Metal Gear Solid 4 - Guns of the Patriots im Test

PlayStation3
Nur wenige Videospiele dürfen sich zum absoluten Olymp digitaler Unterhaltung zählen, nur wenigen Meilensteinen ist es vergönnt in einem Atemzug mit "Pong" oder "Super Mario" genannt zu werden. Hideo Kojimas Metal Gear-Saga gehört zweifellos dazu. Selten wurde ein interaktiver Film mit innovativem Gameplay zu einer solch vollendeten Ästhetik verwoben. Die besonderes Stilelemente, Schleich-Eskapaden, gehaltvolle Storylines - schon in den frühen MSX-Urahnen fanden sich die Zutaten, die spätere PlayStation-Nachfolger zu Weltruhm führen sollten. Findet Konamis Mär um Solid Snake in Metal Gear Solid 4 - Guns of the Patriots nun ihren monumentalen Abschluss? Wir sind erneut in die Haut des legendären Söldners geschlüpft...

Waren die zweidimensionalen 'Metal Gear'-Feldversuche noch japanischen bzw. angelsächsischen Zockern vorbehalten, so erreichte Metal Gear Solid anno 1998 erstmals ein weltweites Publikum. Kojima begründete mit "Tactical Espionage Action" ein komplett neues Genre. Diffuses Schleichen und Verstecken führte Agent Solid Snake zum Erfolg, wer in alter Rambo-Manier die Wände mit Bleikugeln tapezieren wollte, durfte bald virtuelle Radieschen von unten bewundern. Gepaart wurde das neuartige Spielgefühl mit einer imposanten Rahmenhandlung, die in ausladenden Zwischensequenzen fortgesponnen wurde. Reale Elemente trafen hier auf Anime-Steampunk und psychedelische Charaktere, durchdrungen von einer tiefgründigen Metaphorik.


'MGS' avancierte zum System-Seller und machte Kojima zu einer Ikone der gesamten Branche. Mit Metal Gear Solid 2: Sons of Liberty und Metal Gear Solid 3: Substance (+ diverser Handheld-Spinoffs) wurde das 'MGS'-Gameplay weiter verfeinert, gleichzeitig wurde die intrigante Storyline immer komplexer.

Die Mär um Solid Snake, Patriots, Selbstbestimmung und Freiheit soll in Metal Gear Solid 4 - Guns of the Patriots ihr wohlverdientes Ende finden. 2014 - rund sieben Jahre nach 'Sons of Liberty' - werden alle Handlungsstränge zusammengeführt, alle Fragen, die die Vorgänger aufgeworfen haben, beantwortet. Gleichzeitig setzt 'Guns of the Patriots' elementare Kenntnis der vorangegangenen Geschehnisse voraus. Ein Blick in unseren Metal Gear Solid Story Guide sei wärmstens empfohlen. Natürlich erfordert derartiger Story-Bombast ebenso langwierige Zwischensequenzen - bis zu zwei Stunden am Stück sind keine Seltenheit. Insgesamt werdet ihr ein rundes Drittel der Spielzeit mit dem passiven Betrachten von XXL-Storyszenen verbringen. Wer damit ein Problem hat, sollte um Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots besser einen Bogen machen.

Allerdings wird nicht nur die Länge sondern auch die qualitative Dimension abendfüllender Kinofilme erreicht. Schnitt, Akteure, Emotionen und Dramaturgie der 'Kojima Productions'-Filmchen brauchen sich vor keiner Hollywood-Größe verstecken. Neben der Handlung werden auch die Themes früherer Metal Gears wieder aufgegriffen wie Genetik, Memetik und orwellsche Kontrolle, gleichzeitig setzt Guns of the Patriots aber auch neue Akzente. Vor allem die Kriegswirtschaft wird mehrmals behandelt, das Geschäft mit dem Tod. Ein 'Killerspiel' mit Antikriegs-Thematik - ein scheinbarer Widerspruch und typisch für Hideo Kojima.

