Mit den Lizenzspielen ist es so eine Sache. In aller Regel geht ein Großteil des Budgets für die Franchise drauf – ein anständiges Spiel kann der geneigte Fan insofern nur äußerst selten erwarten. Dennoch konnten sich Potter-Sympathisanten nie wirklich beklagen: Die Videospiele rund um die populäre Fantasy-Romanreihe waren bislang alles andere als schlecht. Titel wie Harry Potter und der Orden des Phoenix oder LEGO Harry Potter: Die Jahre 1–4 fesseln sogar richtig ans Joypad.
Bei Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1 ging der Schuss beim Designkonzept jedoch immens nach hinten los: Dass ein Potter-Spiel als reinrassiger Third-Person-Shooter im Stil von Gears of War nicht funktionieren kann, sollte eigentlich bekannt sein. An dieser Stelle ein kurzer Auszug aus der Pressemitteilung, die einen sehr guten Ersteindruck über das Spielkonzept wiedergibt, denn viel mehr außer Ballern, Ballern und nochmals Ballern gibt es in Harry Potter und die Heiligtümer des Todes Teil 1 nicht.
..'Immer wieder musst du in epischen Kampf-Sequenzen Todesser und Greifer besiegen. Mit dem Zauberstab als einzige Waffe musst du gegen die unnachgiebigen Angriffe von allen Seiten deine wirkungsvollsten Zauberkräfte einsetzen. Es gibt keinen Unterricht und kein Training mehr - dieses Mal ist die Gefahr real. Es ist an der Zeit, dass du um dein Leben kämpfst.'
Gleich die Eröffnungssequenz in Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 sorgt für gnadenlose Langeweile anstatt für gepflegte Hochspannung und Unterhaltung. Hoch in den Lüften - im Seitenwagen von Hagrids Motorrad - gilt es Unmengen von Todessern unschädlich zu machen. Via Druck auf die rechte Schultertaste löst ihr eine Salve 'Stupor' aus – dies ist zugleich euer 'Standardschuss' und steht unbegrenzt zur Verfügung. Bereits hier macht sich die unterirdische Qualität in den Ballersequenzen bemerkbar, die sich um etliche Gegnerwellen in stets gleichen Abschnitten wiederholt. In Kombination mit der fürchterlichen, weil ungenauen und hakeligen Steuerung, ist das Frust pur!
Zu Fuß wird der Eindruck, dass es sich bei dem aktuellen Lizenzprodukt um einen Billigshooter der Marke 'X' oder 'Y' handelt, weiter verstärkt: Sucht ihr Gears of War-typisch Deckung hinter Barrikaden, ärgert ihr euch über die unnütze Deckung, weil Gegner lässig durch Objekte hindurch ballern, als würde sie es nicht geben. Auch das Blindfeuer ist ein Witz, denn Harry verlässt dabei mutig die Deckung und gibt sich als lebendige Zielscheibe. Rollenspiel-typisch steigt eure Spielfigur im Laufe des Spiels auf – warum oder wodurch ist unklar. Ergo schaltet ihr weitere Zaubersprüche wie einen Bewegungsunfähigkeits- oder etwa einen Telekinesezauber frei, die allesamt recht anschaulich, jedoch total unnütz sind. Theoretisch könnt ihr euch mit 'Stupor' lässig durch das recht simple Spiel ballern. In brenzligen Situationen setzt ihr anstatt Hand- oder Rauchgranaten diverse Tränke oder einen Schutzschildzauber via 'LB'-Taste ein. Auf statische Bildschirmanzeigen würde im Übrigen komplett verzichtet.
Wisst ihr einmal nicht wo es langgeht, genügt ein Druck auf die 'B'-Taste. Damit wird der 'Vier-Punkte-Zauber' ausgelöst. Dieser fungiert als Wegweiser und zeigt diverse Missionsziele an. Anstatt der Energieleiste wurde ein schützender Energieschild integriert, der sich Call of Duty-typisch von selbst regeneriert, sobald ihr euch außer Beschuss befindet. Aufgrund der oben erwähnten Mängel bei der Deckungssuche und durch den ohnehin einfachen Schwierigkeitsgrad, verbessert dies die Spieldynamik jedoch nicht im Geringsten. Wie grenzdebil die Gegner-KI in Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 wirklich ist, wird spätestens bei der Verwendung des Verwirrungszaubers deutlich. So folgen euch verhexte Widersacher auf Schritt auf Tritt wie ein süßes Schoßhündchen, anstatt dass sie Gleichgesinnte angreifen! Lässt die Wirkung des Zaubers nach, nehmen sie euch stattdessen in die Mangel - Hut ab, liebe Entwickler.
Neben den stümperhaften Shootereinlagen stößt ihr in unregelmäßigen Abschnitten auf diverse Stealth Missionen, die in aller Regel in Gebäuden oder in einem größeren Straßenkomplex stattfinden und in einer ungünstigen Ego-Perspektive gespielt werden müssen. Diese gestalten sich wie der Rest des Spiel als total öde und belanglos, zumal Harry in einem Zauberumhang steckt, der ihn (für eine begrenzte Zeit lang) durchsichtig macht. Ein Beispiel gefällig? Ihr bekommt den Auftrag Person 'A' zu verfolgen und unschädlich zu machen. Habt ihr das erledigt müsst ihr Ron und Hermine informieren. Ist dies wiederum getan, wiederholt sich das Spielchen von neuem..
Ohnehin ist das Leveldesign in EA´s aktuellem Lizenzspielchen durchweg misslungen: Schlauchlevels, Backtracking, recycelte Levelelemente, schlechte Skripts und fehlende Umgebungs-basierte Rätselaufgaben sprechen für sich. Bedauerlicherweise haben die Entwickler auch beim Storytelling auf ganzer Linie versagt: Wenn inmitten der Hauptgeschichte urplötzlich drei Missionen mit Zielen wie 'Rette die Muggelstämmigen' oder 'Entkomme aus der Höhle/Mine' absolviert werden müssen, die mit dem Film absolut nichts gemeinsam haben, ist das äußerst merkwürdig. Gar eine Frechheit ist die Schleichmission 'Arrestzellen des Ministeriums'. Hier bedarf es mehrere gut bewachte Gefangene zu retten. Jedoch verliert ihr bei Feindkontakt bzw Kollision euren Unsichtbarkeitsmantel. Endlose und wild in dem Level umher spawnende Wachen, die plötzlich aus dem Nichts auftauchen, und mit der Intelligenz einer Stubenfliege gewappnet sind, zeigen eindrucksvoll die Unfähigkeit der EA Bright Light-Studios.
Abschließend noch ein Wort zur Technik: Speziell das Charakterdesign und die Animationen sind hier positiv hervorzuheben. Zusammen mit der orchestralen Filmmusik und den offiziellen deutschen Synchronsprechern ist das noch das Beste am gesamten Spiel. Den Herausforderungs-Modus mitsamt seinen 15 Missionen könnt ihr euch schenken, sofern ihr keine Gamerscore/Trophy-Junkies seid..
Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 ist aktuell neben Medal of Honor nun die bereits zweite große Enttäuschung aus dem Hause Electronic Arts. Das Spiel wird dem großen Kinoabenteuer in keiner Weise gerecht und ist in der vorliegenden Qualität keinen müden Cent wert! Bis auf die ansehnliche Optik und die ordentliche Geräuschekulisse stimmt hier wirklich gar nichts. Ob die Kinect-Unterstützung Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 besser macht, verrät euch mein Kollege Stefan.