4. Akt und Ende – Die Protagonisten
Stefan Eriksson
Zu Beginn der 90er Jahre, nach seinem Gefängnisaufenthalt, wurde Eriksson Mitglied der Uppsala Mafia, die ihr Geld überwiegend mit krummen Kreditgeschäften verdiente. Nachdem Eriksson und Peter Uf Anfang der 90er versuchten, die schwedische Zentralbank durch Betrug um 22 Millionen Kronen zu erleichtern, wurde Eriksson zu zehn Jahren Haft verurteilt, von denen er jedoch nur die Hälfte verbüßen musste. Interessante Details aus den Gerichtsakten besagen, dass Eriksson beim Geldeintreiben in das Haus seines „Klienten“ eingebrochen sei, den Mann zu Boden geschlagen, ihm ein Messer an den Hals gehalten und damit gedroht habe, ihm die Finger abzuschneiden. Anschließend soll er eine Pistole in dessen Mund gehalten haben.
2004 heuerte Freer schließlich Eriksson als CEO bei Gizmondo an. Das Einstiegsgehalt von knapp 800.000 Dollar wurde bereits nach sechs Monaten verdoppelt. Für Eriksson interessanter waren jedoch die Spesen für Firmenwagen. Jeden Monat wurde ihm ein Fahrzeugbudget von knappen 10.000 Dollar zugestanden. Und so fanden sich binnen kürzester Zeit ein roter und ein schwarzer Enzo Ferrari sowie ein Mercedes SLR in Erikssons Garage. Da Eriksson ein Faible für schnelle Autos hat und Gizmondo nicht vor skurrilen Werbekampagnen zurückschreckt, steuerte er sogar persönlich einen Ferrari 360 Modena im Gizmondo-Look beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Nachdem er in den Jahren 2004 und 2005 als CEO von Gizmondo fürstliche Gehälter bezog und unzählige andere „Einnahmequellen“ nutzte, ließ sich Eriksson im Oktober 2005 von Gizmondo Europe auszahlen. Eine schwedische Zeitung hatte nämlich seine kriminelle Vergangenheit und die Machenschaften bei Gizmondo Europe aufgedeckt, weshalb er die schon nicht mehr zu rettende Firma auf dem schnellsten Wege verließ.
Nachdem sich Eriksson seit dem US-Launch des Gizmondo überwiegend dort aufgehalten hatte, passierte auf dem "Pacific Coast Highway" in Kalifornien sein wohl bekanntestes Meisterstück. Dort wickelte Eriksson – betrunken wie sich später herausstellte – seinen roten Enzo Ferrari um eine Laterne, nachdem er ein Rennen mit über 300km/h gegen einen Mercedes SLR fuhr. Der Wagen erlitt dabei einen Totalschaden, Eriksson kam jedoch mit einer blutigen Lippe davon. Was nicht nur Ferrari-Fans weltweit sauer aufstieß, verärgerte auch die Bank von Schottland. Denn der Enzo Ferrari gehörte nicht Eriksson, sondern jener Bank, die bis dato keinen Cent von Eriksson für das Auto gesehen hatte.
Am 3. November 2006 wurde Eriksson von einem Gericht zu drei Jahren Haft wegen zweifacher Unterschlagung und illegalem Waffenbesitz verurteilt. Er wurde am 21. Januar 2008 entlassen und nach Schweden abgeschoben. Dort ging er weiteren kriminellen Machenschaften nach und wurde wegen gewalttätigen Übergriffen und Erpressung erneut angeklagt.

Für unsere Geschichte vornehmlich interessant ist aber, wie Freer Tiger Telematics gründete und daraus schließlich Gizmondo Europe entstand. Ende der 90er Jahre führte Freer in Schweden eine Firma, die GPS-Geräte vertrieb, die „Eagle Eye Scandinavian“. Nach einiger Überzeugungsarbeit überredete Freer die Eigentümer der US-Firma „Floor Decor“ dazu, mit „Eagle Eye Scandinavian“ zu fusionieren und das Geschäftsgebiet radikal umzustellen. Wie er das schaffte, ist unbekannt. Da Floor Decor bereits mit eigenen Aktien handelte, hatte Freer nun die Möglichkeit, sich durch Emitierung von weiteren Aktien Kapital auf dem US-Finanzmarkt zu beschaffen. Die Firma wurde in Tiger Telematics umbenannt, welche später als Muttergesellschaft von Gizmondo Europe diente.
