Kinect Adventures! im Test

Xbox 360
Mit knapp 150 Euro ist die neue Kinect-Hardware für Microsofts Xbox alles andere als günstig. Das weiß der Konsolenhersteller offensichtlich auch selbst und hat der neuen Überkamera mit Bewegungssensor ein komplettes Spiel beigelegt, damit Konsolenfans den Kauf vor sich selbst und ihrem sozialen Umfeld wenigstens teilweise rechtfertigen können. Wir haben das kostspielige “Gratis-Game“ Kinect Adventures für euch unter die Lupe genommen. Ob genug geboten wird, um bewegungsfreudige Zocker in Verzückung zu versetzen, erfahrt ihr in unserem Testbericht.
Obwohl es sich bei Kinect Adventures im Grunde um eine Sammlung von Mini-Spielen handelt, die auf den ersten Blick keinen logischen Zusammenhang haben, wurde versucht, eine Story um das Geschehen auf dem Bildschirm zu stricken. Es ist schon fast niedlich, mit welcher simplen Idee die Macher krampfhaft versuchen, Wildwasserfahrten, Ballspiele und Ausflüge in die Schwerelosigkeit miteinander zu verbinden. Als neuestes Mitglied eines internationalen Clubs von Abenteurern muss der Zocker überall nach Herausforderungen suchen und sie bestehen, um sich die Anerkennung der Veteranen zu verdienen. Für abgeschlossene Missionen gibt es Abzeichen oder anderen funktionslosen Schnickschnack. Irgendwie erinnert der Verein verdächtig an die Pfadfinder, doch statt alten Frauen über die Straße zu helfen oder sich anderweitig sozial zu engagieren, widmen sich die Abenteurer ausschließlich der Selbstbespaßung. Glücklicherweise wird der Xbox-Besitzer nach dem Intro nur noch selten von der skurrilen Geschichte, die auch von Kindern im Vorschulalter stammen könnte, belästigt.

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Wer sich für Kinect interessiert, dürfte inzwischen mitbekommen haben, dass die Bewegungen der Personen vor dem Fernseher nicht immer ohne merkliche Verzögerung in das Spielgeschehen übertragen werden. Offensichtlich hat das Geschick der Programmierer einen erheblichen Einfluss darauf, wie stark sich die Latenz (hoffentlich gehört das Wort nicht schon bald zum Standard-Wortschatz der gesamten Kinect-Gemeinde) bemerkbar macht. Auch die Schnelligkeit und Komplexität der geforderten Bewegungen, die natürlich auch vom Genre eines Games abhängig sind, können entscheidend sein. Genau darum ist Kinect Adventures ein so interessantes Produkt, denn die fünf Missionstypen, die hier geboten werden, lassen erste Vermutungen darüber zu, welche Arten von Games gut geeignet sind, um Besitzer des neuen Konsolenzubehörs in den kommenden Monaten den hohen Anschaffungspreis zu versüßen.

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Bevor es losgehen kann, muss in der realen Welt ausreichend Platz geschaffen werden. Schnell zeigt sich, dass die 1,8 Meter, die in der Anleitung von Kinect als minimaler Abstand zwischen Mensch und Maschine angegeben sind, nicht wirklich genug sind, damit die Kamera den kompletten Körper erfassen kann. Gut spielbar wird Kinect Adventures erst, wenn mindestens 2,5 Meter zur Verfügung stehen und das Optimum ist bei etwa 3 Metern erreicht. Die seitlichen Platzanforderungen sind ähnlich hoch. Ist ein Raum aber endlich von störenden Möbeln befreit, funktioniert die neuartige Ganzkörpersteuerung erstaunlich gut.

Beim Rallye-Ball handelt es sich um eine recht simple Squash-Variante. Ein Ball wird durch einen Aufschlag in Richtung verschiedener beweglicher Objekte befördert. Das Ziel jeder Runde ist es, möglichst schnell alle Zielscheiben, die oft hinter Kisten versteckt sind, abzuräumen. Sobald ein Volltreffer gelandet wurde, erscheinen ein paar Bonus-Bälle. Jetzt wird es stressig, denn um möglichst viele der runden Sportgeräte über einen längeren Zeitraum im Spiel zu halten, ist voller Körpereinsatz gefragt. Seltsamerweise ist dieses erste Mini-Game, mit dem der frisch gebackene Kinect-Besitzer konfrontiert wird, auch das, welches die Schwächen des Bewegungssensors am deutlichsten aufzeigt. Dass Schläge und Tritte mit unterschiedlicher Stärke ins Spiel übersetzt werden und dass es mit etwas Übung möglich ist, die Bälle in eine bestimmte Richtung zu lenken, ist zunächst ein Grund zur Freude. Leider stellt sich wenig später heraus, dass in bestimmten Situationen extrem schnelle Bewegungen gefordert werden und genau dann macht sich die bereits angesprochene Latenz unangenehm bemerkbar. Trotz dieses Mankos sind alle Levels bezwingbar. Die eigentliche Spaßbremse ist die Erkenntnis, dass 150 Euro für ein Gerät über die Ladentheke gereicht wurden, das eben nicht so perfekt ist, wie es die große Werbekampagne verspricht.

