum geplanten Gizmondo-Relaunch in dem viel versprochen wurde. Leider wurde der Relaunch nicht umgesetzt. Das Interview findet ihr hier.

Heute (2011) arbeitet Freer weiterhin im Bereich Augmented Reality als Geschäftsführer von GetFugu und Media Power, wurde 2009 wegen angeblicher Korruption verklagt und anschließend ein Jahr später von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen.

Johan Enader


The-Gizmondo-Story-12Johan Enader, genannt „Der Torpedo“, war ein ehemaliger Kollege und Geldeintreiber von Eriksson bei der Uppsala Mafia. Nach Erikssons Aufstieg zum Gizmondo CEO wurde Enader als "Security Chief" bei Gizmondo eingestellt.

Steve Caroll

Ebenfalls Gizmondo-Direktor. Wenig Details sind bekannt, lediglich dass er seiner Freundin Tamela Sainsbury über 300.000 Dollar plus Boni für „Beratungstätigkeiten“ bezahlen ließ.

Peter Uf

Auch ein ehemaliger Kollege von Eriksson aus Uppsal-Tagen. War ebenfalls mehrmals wegen Betruges vorbestaft und saß über fünf Jahre im Gefängnis. Er wurde natürlich auch als Gizmondo-Manager eingestellt und nahm im Rahmen des Skandalberichts im Oktober 2005 seinen Hut.

Die größte Frage bleibt aber weiterhin im Raum stehen: Wo ist das ganze Geld von Gizmondo hin? Ermittlungen ergaben Unmengen von verworrenen Geschäftsbeziehungen und Zahlungen an Personen, die nie existierten, sodass die Ermittlungen im Falle Gizmondos noch Jahre andauern könnten bzw. nie ganz geklärt werden dürften.

Den Videospielfans bleibt zumindest die wohl kurioseste und spannendste Geschichte einer Firma, die je die Branche erschüttert hat. Schon allein aus diesem Grund wird der Gizmondo wohl ewig in den Gedächtnissen der Branche und der Fans bleiben, verbunden mit der Erkenntnis, dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt ...

Die folgende Grafik bringt einen – wenn auch etwas satirischen – Überblick in die dubiosen Verstrickungen der Protagonisten mit Gizmondo und seltsamen Zahlungen:

 

gizmondo_flow_chart


Einige der verwendeten Quellen:

http://business.timesonline.co.uk/
http://www.thisismoney.co.uk/
http://www.latimes.com/
http://www.gamespot.com
http://www.wired.com
http://www.pockett.net

Follow us
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen