The Gizmondo Story

Gizmondo

Einführung und 1. Akt: Gizmondo 2004

Da die Geschichte von Gizmondo und seiner Vertreter eine „Geschichte voller Missverständnisse und Verwirrungen“ ist, startet unser Special mit einen groben Überblick über die Gizmondo Ltd. und stellt erst anschließend die Protagonisten und ihre Verwicklungen sowie persönlichen Geschichten einzeln vor.

Prolog – Tiger Telematics

The-Gizmondo-Story-10Tiger Telematics hieß die Mutterfirma von Gizmondo Europe. Der spätere Gizmondo Europe Gründer Carl Freer betrieb in den 90er Jahren in Schweden eine Vertriebsfirma für GPS-Geräte, als er zum ersten Mal auf Stefan Eriksson traf. Doch dazu später mehr. Im Jahre 2002 fusionierte seine Firma mit dem US-Teppich-Vertrieb „Floor Decor“ aus Florida. Die Geschäftsbereiche wurden nach einem radikalen Richtungswechsel auf elektronische Unterhaltung umgestellt. Da Floor Decor in den USA an der Börse gelistet war, konnte Freer neue Aktien ausgeben und dadurch Investorenkapital akquirieren. Nach dem Konkurs von Gizmondo Europe im Januar 2006 ging es folglich anschließend auch mit Tiger Telematics bergab, da man selbst keine Geschäftstätigkeit hatte – außer eben Investorengelder für die Gizmondo-Tochter zu sammeln.

1. Akt – Gizmondo Europe 2004


The-Gizmondo-Story-8Nachdem Freer mit Tiger Telematics erstmals genügend Investorengelder sammelte und die Tiger Telematics Aktie von Ende 2003 bis Frühjahr 2005 von 53 Cent auf über 32,50 Dollar stieg, ließ sich Gizmondo Europe Anfang 2004 in Farnborough, England, nieder. Das neue Multimediawunder „Gametrac“ sollte ein echter Alleskönner werden und den Konkurrenten im mobilen Gamingsektor – Sony und Nintendo – den Rang ablaufen. Da die damalige Firma „Gametrac Europe“ einem Rechtsstreit mit dem ehemaligen Gizmondo-Werbepartner Jordan aus dem Weg gehen wollte, benannte man die Firma und das dazugehörige Gerät eiligst in Gizmondo um.

Nun ging es daran, im Jahre 2004 den Investoren den Gizmondo – einen Multimedia-Handheld mit Gaming-, SMS/MMS-, GPS-, MP3-, Video- und Kamerafunktion ausgestattet – schmackhaft zu machen. Dass dies nicht alles ohne Personal funktioniert, erklärt sich von selbst. So fanden sich innerhalb kürzester Zeit Stefan Eriksson, Steve Caroll, Peter Uf und John Enader in der Führungsriege bei Gizmondo ein. Da der Gizmondo bis dato noch nicht erschienen war, wurden im Jahr 2004 gerade einmal knappe 200.000 Dollar Umsatz erzielt. Nicht verwunderlich, dass Gizmondo Europe das Geschäftsjahr 2004 mit einem Nettoverlust von 99 Mio. US-Dollar abschloss, welcher überwiegend durch Kreditaufnahme gedeckt wurde.

The-Gizmondo-Story-11Waren die Einnahmen kläglich, so waren die Ausgaben umso großzügiger. Freers Einstiegsgehalt betrug knapp 1 Mio. Dollar, wurde aber bereits sechs Monate später verdoppelt. Freers Frau, mittlerweile ebenfalls bei Gizmondo angestellt, erhielt 170.000 Dollar für „Consulting“-Dienste. Eine konkrete Position oder Aufgabe ist jedoch nicht bekannt. Erikssons Bezüge betrugen stattliche 800.000 Dollar zu Beginn und wurden ebenfalls nach sechs Monaten verdoppelt. Durch diverse Boni und Zusatzbezüge betrugen die Gehälter von Freer und Eriksson insgesamt knappe 2,3 Mio Dollar pro Person im Jahr 2004. Zusätzlich ließen sich die Gizmondo-Obersten ihren Fuhrpark aus der Firmenkasse finanzieren, Eriksson wurden etwa Fahrzeugspesen von 10.000 Dollar zugewiesen – pro Monat!