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Deutlich besser passt die Körpersteuerung zur Spielvariante namens Flusssause, was sicherlich auch daran liegt, dass es hier ein wenig ruhiger zugeht. Mit einem knallroten Gummiboot (Kennt noch jemand den Neue Deutsche Welle Hit?) dürfen Wildwasserpisten unsicher gemacht werden. Das Durchfahren von Toren und das Einsammeln von Objekten werden mit Punkten belohnt. Mit einem simplen Schritt zur Seite wird auch das Boot in die jeweilige Richtung bewegt und Sprünge vor der Kamera befördern das Wasservehikel in die Höhe. Es macht durchaus Spaß, sich auf den verschiedenen Strecken körperlich zu verausgaben. Dass eine gute Kenntnis der Umgebung nötig ist, um beeindruckende Highscores aufzustellen, kann zu Beginn etwas frustrierend sein, doch für echte Punktejäger ist gerade diese Tatsache Grund genug, die Rennen mehrfach in Angriff zu nehmen.

Welches Mini-Game bekommt den Preis für den merkwürdigsten Namen des Jahres 2010? Richtig, Reflex-Bergkamm! Hier steht der Xbox-Avatar auf einer Plattform, die auf Schienen durch einen Hindernisparcours rast. Obwohl es optisch anders präsentiert wird, steuert sich dieses Spielchen fast genau so wie die Flusssause. Der einzige nennenswerte Unterschied ist, dass sich der Mensch vor der Kamera manchmal in die Hocke begeben muss, um Objekten auf Kopfhöhe auszuweichen.

Beim Raumknall befindet sich die Spielfigur in einem kleinen Raum ohne Schwerkraft. Ein Studium der Anleitung ist nicht nötig, um herauszufinden was zu tun ist. Durch eine Flatterbewegung vor der Kinect-Hardware erhebt sich das Alter-Ego in die Luft und sobald die Arme eng an den Körper gelegt werden, sinkt es langsam zu Boden. Auch seitliche Schritte oder das Annähern an die Kamera werden registriert. Wieder einmal müssen in möglichst kurzer Zeit viele Objekte gesammelt werden, um eine gute Bewertung vom Abenteurer-Club zu erhalten.

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Das Quintett der Herausforderungen wird durch 20.000 Lecks komplettiert. Wer in einem Glaskäfig im Meer überleben will, muss sich gegen angriffslustige Wasserbewohner verteidigen. Immer wieder rammen Fische und andere Lebewesen das Behältnis und schlagen Löcher in die dünne Hülle, die vor dem nassen Grab schützt. Da hilft nur noch eine Taktik: Abdichten mit allen Körperteilen die zur Verfügung stehen. Spätestens wenn ein Hai attackiert und vier Risse gleichzeitig verursacht, werden vom Zocker ein paar durchaus anspruchsvolle Verrenkungen gefordert.

Auch das eingebaute Mikrofon kommt zum Einsatz. Natürlich wäre es schön, wenn wenigstens eins der enthaltenen Spiele oder die Menüs eine Steuerung mit der Stimme erlauben würden, doch der Ansatz ist etwas simpler. Für wirklich gute Leistungen werden dem Zocker Denkmale gesetzt, das selbst animiert werden können und dank einer kurzen Tonaufzeichnung ist es möglich, der Nachwelt oder der Xbox Live Gemeinde ein paar Worte zu hinterlassen. Diese so genannten lebenden Statuen sind sicherlich kein Grund um in Euphorie zu verfallen, aber ein Lacher ist fast unvermeidbar, wenn ein Cartoon-Hamster mit verzerrter Helium-Stimme eine Rede voller Selbstlob und Beleidigungen hält.

Um über einen langen Zeitraum begeistern zu können, fehlt Kinect Adventures einfach die Spieltiefe. Besonders Raumknall und 20.000 Lecks verlieren fast augenblicklich ihren Reiz, sobald alle Bewegungsmöglichkeiten getestet wurden. Aber auch die restlichen Mini-Games sind nicht interessant genug, um auf Dauer zu gefallen. Microsoft will die Casual Gamer und Familien, deren Herzen Nintendo bereits vor Jahren erobert hat, endlich vor die Xbox locken. Das macht sich auch beim Schwierigkeitsgrad bemerkbar. Wer nicht völlig ungelenkig ist, sollte alle Herausforderungen des Solo-Abenteuers problemlos an einem Nachmittag meistern können. Obwohl die Rennen, Ballspiele und sonstigen Geschicklichkeitsprüfungen im Laufe der Zeit etwas kniffliger werden, erreichen sie niemals ein Niveau, das Kinder überfordern könnte. Die ständigen Wiederholungen immer gleicher Situationen tragen ebenfalls dazu bei, dass anspruchsvolle Zocker schon bald wieder ein anderes Game ins Laufwerk packen werden. Da helfen auch ein paar freispielbare Extras wenig. Selbst die Highscorejagd in einzelnen Mini-Games wird nach dem Beenden des Abenteuermodus nur noch wenige Menschen dazu bringen, den Standard-Controller wegzulegen und sich körperlich zu betätigen.

