London 2012 im Test

PlayStation3Xbox 360

Olympia-Simulationen haben eine lange Tradition. Bereits in den 80er Jahren waren Spiele mit simplen Namen wie Summer oder Winter Games dafür verantwortlich, dass übereifrige Zockerhände tausende C-64-Joysticks ins Jenseits beförderten. Später wurden die interaktiven Sportspektakel dann etwas hardwarefreundlicher, deutlich aufwändiger und immer umfangreicher. Mit offizieller Lizenz ausgestattet erlauben die aktuelleren Vertreter des Genres virtuelle Reisen an den Austragungsort ohne viel Geld für den Flieger oder ein Hotel hinblättern zu müssen. Relativ neu ist, dass völlig unterschiedliche Games für verschiedene Konsolen veröffentlicht werden. Während Besitzer von Nintendo-Hardware mit Mario, Sonic und anderen bunten Gestalten an der Olympiade in London teilnehmen dürfen, bekommen die Fans der restlichen Systeme ein deutlich seriöseres Produkt. Wir haben London 2012 ins Laufwerk einer Xbox 360 geworfen, Weltrekorde gebrochen und furchtbare Niederlagen in Online-Duellen eingesteckt.

London_2012_1Natürlich ist es immer interessant zu erfahren, wie viele Events es in ein Spiel dieser Art geschafft haben. Im Fall von London 2012 lässt sich das nicht ganz so einfach sagen. Auf dem Cover werden zwar 45 angepriesen, aber nach mehrmaligem Zählen kommen wir „nur“ auf 31. In Marketing-Kreisen wird anscheinend anders gezählt und das Bogenschießen der Frauen ist nicht die gleiche Sportart wie das Bogenschießen der Männer. Trotz dieser Trickserei gibt es eine Menge zu entdecken. Natürlich ähneln sich einige der Wettkämpfe sehr stark. Ob nun 100 Meter oder 200 Meter gelaufen werden, macht in Sachen Gameplay keinen Unterschied. Insgesamt wird aber genug Abwechslung geboten, um das Aufkommen von Langeweile für lange Zeit zu unterbinden. Manchmal kommt es auf das richtige Timing an, mal wird die exakte Bedienung der Analogsticks gefordert und nicht selten muss auch eine gute Taktik entwickelt werden. Vorbei sind die Zeiten, in denen Olympia-Games lediglich dazu aufforderten, so schnell wie möglich auf den Controller einzuprügeln. Jede der Sportgruppen bietet einige Besonderheiten und das macht den besonderen Reiz dieses Spiels aus. Wenn sich eine Gruppe von Gleichgesinnten vor dem heimischen Fernseher um Edelmetalle streitet, hat jeder die Chance, individuelle Begabungen einzusetzen und zumindest in einer Disziplin zum Spezialisten zu werden.

 

London_2012_10Nicht jede Form der Körperertüchtigung macht Spaß. Das trifft auch auf die virtuelle Welt zu. Kein einziges der kurzen Spielchen ist ein völliger Rohrkrepierer, aber qualitative Unterschiede sind definitiv vorhanden. Trampolinspringen erweist sich als recht belanglose Knopfdrück-Orgie und auch das Gewichtheben ist alles andere als anspruchsvoll. Entschädigt werden wir mit vielen gelungenen Leichtathletik- und Schwimm-Herausforderungen. Wirklich kompliziert wird die Bedienung nie und dank leicht verständlicher Tutorials ist das offizielle Spiel der Spiele äußerst einsteigerfreundlich.

 

Es war eine sehr gute Entscheidung der Macher, auch einigen Randsportarten eine Chance zu geben. Gerade die etwas ungewöhnlicheren Disziplinen haben spielerisch besonders viel zu bieten. Das Schnellschießen entpuppt sich beispielsweise als extrem spannende Angelegenheit. Wenn innerhalb von vier Sekunden fünf Zielscheiben getroffen werden müssen, werden sowohl die Nerven als auch die Feinmotorik auf eine harte Probe gestellt. Auch das Kayak-Fahren, das zu Beginn fast unspielbar wirkt, entwickelt nach einiger Zeit echtes Suchtpotential.