2. Akt – Gizmondo Europe 2005

2. Akt – Gizmondo Europe 2005

The-Gizmondo-Story-4Das Jahr 2005 brachte den großen Einbruch. Laut Geschäftsbericht verzeichnete Gizmondo Europe im ersten halben Jahr einen Nettoverlust von 200 Mio. Dollar, was knappe 1 Mio. Verlust pro Tag bedeutet! Um den geplanten US-Start zu finanzieren, emittierte Tiger Telematics regelmäßig neue Aktien, sodass binnen weniger Monate über 70 % neue Aktien auf den Markt geworfen wurden. Dies wirkte sich natürlich dementsprechend auf die Kurse aus.

Dabei begann das Jahr 2005 nach außen hin gut: Ein Flagshipstore in der Luxusgegend Londons wurde eröffnet, zur Eröffnungsfeier erschienen prominente Gäste wie Sting oder Danii Minogue, denen (so wird angenommen) bis zu 1 Mio. Dollar allein für ihre Anwesenheit gezahlt wurde. Auf der E³ hieß Gizmondos Motto „klotzen statt kleckern“ und so stampfte man einen sicher nicht billigen Messestand aus dem Boden.

The-Gizmondo-Story-5“Jede Woche ein neues Spiel“, versprach man potenziellen Gizmondo-Besitzern. Zum Launch gab es jedoch nur zwei klägliche Titel und anschließend herrschte zwei Monate Ebbe. Seit seinem Großbritannien-Release im April 2005 verkaufte sich der Gizmondo geschätzte 10.000 Mal, wohingegen die Gizmondo-Führung allein von 500.000 Vorbestellungen sprach. Auch beim Release des Gizmondos in den USA lief es nicht besser, da trotz eines offiziellen Launches im Oktober 2005 der Giz so gut wie nirgendwo aufzutreiben war. Gerade einmal drei Verkaufsstores in den ganzen USA hatten den Giz im Programm. So blieb dem Käufer, selbst wenn er bereit war die geforderten 400 Dollar zu investieren, nur die Möglichkeit durch die halben USA zu reisen oder aber online auf der offiziellen Homepage zu bestellen. Wie es dank eines solchen Vertriebs um die Gizmondo-Verkäufe stand, bedarf keiner großen Phantasie ...

The-Gizmondo-Story-6Geringe Verkaufszahlen der Hardware, fehlende Investoren, gerade einmal 14 Spiele auf dem Markt, schlechte bis nicht existierende Vertriebswege und Releaseverschiebungen der versprochenen Top-Titel Chicane und Colors – die Einnahmen sahen eher spärlich aus. Die Ausgaben hingegen nahmen immer irrwitzigere Ausmaße an. Die Managementplaner bei Gizmondo schienen sich nicht einig zu sein, wie man denn adäquate Werbung betreiben könnte. So wurde etwa beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans ein Rennwagen gesponsort, den Stefan Eriksson höchstpersönlich fuhr. Wegen eines Reifenschadens schied er jedoch bereits frühzeitig aus. Nicht minder skurril mutet auch Gizmondo Europes Sponsoring eines Rennpferdes (!) an. Über Sinn und Unsinn der Werbestrategien ließ sich schon damals streiten.

Die Zuschüsse und Zuwendungen an die Gizmondo-Oberen und ihre Partner ebbten auch im Jahr 2005 nicht ab. So wurden über 800.000 Dollar für Luxusuhren ausgegeben, welche man dann an potentielle Investoren verteilen ließ. Freers eigener Uhrenbestand wurde auf knappe 200.000 Dollar geschätzt. Geradezu bescheiden, denn die Uhren und Schmuckbestände von Erikssons Freundin schätzte man später auf knappe 1,4 Mio. Dollar, alles auf Firmenkosten, versteht sich.

The-Gizmondo-Story-7Neben den regelmäßigen Bezügen für den Fuhrpark der Führungsriege zahlte Gizmondo zudem noch über 4 Mio. Dollar Leasinggebühren für weitere Luxusautos. Nachdem Details über die kriminelle Vergangenheit von Freer, Eriksson, Uf und Enader bekannt wurden, verließen alle vier Gizmondo Ltd. im Oktober 2005 fluchtartig. Den Nachfolgern blieb nicht mehr viel übrig, als die Pforten nach drei Monaten zu schließen, nachdem alle Bemühungen um einen Zahlungsaufschub oder neue Kreditgeber scheiterten. Im Januar 2006 reichte Gizmondo Europe schließlich Konkurs ein, worauf kurz danach auch die schwedische und die US-Niederlassung folgten.

3. Akt – Seltsame Fusionen und Geschäftsbeteiligungen

3. Akt – Seltsame Fusionen und Geschäftsbeteiligungen

Eine Frage, die immer wieder auftaucht, ist, wo denn das ganze Geld von Gizmondo geblieben ist? Und natürlich, ob sich Eriksson und Co. mit ein paar Luxusautos und 2 Mio. Dollar Jahresgehalt tatsächlich zufriedengegeben haben. Die Antwort lautet (wie könnte es anders sein): nein. Nach der Liquidierung Gizmondos wurde nämlich noch das eine oder andere pikante Detail bekannt, was die Ausmaße des „Gizmondo-Märchens“ erst richtig zum Vorschein brachte. Besonders im Bereich der Aufkäufe und Deals mit anderen Firmen sickerten interessante Fakten durch, doch arbeiten wir uns chronologisch voran:
 

Indie Studios:

Colors_10Die Indie Studios wurden im August 2004 von Gizmondo aufgekauft und sollten als Exklusiventwickler für Gizmondo den Vorzeigetitel Colors entwickeln. Wie sich später herausstellte, waren Peter Uf und Stefan Eriksson die Besitzer von Indie Studios, weshalb es keiner großen Phantasie bedarf zu bedenken, in wessen Tasche nach dem Aufkauf durch Gizmondo die Gelder geflossen sind. Im Übrigen haben Indie Studios nicht ein einziges Spiel für den Gizmondo offiziell auf den Markt gebracht. Denn wie hinlänglich bekannt ist, wurde der Titel Colors ja niemals offiziell veröffentlicht.

Game Factory Publishing:

Gizmondo zahlte 4 Mio. Dollar an die britische Firma Game Factory Publishing, um Spiele zu entwickeln und Konzepte für potenzielle Gizmondo-Projekte zu erstellen. Wie sich letztlich herausstellte, wurde aber gar nichts entwickelt, geschweige denn überhaupt damit begonnen. Die 4 Mio. Dollar waren jedoch verschwunden. Wo das Geld geblieben ist, ist bis heute fraglich. Einzig bekannte Tatsache ist, dass der Direktor von Game Factory Publishing ein enger Geschäftspartner und Vertrauter von Carl Freer war. Anlass zu Spekulationen über den Verbleib des Geldes lässt diese Verbindung wohl zu ...

Northern Lights

Ein weiterer Softwareentwickler, dem 3,5 Mio. Dollar für die beiden Spiele Colors und Chicane gezahlt wurden. Seltsamerweise wurde der Titel Colors eigentlich von den Indie Studios entwickelt und Chicane von Warthog – ebenfalls ein von Gizmondo aufgekaufter Entwickler. So wurden im Prinzip Gelder für Spiele bezahlt, die Gizmondo doch schon längst besaß. Sieht man sich die Struktur der Firma genauer an, fällt sofort auf, dass Eriksson und Freer je 23,5 % der Aktienanteile von Northern Lights hielten, womit sich die Zahlungen an Northern Lights erklären lassen. Doch nicht das Eriksson-Freer-Gespann war direkter Anteilseigner, die restlichen Anteile an Northern Lights gehörten der vertrauenswürdigen „Asiatic Securities at Asiatic Commerce Bank“ mit Sitz in Panama. Dort jedoch musste der Insolvenzverwalter feststellen, dass eine solche Firma gar nicht existiert – lediglich eine Asiatic Securities ist eingetragen. Die Asiatic Commerce Bank wurde schließlich später in London gefunden und deren Besitzer waren – Überraschung – Carl Freer und Stefan Eriksson.

4. Akt und Ende – Die Protagonisten

4. Akt und Ende – Die Protagonisten

Stefan Eriksson


The-Gizmondo-Story-3Die wohl schillerndste Persönlichkeit der Gizmondo-Elite dürfte Stefan Eriksson gewesen sein. Der am 14.12.1961 in Uppsala, Schweden, geborene Eriksson startete seine kriminelle Karriere bereits in den frühen 80er Jahren, nachdem er für einige beherzte Griffe in die Kasse seines Arbeitgebers für drei Monate hinter Gitter wanderte. Dass dies nicht sein letzter Aufenthalt sein würde, sollte sich bald darauf herausstellen. Im Jahr 1988 wurde Eriksson nämlich zu drei Jahren Haft wegen Kokain- und Waffengeschäften verurteilt.

Zu Beginn der 90er Jahre, nach seinem Gefängnisaufenthalt, wurde Eriksson Mitglied der Uppsala Mafia, die ihr Geld überwiegend mit krummen Kreditgeschäften verdiente. Nachdem Eriksson und Peter Uf Anfang der 90er versuchten, die schwedische Zentralbank durch Betrug um 22 Millionen Kronen zu erleichtern, wurde Eriksson zu zehn Jahren Haft verurteilt, von denen er jedoch nur die Hälfte verbüßen musste. Interessante Details aus den Gerichtsakten besagen, dass Eriksson beim Geldeintreiben in das Haus seines „Klienten“ eingebrochen sei, den Mann zu Boden geschlagen, ihm ein Messer an den Hals gehalten und damit gedroht habe, ihm die Finger abzuschneiden. Anschließend soll er eine Pistole in dessen Mund gehalten haben.
 

The-Gizmondo-Story-13Was sich wie aus einem Gangsterfilm, aber weniger wie die Geschichte eines Geschäftsmannes anhört, war damit längst nicht beendet. Erikssons kriminelle Energie ließ sich auch durch einen erneuten Gefängnisaufenthalt nicht bremsen. So kam es aufgrund eines geschäftlichen „Missverständnisses“ später dazu, dass er auf Carl Freer traf – jener Mann also, der ihn später zu Gizmondo holen sollte. Nachdem Freer es versäumte, gestohlene Ferraris zu liefern, soll Eriksson ihm einen „geschäftlichen“ Besuch abgestattet haben, was dazu führte, dass die beiden Männer geschäftliche Gemeinsamkeiten erkannten. Dies ist allerdings nur Spekulation.

2004 heuerte Freer schließlich Eriksson als CEO bei Gizmondo an. Das Einstiegsgehalt von knapp 800.000 Dollar wurde bereits nach sechs Monaten verdoppelt. Für Eriksson interessanter waren jedoch die Spesen für Firmenwagen. Jeden Monat wurde ihm ein Fahrzeugbudget von knappen 10.000 Dollar zugestanden. Und so fanden sich binnen kürzester Zeit ein roter und ein schwarzer Enzo Ferrari sowie ein Mercedes SLR in Erikssons Garage. Da Eriksson ein Faible für schnelle Autos hat und Gizmondo nicht vor skurrilen Werbekampagnen zurückschreckt, steuerte er sogar persönlich einen Ferrari 360 Modena im Gizmondo-Look beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Nachdem er in den Jahren 2004 und 2005 als CEO von Gizmondo fürstliche Gehälter bezog und unzählige andere „Einnahmequellen“ nutzte, ließ sich Eriksson im Oktober 2005 von Gizmondo Europe auszahlen. Eine schwedische Zeitung hatte nämlich seine kriminelle Vergangenheit und die Machenschaften bei Gizmondo Europe aufgedeckt, weshalb er die schon nicht mehr zu rettende Firma auf dem schnellsten Wege verließ.