2002 wollte Tiger Telematics ein GPS-Gerät entwickeln, das es erlaubte, den Aufenthaltsort von Kindern zu ermitteln und Eltern so Möglichkeiten zur Überwachung geben sollte. Da dieses Gerät verständlicherweise schwer „ans Kind“ zu bringen wäre, kam schnell die Idee auf, das Gerät als tragbare Spielkonsole zu vermarkten. Der „Gametrac“, später „Gizmondo“, war geboren. Freer gründete in England die „Gametrac Europe“, (auch hier später Gizmondo Europe), setzte sich selbst als Geschäftsführer ein und begann, Investoren für den Gizmondo zu gewinnen.
Als sich kurz vor dem US-Launch des Geräts im Oktober 2005 die Gerüchte über dunkle Machenschaften verdichteten und eine schwedische Zeitung eine kritische Reportage über die Vergangenheit der Gizmondo-Führungsebene veröffentlichte, trat diese geschlossen zurück. Die Aktie von Gizmondo begann sogleich ihre Talfahrt und wurde im November 2005 mit nur noch 7 Dollar notiert, bis Gizmondo schließlich im Januar 2006 Insolvenz anmelden musste.
Im April 2006 stand Freer schließlich ebenfalls vor Gericht. Nicht aber wegen seines desaströsen Managements. Vielmehr beschuldigte man ihn, sich als Polizist ausgegeben zu haben, um eine 44er Magnum kaufen zu können. In seiner Villa und in seiner Yacht wurden später bei Durchsuchungen insgesamt 16 Waffen – 14 Gewehre und 2 Handwaffen – aufgefunden. Da der Sachverhalt nicht eindeutig war und Freer erfolgreich behauptete, der Versuch des Waffenkaufs sei nur ein Missverständnis gewesen (was nicht widerlegt werden konnte) ließ man ihn daraufhin wieder frei.
Im Anschluss betätigte sich der geschäftige Freer schon bei seinem nächsten Projekt – „Xero Mobile“, das zum Teil schon wieder mit ehemaligen Gizmondo-Mitarbeitern besetzt wurde. Xero Mobiles Geschäftsbetrieb ähnelt sehr dem von Gizmondo, denn Xero Mobile arbeitet zufälligerweise an einem System für Werbebotschaften auf GPS Geräten und Handys – ähnlich Freers damaligen Lieblingskind, dem Smart Adds System beim Gizmondo. Bei Xero ist Freer zwar nicht als Direktor, wohl aber als Teilhaber beteiligt.
2008 versuchte Carl Freer sein Gizmondo-Baby wiederzubeleben und kündigte an, man werde Investoren für einen Relaunch suchen. Wir führten im Jahre 2008 ein exklusives Interview mit Carl Freer zum geplanten Gizmondo-Relaunch in dem viel versprochen wurde. Leider wurde der Relaunch nicht umgesetzt. Das Interview findet ihr hier.
Heute (2011) arbeitet Freer weiterhin im Bereich Augmented Reality als Geschäftsführer von GetFugu und Media Power, wurde 2009 wegen angeblicher Korruption verklagt und anschließend ein Jahr später von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen.
Johan Enader
Steve Caroll
Ebenfalls Gizmondo-Direktor. Wenig Details sind bekannt, lediglich dass er seiner Freundin Tamela Sainsbury über 300.000 Dollar plus Boni für „Beratungstätigkeiten“ bezahlen ließ.
Peter Uf
Auch ein ehemaliger Kollege von Eriksson aus Uppsal-Tagen. War ebenfalls mehrmals wegen Betruges vorbestaft und saß über fünf Jahre im Gefängnis. Er wurde natürlich auch als Gizmondo-Manager eingestellt und nahm im Rahmen des Skandalberichts im Oktober 2005 seinen Hut.
Die größte Frage bleibt aber weiterhin im Raum stehen: Wo ist das ganze Geld von Gizmondo hin? Ermittlungen ergaben Unmengen von verworrenen Geschäftsbeziehungen und Zahlungen an Personen, die nie existierten, sodass die Ermittlungen im Falle Gizmondos noch Jahre andauern könnten bzw. nie ganz geklärt werden dürften.
Den Videospielfans bleibt zumindest die wohl kurioseste und spannendste Geschichte einer Firma, die je die Branche erschüttert hat. Schon allein aus diesem Grund wird der Gizmondo wohl ewig in den Gedächtnissen der Branche und der Fans bleiben, verbunden mit der Erkenntnis, dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt ...
Die folgende Grafik bringt einen – wenn auch etwas satirischen – Überblick in die dubiosen Verstrickungen der Protagonisten mit Gizmondo und seltsamen Zahlungen:
Einige der verwendeten Quellen:
http://business.timesonline.co.uk/
http://www.thisismoney.co.uk/
http://www.latimes.com/
http://www.gamespot.com
http://www.wired.com
http://www.pockett.net