Das Spielprinzip baut auf den Gameplay-Neuerungen von Snake Eater auf. Meist müsst ihr einen bestimmten Punkt erreichen und durchquert hierfür weitläufige aber lineare Areale. Wie Snake das Ziel erreicht, bleibt meist freigestellt: Er kann seinem Namen alle Ehre machen und sich unbemerkt durch die feindlichen Stellungen schlängeln, oder chirurgisch unliebsame Söldner entfernen. Erstere Variante ist natürlich wesentlich stil- und anspruchsvoller. Musste sich Naked Snake in den undurchdringlichen Dschungeln Südrusslands noch Farbe ins Gesicht schmieren und öfter die Klamotten wechseln als jedes Desperate Housewive, so erledigt das im 21. Jahrhundert Solids ‚Octo-Cam‘-Anzug. Einfach kurz auf den Boden legen, schon übernimmt das Hightech-Textil Farbe und Textur der Umgebung, ganz wie ein Chamäleon. Eine Prozentanzeige gibt wie schon bei Part Drei den Grad der Tarnung an. Wer es klassischer mag, der kann natürlich auch wie in guten alten Zeiten im Faltkarton umherschleichen, oder gegnerische Soldateska mit herumliegenden Porno-Heftchen ablenken. Besonders zaghafte Naturen schicken den „mk.II“ Roboter vor, der sich wie eine Drohne durch die verzweigte Level-Architektur steuern lässt.
Weiteres unabdingbares Gadget ist ‚Solid Eye‘, das wie eine Augenklappe in feinster ‚Fluch der Karibik-Manier‘ daherkommt. Neben rudimentärer Funktionen wie Nachtsicht etc. werden akustische Signale auf einem Radar angezeigt, und so Feindumgebungen in näherer Umgebung offenbart. Als weiteres Schmankerl präsentiert Solid Eye über den Köpfen der Soldaten deren Bewaffnung und Lebensenergie. Insgesamt wirkt Snakes aktuelle Haute Couture jedoch etwas ‚basic‘ im Vergleich zum Stealth-Anzug und Soliton-Radar früherer (virtueller) Jahre. Dem Gameplay kommt es jedenfalls zugute, dass nicht mehr sämtliche Widersacher feinsäuberlich inklusive Blickkegel auf einer Karte verzeichnet sind. Will der Spieler den Gegnern ausweichen, so ist er gezwungen die Umgebung zu studieren, sich die Laufpfade der Kontrahenten genau einzuprägen.


Die Betonung liegt auf „will“ denn Metal Gear Solid 4 entpuppt sich als Eldorado für Zocker mit nervösem Zeigefinger. Statt schüchtern von Schatten zu Schatten zu hechten, ist es oftmals bequemer sämtliche Feinde ins virtuelle Nirwana zu ballern. Dank dem grundlegend überarbeiteten Zielsystem fällt es nun spielend leicht, kurz in die Ich-Perspektive zu schalten um ein paar gezielte Headshots zu verteilen und unbelästigt weiter durch die Pampa zu stapfen. Auf Wunsch lässt sich sogar das komplette Spiel, ganz Ego-Shooter like, aus der Ich-Perspektive bezwingen. Leider treibt es Konami bei der Bereitstellung diverser Mordutensilien etwas. Überall findet ihr hinter zerschossenem Mauerwerk neue Ballermänner. Dagegen wäre zunächst nichts einzuwenden, würden sich die unzähligen Gewehr-Typen nicht zu sehr ähneln: Oft findet ihr mehrere Varianten, die sich nur in der Größe des Magazins unterscheiden, ansonsten aber dieselbe Reichweite und Durchschlagskraft besitzen oder umgekehrt. So ist euer Inventar schon bald mit zig Peace Keepern zugemüllt, die ihr im gesamten Spiel nie benutzen werdet und die lediglich die Übersicht erschweren. Zudem lassen sich bei Waffenhändler Drebin jederzeit weitere Modelle erstehen, ebenso wie (günstige!) Munition für alle vorhandenen Knarren. So wird die Antikriegs-Metaphorik ebenso wie die optionalen Schleich-Eskapaden ad absurdum geführt, es mangelt an der nötigen Spielbalance.

Wer sich zu einem fordernden, prickelnden Stealth-Gameplay „zwingen“ lassen möchte, dem sei wärmstens der Hard-Mode empfohlen, wo Wohnzimmer-Rambos recht schnell die Radieschen von unten bewundern. Auf den Schlachtfeldern des 21.Jahrhunderts hat Snake auch stets die Möglichkeit sich mit einer kämpfenden Partei zu verbünden. Wer gezielt Freiheitskämpfer aus misslichen Lagen befreit, die Dächer von gegnerischen Scharfschützen säubert oder sonstwie zugunsten der einen Seite in das Scharmützel eingreift, weiß bald eine komplette Armee an seiner Seite, die Snake gekonnt unterstützt. Neben Flankenschutz bedanken sich die Guerillas auch mit diversen Items. Notorische Einzelgänger können natürlichsämtliche Kombattanten ignorieren, um unvermittelt eigene Interessen zu verfolgen oder sich kurzerhand beide Fraktionen zum Feind machen – Das Spiel wird dann entsprechend schwerer. Abgerundet werden die Shootouts von epischen Bossfights und vereinzelten spielerischen Lockerungsübungen. So will mal die MG eines Fluchtfahrzeugs bedient, mal undercover verdächtige Individuen nachspioniert werden.