Nachdem sich Eriksson seit dem US-Launch des Gizmondo überwiegend dort aufgehalten hatte, passierte auf dem "Pacific Coast Highway" in Kalifornien sein wohl bekanntestes Meisterstück. Dort wickelte Eriksson – betrunken wie sich später herausstellte – seinen roten Enzo Ferrari um eine Laterne, nachdem er ein Rennen mit über 300km/h gegen einen Mercedes SLR fuhr. Der Wagen erlitt dabei einen Totalschaden, Eriksson kam jedoch mit einer blutigen Lippe davon. Was nicht nur Ferrari-Fans weltweit sauer aufstieß, verärgerte auch die Bank von Schottland. Denn der Enzo Ferrari gehörte nicht Eriksson, sondern jener Bank, die bis dato keinen Cent von Eriksson für das Auto gesehen hatte.

The-Gizmondo-Story-2Interessanterweise fand die vor Ort anwesende Polizei keinen Mercedes SLR vor, sondern nur Eriksson und seinen Bekannten Trevor Karney. Dieser behauptete, nur Beifahrer des Mercedes SLR gewesen zu sein. Eriksson selbst behauptete nicht der Fahrer des Enzo gewesen zu sein, sondern ein gewisser „Dietrich“, der nach dem Unfall Fahrerflucht beging und über die nahegelegenen Hügel entkam. In der Gizmondo-Szene zum geflügelten Wort geworden, dürfte dieser „Dietrich“ genauso wenig wie der angebliche Mercedes SLR existiert haben. Nebenbei erzählte der angetrunkene Eriksson den anwesenden Police Officers übrigens, er sei ein im Dienst befindlicher Geheimagent der Landessicherheit. Während der Debatte auf dem Highway hielt Karney ein vorbeifahrendes Auto an, um sich ein Handy für ein Telefonat zu borgen. Wie sich später herausstellte, deponierte er dabei während des Telefonats im Auto des Unbeteiligten ein Pistolenmagazin unter dem Sitz.


The-Gizmondo-Story-14_190xIm März 2006 wurde Erikssons Verlobte dann mit einem Mercedes SLR angehalten und kontrolliert. Es ergab sich, dass der Wagen in England registriert und dort als gestohlen gemeldet worden war, nachdem die fälligen Leasingraten von Eriksson nicht mehr bezahlt und das Fahrzeug nicht zurückgegeben wurde.

Am 3. November 2006 wurde Eriksson von einem Gericht zu drei Jahren Haft wegen zweifacher Unterschlagung und illegalem Waffenbesitz verurteilt. Er wurde am 21. Januar 2008 entlassen und nach Schweden abgeschoben. Dort ging er weiteren kriminellen Machenschaften nach und wurde wegen gewalttätigen Übergriffen und Erpressung erneut angeklagt.


 
 
Carl Freer

The-Gizmondo-Story-1Weniger in den Medien, aber nicht minder interessant, ist die Geschichte von Carl Freer. Geboren am 09. Mai 1970, Gründer von Gizmondo Europe und auch dessen Direktor bis Oktober 2005. Auch Carl Freer kam bereits früh in den Konflikt mit dem Gesetz. Mit gerade einmal 18 Jahren wurde er das erste Mal verurteilt, weil er die Unterschriften seiner Eltern auf Lohnschecks fälschte. Carl Freer soll auf Eriksson Ende der 80er Jahre getroffen sein, als er (Freer) in Schweden diverse Nachtclubs managte und ihm Autoschieberei nachgesagt wurde. Soweit eine mögliche Theorie. Bis 2005 wurde Freer mehrerer Verbrechen beschuldigt, die ihm bislang aber nie nachgewiesen werden konnten.