Ein wenig mehr Langzeitmotivation versprechen die Multiplayer-Modi. Wenn genug Platz vorhanden ist, kann jederzeit ein zweites menschliches Wesen vor die Kamera treten und mitmischen. Obwohl sich der Spaß nicht wirklich verdoppelt, wird Kinect Adventures mit dieser Methode etwas unterhaltsamer. Besonders die Flusssause eignet sich bestens für Duos, denn sobald zwei Personen an Bord sind, werden Absprachen extrem wichtig, um das Boot auf Kurs zu halten. Auch über Xbox Live lassen sich alle Herausforderungen kooperativ oder wahlweise gegeneinander bestreiten. Die Fotos, die Kinect in regelmäßigen Abständen schießt, dürfen nach einer gemeinsam bestrittenen Partie ausgetauscht werden, was eigentlich immer für einen Bonus-Lacher nach getaner Arbeit gut ist.

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Kinect Adventures sieht ein wenig besser aus, als die üblichen Avatar-Games, die über XBLA käuflich erworben werden können. Das optische Highlight sind eindeutig die Wildwasserfahrten durch farbenfrohe und abwechslungsreiche Kulissen. Insgesamt reizt das Spiel die Möglichkeiten der Konsole aber nicht annährend aus. Oft wirken die Hintergründe etwas statisch, was aber gleichzeitig sinnvoll erscheint, denn schließlich sollen sie nicht zu stark von den Animationen der Spielfigur ablenken. Die Art und Weise, wie die eigenen Bewegungen auf den virtuellen Stellvertreter übertragen werden ist tatsächlich beeindruckend. Gerade in den ersten Minuten macht es extrem viel Spaß, eine skurrile Verrenkung zu machen, um dann erstaunt festzustellen, dass der Avatar sehr viel davon übernimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in Zukunft noch mehr Kinect-Spiele in einem ähnlichen Stil zu sehen bekommen, ist sehr hoch. Es ist keinesfalls abwertend gemeint, aber “Wii Sports in hübscher“ beschreibt das Geschehen auf dem Bildschirm tatsächlich recht gut.

Die Soundeffekte können sich hören lassen und tragen viel zur richtigen Stimmung bei. Egal ob die Spielfigur mit dem Kopf gegen ein Hindernis donnert oder ein Fisch die schützende Glaswand rammt, die Geräusche passen eigentlich immer. Auch die Sprecher machen ihre Sache gut und schaffen es, eine übertriebene Dramatik aufzubauen, die besonders bei Kindern gut ankommt. Obwohl die Musik grundsätzlich nett ist, wird insgesamt zu wenig Abwechslung geboten. Es gibt einfach nicht genügend Songs und innerhalb eines Levels wiederholen sich die gleichen Melodien unendlich oft.

Tim meint:

Tim

Kinect Adventures erfüllt seine Aufgabe, macht dabei aber nicht mehr als nötig. Das Game zeigt das Potenzial von Kinect auf, aber jedem Käufer dürfte innerhalb weniger Minuten klar sein, dass es mit Sicherheit möglich ist, noch deutlich mehr aus der Hardware zu kitzeln. Natürlich macht es Spaß, mit den Möglichkeiten der Körpersteuerung zu experimentieren, aber der geringe Umfang, der kindergerechte Schwierigkeitsgrad und das eher simple Gameplay, werden erwachsene Spieler nicht lange vor der Konsole halten können. Die Multiplayer-Modi sind zwar ganz nett, aber im Gegensatz zum Party-Klassiker und Urvater aller Spiele mit Bewegungssteuerung Wii Sports, wird Kinect Adventures garantiert in vier Jahren nicht mehr aus dem Regal gekramt, um einen Konsolenabend mit Freunden spaßig zu gestalten.

Stefan meint:

Stefan

Wie mein Kollege schon schreibt, wandelt der anfängliche Spaß für einen Erwachsenen recht schnell zum abarbeiten der möglichen Achievements. Auf der anderen Seite sind wir als Familie mit zwei kleinen Kindern die perfekte Zielgruppe und erfreuen uns anschließend einfach daran, wie viel Spaß unsere Kinder mit dem Titel haben. Zudem ist Kinect Adventures im Grunde genau das richtige Spiel um "neugierig gewordenen Besuchern" eine erste Einführung in die Kontroller lose Welt von Kinect zu geben. Von daher schließe ich mich hier nahtlos an Tims Wertung an.  

Positiv

  • die Bewegungssteuerung ist interessant
  • junge Spieler werden ihren Spaß haben
  • es ist eine

Negativ

  • oberflächliches Gameplay
  • geringer Umfang
  • sehr niedriger Schwierigkeitsgrad
Userwertung
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Kinect Adventures! Daten
Genre Genre-Mix
Spieleranzahl 1-2
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 10.November 2010
Vermarkter Microsoft Game Stud
Wertung 6.4
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neXGam YouTube Channel
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