Wer sich durch den kolossalen Einzelspieler-Modus geschossen hat, darf sich über zünftige Multiplayer-Sessions freuen. Bis zu 24 Spieler treten im PlayStation Network gegeneinander an, ‚Metal Gear Online‘ orientiert sich grob am Äquivalent aus Metal Gear Solid: Portable Ops. Geboten werden obligatorische Shooter-Spielmodi, die dem Genre-Standard entsprechen ohne mit wirklichen Neuerungen zu punkten. Immerhin ist das Map-Design professionell und ausgefeilt. Man darf gespannt abwarten wie künftige Erweiterungen hier für weitere spielerische Würze sorgen.


Die Präsentation von Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots genügt hingegen höchsten Ansprüchen. Über die virtuosen Zwischensequenzen wurde bereits berichtet, doch auch die übrige Spielgrafik spielt ganz vorne in der PS3 Pole Position. Zwar finden sich vereinzelt verwaschene Texturen in den Szenarien, das allgemeine Look & Feel ist aber fantastisch. Jeder Akt setzt sich optisch gekonnt von den übrigen Abschnitten ab und beeindruckt mit zahllosen liebevollen Details. Im nahen Osten fahren Truppentransporter durch die umkämpfte Siedlung, Wüstensand breitet sich in den Straßen aus und Explosionen vernebeln kurzzeitig die Sicht, während aus weiter Ferne fliegende Einheiten das Areal überwachen. Dazu gesellen sich flüssige Animationen der Protagonisten, gepaart mit lebensechter Gesichtsmimik. Leider macht sich vereinzeltes Kantenflimmern bemerkbar.

Soundtechnisch hat Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots gar das Zeug zur neuen Referenz: Die gewohnt professionelle englische Synchronisation entspricht dem hohen Niveau früherer Metal Gear Solids, neu ist aber der glasklare 5.1-Sound. Ständig rattert MG-Feuer aus allen Richtungen, in der Ferne nimmt man vereinzelt Explosionen wahr. Soldaten lassen sich anhand ihrer Stimmen und Schritte korrekt akustisch orten etc. Selten bot eine Kriegssimulation ein derart beklemmendes 'Mittendrin'-Feeling. Abgerundet wird die fantastische Geräuschkulisse von den Hollywood-Kompositionen der U.S.-Größe Harry Gregson-Williams.

Kai meint:

Kai

Kurz und Knapp: MGS4 ist ein Dankeschön und Rundum-Sorglos-Paket für treue Metal Gear-Fans. Sämtliche brennenden Fragen, die die Vorgänger aufgeworfen haben, werden beantwortet und ergeben einen krönenden und befriedigenden Abschluss der MGS-Storyline. Gleichzeitig werden keinerlei Anstalten gemacht, Neulinge in die komplexen Handlungsstränge einzuführen. Auch wer spielerisch wenig mit den Vorgängern anfangen konnte, wird von Metal Gear Solid 4 nicht missioniert werden. Dafür sind die Neuerungen zu zaghaft, die (merklich) entschlackte Steuerung immer noch zu hakelig und überfrachtet. Aber vergessen wir nicht - trotz romantischer Verklärung im Nachhinein -auch die früheren Abenteuer Solid Snakes waren nicht perfekt. Objektiv ist MGS4 zweifellos das beste Metal Gear-Spiel, das je veröffentlicht wurde. Das Gameplay ist ungemein spaßig und abwechslungsreich, die Zwischensequenzen großes Popcorn-Kino... Metal Gear Solid 4: Guns of the Patriots ist das würdige Finale einer zwanzigjährigen Legende und Pflichtprogramm für Kojima-Fans. Die PlayStation 3 hat ihren Kaufgrund.

Positiv

  • Kolossale Zwischensequenzen...
  • Abwechslungsreiches Gameplay
  • Geniale Akustik

Negativ

  • ... deren Länge nicht jedermanns Sache ist.
  • Mangelnde Spielbalance
Userwertung
8.9 5 Stimmen
Wertung abgeben:
senden
Forum
  • von Dragon:

    Klingt ok.

  • von CD-i:

    43%

  • von Dragon:

    Wieviel Spiel gibt es? Oder ist es nur wieder 90% Film?

Insgesamt 1604 Beiträge, diskutiere mit
Follow us
Metal Gear Solid 4 - Guns of the Patriots Daten
Genre Action
Spieleranzahl 1 - 24
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 12. Juni 2008
Vermarkter Konami
Wertung 9.2
Anzeigen
neXGam YouTube Channel
Anzeigen