Für unsere Geschichte vornehmlich interessant ist aber, wie Freer Tiger Telematics gründete und daraus schließlich Gizmondo Europe entstand. Ende der 90er Jahre führte Freer in Schweden eine Firma, die GPS-Geräte vertrieb, die „Eagle Eye Scandinavian“. Nach einiger Überzeugungsarbeit überredete Freer die Eigentümer der US-Firma „Floor Decor“ dazu, mit „Eagle Eye Scandinavian“ zu fusionieren und das Geschäftsgebiet radikal umzustellen. Wie er das schaffte, ist unbekannt. Da Floor Decor bereits mit eigenen Aktien handelte, hatte Freer nun die Möglichkeit, sich durch Emitierung von weiteren Aktien Kapital auf dem US-Finanzmarkt zu beschaffen. Die Firma wurde in Tiger Telematics umbenannt, welche später als Muttergesellschaft von Gizmondo Europe diente.

2002 wollte Tiger Telematics ein GPS-Gerät entwickeln, das es erlaubte, den Aufenthaltsort von Kindern zu ermitteln und Eltern so Möglichkeiten zur Überwachung geben sollte. Da dieses Gerät verständlicherweise schwer „ans Kind“ zu bringen wäre, kam schnell die Idee auf, das Gerät als tragbare Spielkonsole zu vermarkten. Der „Gametrac“, später „Gizmondo“, war geboren. Freer gründete in England die „Gametrac Europe“, (auch hier später Gizmondo Europe), setzte sich selbst als Geschäftsführer ein und begann, Investoren für den Gizmondo zu gewinnen.

The-Gizmondo-Story-9Da Carl Freer außerordentliches Talent nachgesagt wird, Leute von seinen Ideen zu überzeugen und sie mit seiner Persönlichkeit für sich zu gewinnen, waren erstaunlich viele Investoren bereit, sich an Gizmondo zu beteiligen. Nachdem er seinen alten Bekannten Stefan Eriksson ebenfalls in den Dienst seiner Firma gestellt hatte, konnten beide gemeinsam ihren Hobbys (Schmuck und Luxusautos) frönen. Freer bezog im Jahre 2004 knappe 2,2 Mio. Dollar, obwohl Gizmondo Europe noch nicht einmal Einnahmen zu verzeichnen hatte. Freers Frau wurde ebenfalls in die Dienste von Gizmondo gestellt und bezog für „Beratungs- und sonstige Dienstleistungen“ 174.000 Dollar plus Dienstwagen. In der englischen Management-Szene wurde Freer als erfolgreicher Unternehmer gefeiert und auch 2005 zum Launch des Gizmondos in Großbritannien stand sein Schicksal zunächst unter einem guten Stern.

Als sich kurz vor dem US-Launch des Geräts im Oktober 2005 die Gerüchte über dunkle Machenschaften verdichteten und eine schwedische Zeitung eine kritische Reportage über die Vergangenheit der Gizmondo-Führungsebene veröffentlichte, trat diese geschlossen zurück. Die Aktie von Gizmondo begann sogleich ihre Talfahrt und wurde im November 2005 mit nur noch 7 Dollar notiert, bis Gizmondo schließlich im Januar 2006 Insolvenz anmelden musste.

Im April 2006 stand Freer schließlich ebenfalls vor Gericht. Nicht aber wegen seines desaströsen Managements. Vielmehr beschuldigte man ihn, sich als Polizist ausgegeben zu haben, um eine 44er Magnum kaufen zu können. In seiner Villa und in seiner Yacht wurden später bei Durchsuchungen insgesamt 16 Waffen – 14 Gewehre und 2 Handwaffen – aufgefunden. Da der Sachverhalt nicht eindeutig war und Freer erfolgreich behauptete, der Versuch des Waffenkaufs sei nur ein Missverständnis gewesen (was nicht widerlegt werden konnte) ließ man ihn daraufhin wieder frei.