 

London_2012_2In einer erstaunlich langen Kampagne dürfen sich Solisten austoben und die Sportler ihres Landes auf die vielen Siegertreppchen führen. Zum einmaligen Durchzocken eignet sich dieser Modus bestens, aber natürlich ist London 2012 in erster Linie ein Multiplayer-Game. Wer ein paar Freunde um sich und die Konsole versammelt, kann sich darauf verlassen, dass viele spaßige Stunden folgen werden. Es ist nicht nur der Kampf gegeneinander, der den Sportmix so motivierend macht. Wenn persönliche Bestleistungen oder gar Weltrekorde gebrochen werden und das Limit immer weiter ausgereizt wird, schlägt das Herz etwas schneller. Bis zu acht Wunschdisziplinen können mit bis zu vier menschlichen Kontrahenten bestritten werden. Das dauert zwar eine ganze Weile, aber ehrlich gesagt wäre es schön gewesen, wenn auch das Komplettprogramm für Multiplayer-Runden verfügbar wäre. Eine dreistündige Mammut-Session hätte durchaus ihren Reiz. Wer es lieber kooperativ mag, kommt ebenfalls auf seine Kosten. Im Herausforderungsmodus müssen alle Mitstreiter gute Leistungen bringen, um neue Levels freizuschalten.

 

London_2012_3Auch über Xbox Live darf freundschaftlich gekämpft werden. Doch obwohl online sogar ein komplettes Teilnehmerfeld mit acht Personen an den Start gehen darf, kann dieser Modus nicht mit dem lokalen Mehrspielervergnügen mithalten. Die Diskussionen über die beste Taktik, die Getränke-Pausen und die dummen Gesichter der Kumpels, wenn beim letzten Versuch ein neuer Weltrekord im Weitsprung aufgestellt wird, machen dieses Game einfach zu einem genialen Offline-Erlebnis. Die ewige Länderwertung motiviert dennoch dazu ab und zu anzutreten, um Gold für Deutschland zu holen, besonders weil die Briten gerade weit vorne liegen. Warum bei diesem Wettbewerb das hierzulande vorbelastete Wort „Nationalstolz“ über den Bildschirm flimmert, muss sich wohl mindestens ein unvorsichtiger Übersetzer fragen lassen...

 

London_2012_4London 2012 vollführt die Kunststücke, die von einem modernen Xbox 360-Spiel erwartet werden. Es lässt sich auf Wunsch in 3D spielen, was grundsätzlich ganz nett ist aber in der Praxis oft an einer mangelhaften Anzahl verfügbarer Brillen scheitert. Da die gewählten Kameraperspektiven aber in den wenigsten Fällen geeignet sind, um den Effekt wirklich voll zu nutzen, tut es dem Spaß keinen Abbruch, wenn nicht genügend Hardware vorhanden ist. Auch Kinect wird unterstützt, weil das heutzutage anscheinend so sein muss. Allerdings ist die Bewegungssteuerung kein wichtiger Bestandteil des Games, sondern eher ein kleiner Bonus. Wenn ein paar Casual-Gamer zu Besuch sind, kann es sich lohnen den Sensor anzuschließen. Leider geht viel von der guten Wettkampf-Atmosphäre verloren, wenn klar wird, dass nur ein Drittel der Kinect-Herausforderungen gelungen ist. Beim Rest werden entweder viel zu simple Manöver gefordert oder die Olympiade verkommt aufgrund der schlechten Bewegungserkennung zum reinen Glücksspiel.

 

London_2012_5Grafisch ist London 2012 ein grundsolides Produkt. Manche der Kulissen wirken zwar ein wenig steril, aber der Wiedererkennungswert ist hoch, wenn die Austragungsorte besucht werden, die aus den Fernsehübertragungen bekannt sind. Was die Sportler an Individualität vermissen lassen, machen sie durch gelungene Animationen wieder wett. Nur sehr selten, wie beispielsweise beim Turmspringen, wirken einzelne Bewegungsabläufe etwas hölzern. Zu den optischen Highlights zählt neben dem Publikum vor allem der Wildwasser-Parcours auf dem die Kajaks unterwegs sind. Das ganze Spiel hat einen sehr realitätsnahen Look, aber die H2O-Effekte sind tatsächlich eine Klasse für sich.