Im Anschluss betätigte sich der geschäftige Freer schon bei seinem nächsten Projekt – „Xero Mobile“, das zum Teil schon wieder mit ehemaligen Gizmondo-Mitarbeitern besetzt wurde. Xero Mobiles Geschäftsbetrieb ähnelt sehr dem von Gizmondo, denn Xero Mobile arbeitet zufälligerweise an einem System für Werbebotschaften auf GPS Geräten und Handys – ähnlich Freers damaligen Lieblingskind, dem Smart Adds System beim Gizmondo. Bei Xero ist Freer zwar nicht als Direktor, wohl aber als Teilhaber beteiligt.

2008 versuchte Carl Freer sein Gizmondo-Baby wiederzubeleben und kündigte an, man werde Investoren für einen Relaunch suchen. Wir führten im Jahre 2008 ein exklusives Interview mit Carl Freer zum geplanten Gizmondo-Relaunch in dem viel versprochen wurde. Leider wurde der Relaunch nicht umgesetzt. Das Interview findet ihr hier.

Heute (2011) arbeitet Freer weiterhin im Bereich Augmented Reality als Geschäftsführer von GetFugu und Media Power, wurde 2009 wegen angeblicher Korruption verklagt und anschließend ein Jahr später von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen.

Johan Enader


The-Gizmondo-Story-12Johan Enader, genannt „Der Torpedo“, war ein ehemaliger Kollege und Geldeintreiber von Eriksson bei der Uppsala Mafia. Nach Erikssons Aufstieg zum Gizmondo CEO wurde Enader als "Security Chief" bei Gizmondo eingestellt.

Steve Caroll

Ebenfalls Gizmondo-Direktor. Wenig Details sind bekannt, lediglich dass er seiner Freundin Tamela Sainsbury über 300.000 Dollar plus Boni für „Beratungstätigkeiten“ bezahlen ließ.

Peter Uf

Auch ein ehemaliger Kollege von Eriksson aus Uppsal-Tagen. War ebenfalls mehrmals wegen Betruges vorbestaft und saß über fünf Jahre im Gefängnis. Er wurde natürlich auch als Gizmondo-Manager eingestellt und nahm im Rahmen des Skandalberichts im Oktober 2005 seinen Hut.

Die größte Frage bleibt aber weiterhin im Raum stehen: Wo ist das ganze Geld von Gizmondo hin? Ermittlungen ergaben Unmengen von verworrenen Geschäftsbeziehungen und Zahlungen an Personen, die nie existierten, sodass die Ermittlungen im Falle Gizmondos noch Jahre andauern könnten bzw. nie ganz geklärt werden dürften.

Den Videospielfans bleibt zumindest die wohl kurioseste und spannendste Geschichte einer Firma, die je die Branche erschüttert hat. Schon allein aus diesem Grund wird der Gizmondo wohl ewig in den Gedächtnissen der Branche und der Fans bleiben, verbunden mit der Erkenntnis, dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt ...

Die folgende Grafik bringt einen – wenn auch etwas satirischen – Überblick in die dubiosen Verstrickungen der Protagonisten mit Gizmondo und seltsamen Zahlungen:

 

gizmondo_flow_chart


Einige der verwendeten Quellen:

http://business.timesonline.co.uk/
http://www.thisismoney.co.uk/
http://www.latimes.com/
http://www.gamespot.com
http://www.wired.com
http://www.pockett.net

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Forum
  • von CD-i:

    Beste ist ja, dasd freer 2008 dad ding relaunchen wollte ...

  • von blast68k:

    Ein sehr interessanter Artikel. Danke. Finde ich sehr spannend was da im großen Stil ablief, die scheinen ja echt mit allen Wassern gewaschen zu sein, hatte das Gizmondo-Ding damals nur am Rande mitbekommen -> Aber ich hab sowas ähnliches auch mal über Software 2000 gehört, aber allerdings...

  • von CD-i:

    Möglich aber wohl eher jemand der nach der insolvenz die Lager liquidiert....

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