 

Die englischsprachigen Kommentatoren klingen nicht nur „very british“, sondern schaffen es auch, Emotionen wie Spannung, Enttäuschung oder Begeisterung über ihre Stimmen zu transportieren. Glücklicherweise wurde genug Zeit investiert und es sind nicht immer die gleichen Sprüche zu hören, wie in den Sportspielen vergangener Tage. Da auch die virtuellen Zuschauer die Heldentaten und Misserfolge der Athleten mit den passenden Reaktionen begleiten, ist die Atmosphäre ausgezeichnet. Musik ist eher selten zu hören, was aber durchaus passend wirkt und dank der soliden Soundeffekte nicht negativ auffällt.

 

London_2012_7Ein wenig Kritik muss kurz vor Schluss doch noch sein. Es wird höchste Zeit, dass Olympia-Umsetzungen so authentisch werden wie die aktuellen FIFA-Teile oder die Games zu den großen amerikanischen Manschaftssportarten. Es wäre genial, wenn bei London 2012 einige der echten Stars auflaufen würden. Doch statt Usain Bolt und Michael Phelps treten nur Fantasie-Charaktere an, die mit Namen versehen wurden, die anscheinend besonders typisch für ihre jeweiligen Herkunftsländer klingen sollen. Sicherlich wäre es nicht billig die entsprechenden Lizenzen an Land zu ziehen, aber es würde sowohl dem Spielspaß als auch der Popularität der Sportler gut tun.




Tim meint:

Tim

Gut gemacht SEGA! London 2012 ist abwechslungsreich, bietet jede Menge Disziplinen und bringt endlich wieder die Wettkampf-Atmosphäre ins Wohnzimmer, nach der sich die Fans seit Athlete Kings (bzw. Decathlete) gesehnt haben. Ihr habt zwar aus Versehen ein paar missglückte Kinect-Experimente auf den Datenträger gepackt, aber dass ist nicht wirklich schlimm. Da sich alle Disziplinen sehr gut mit regulären Controllern spielen lassen, fällt es leicht, euch diesen Schnitzer zu vergeben. Natürlich sind unter den Herausforderungen auch ein paar Spaßbremsen, aber insgesamt liegt die Qualität deutlich über dem Durchschnitt. Der Einzelspieler-Modus ist motivierend und die Xbox Live Duelle sind spannend. Den meisten Spaß bringt London 2012 aber, wenn es auf die traditionelle Art und Weise mit tatsächlich anwesenden Freunden gezockt wird. Also, stellt Getränke kalt, kauft eine Tüte Chips, ladet ein paar Kumpels ein und macht euch bereits für den Kampf um die Medaillen. Für Genre-Fans ist die aktuelle Olympia-Simulation ein Pflichtkauf und selbst Menschen, die normalerweise nichts mit solchen Produkten anfangen können, sollten zumindest einen Blick riskieren.

Positiv

  • Abwechslungsreiche und durchdachte Steuerung
  • Großer Multiplayer-Spaßfaktor
  • Technisch gelungen

Negativ

  • Mäßige Kinect-Herausforderungen
  • Keine "echten" Sportstars
Userwertung
8.76667 3 Stimmen
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Forum
  • von Wan-Fu:

    Track &Field 2 auf dem nes ist das beste,stundenlang mit meinem Vetter gespielt. ...

  • von mickschen:

    Ignorama schrieb: Wie gesagt, die Games sind eh nur QTEs und die kann man kaum verkacken. Beste wo gibt is eh Track and Field 1 Track & Field war auf Dreamcast auch nice... Aber naja, hätte mehr wie "QTE´s" kann man...

  • von Ignorama:

    Wie gesagt, die Games sind eh nur QTEs und die kann man kaum verkacken. Beste wo gibt is eh Track and Field 1 ...

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London 2012 Daten
Genre Sportspiel
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 2012-06-29
Vermarkter SEGA
Wertung 7.9
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neXGam YouTube Channel
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